Bund-Länder-Finanzbeziehungen

Was der neue Finanzausgleich für Kommunen bedeutet

Carl-Friedrich Höck17. Oktober 2016
Finanzminister Schäuble und Bundeskanzlerin Merkel
Bundesfinanzminister Schäuble und Bundeskanzlerin Merkel: Für den Bund ist der Finanzpakt ein „befriedendes Ergebnis”.
Die Bundesregierung hat sich mit den Länderchefs auf einen neuen Finanzpakt geeinigt. Das wirkt sich auch auf die Städte und Gemeinden aus. Die DEMO beantwortet die wichtigsten Fragen und berichtet über die Reaktionen.

Warum ist ein neuer Finanzausgleich notwendig?

Der Länderfinanzausgleich und der Solidarpakt II laufen im Jahr 2019 aus. Deshalb musste eine Regelung für die Zeit danach gefunden werden.

Was sind die Grundzüge der Vereinbarung?

Der bisherige Länderfinanzausgleich wird abgeschafft. Der Bund überweist den Ländern ab 2020 jährlich rund 9,5 Milliarden Euro als Ausgleichszahlung. Rund vier Milliarden Euro fließen als Anteil an der Umsatzsteuer an die Länder. Ein Betrag von 1,4 Milliarden aus dem Umsatzsteueraufkommen kann im Lauf der Jahre dynamisch ansteigen. Der Rest der Zuweisungen ist jedoch als Festbetrag ausgestaltet. Aufgeteilt wird der Länderanteil an der Umsatzsteuer zum einen nach der Einwohnerzahl der Bundesländer. Zum anderen wird es Zu- oder Abschläge geben, die von der Finanzkraft des Bundeslandes und seiner Kommunen abhängen. Die neuen Regeln gelten bis mindestens 2030. Kein Bundesland steht nach der Neuordnung finanziell schlechter da als ohne sie.

Inwiefern betrifft die Einigung die Kommunen?

Vordergründig gar nicht, denn das Geld fließt an die Bundesländer. Doch damit werden diese mit den nötigen finanziellen Mitteln versorgt, um ihrerseits die Kommunen ausreichend auszustatten. Über die kommunalen Finanzausgleichsgesetze auf Länderebene könnten die Kommunen ab 2020 von den zusätzlichen Bundesgeldern profitieren. Zudem enthält der Finanzpakt mehrere Vereinbarungen zu konkreten politischen Vorhaben, die sich auf das Leben in den Städten und Gemeinden auswirken werden – insbesondere bei den Themen Verkehr und Schule.

Was ändert sich in Bezug auf die Verkehrsinfrastruktur?

Der Bund will eine Infrastrukturgesellschaft Verkehr gründen und erhält dafür neue Kompetenzen. Diese neue Gesellschaft soll sich um Investitionen in das Fernstraßennetz kümmern. Für die Kommunen wichtiger: Mit der Einigung ist auch geklärt, dass der Bund ab 2020 weiterhin 333 Millionen Euro pro Jahr für die Gemeindeverkehrsfinanzierung zur Verfügung stellt. Im Grundsatz ist das zwar schon seit längerem vereinbart, doch laut Deutschem Städtetag haben sich bereits Investitionen in den öffentlichen Personennahverkehr oder in Straßen verzögert, weil die Finanzierung bisher als unsicher galt.

Wie profitieren Schulen von der Vereinbarung?

Bis 2018 stellt der Bund 3,5 Milliarden Euro für ein kommunales Investitionsprogramm zur Verfügung. Jetzt wurde vereinbart, dass der Bund weitere 3,5 Milliarden locker macht. Das Geld soll vor allem in die Sanierung und Verbesserung der Schulen fließen. Das Kooperationsverbot im Grundgesetz soll für den Bildungsbereich gelockert werden.

Wie äußern sich Vertreter von Bund und Ländern zu dem Kompromiss?

Für Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ist der Kompromiss ein „zumindest befriedendes Ergebnis“. Besonders wichtig sei, dass der Bund nun mithelfen könne, die Bildungseinrichtungen finanzschwacher Kommunen mit zu verbessern. Euphorischer gibt sich SPD-Chef Sigmar Gabriel, der zuvor auf ein Schulsanierungsprogramm gedrängt hatte. Er spricht von einem „sehr guten Ergebnis“.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering lobt, der „notwendige Ausgleich zwischen finanzstärkeren und finanzschwächeren Ländern“ sei gelungen. Das sieht auch NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft so. „Nordrhein-Westfalen hat sich mit den wichtigsten Forderungen durchgesetzt“, sagt sie. Der Umsatzsteuervorwegausgleich sei abgeschafft und NRW könne nun „mehr Geld behalten von dem, was hier erwirtschaftet wird“, so Kraft.

Wie bewerten Kommunalverbände die Einigung?

Der Deutsche Städtetag begrüßt die Verabredungen ebenfalls. „Sie helfen den Ländern und damit indirekt auch den Städten, Haushalte über das Jahr 2019 hinaus mit mehr Sicherheit planen zu können“, sagt Städtetags-Präsidentin Eva Lohse. Die Länder müssten nun ihrerseits die Kommunen finanziell angemessen ausstatten. Zudem fordert Lohse ein gesamtdeutsches Fördersystem für strukturschwache Regionen.

Ähnlich nimmt der Deutschen Städte- und Gemeindebund auf Anfrage der DEMO Stellung: „Die von den Ländern erkämpften Mehreinnahmen stellen auch eine Chance dar, endlich für eine nachhaltig aufgabengerechte Finanzausstattung der Kommunen Sorge zu tragen. Der von der Verständigung ausgehende Impuls ist zu nutzen, um gleichwertige Lebensverhältnisse überall im Land zu wahren und dringend notwendige Zukunftsinvestitionen, auch in den Kommunen, angehen zu können.“ Dass der Bund das kommunale Investitionspaket aufstocken und das Kooperationsverbot bei der Bildung lockern will, wird vom DStGB ausdrücklich begrüßt. Die Länder dürften sich deshalb aber nicht aus der Finanzierungsverantwortung entziehen.

Kritik vom Vorsitzenden der Bundes-SGK, Frank Baranowski

Frank Baranowski, Vorsitzender der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (Bundes-SGK) und Oberbürgermeister von Gelsenkirchen, erklärte: „Das Ziel ist in Sicht, aber die Ziellinie für die Kommunen noch lange nicht überschritten!” Er lobte, dass sich Bund und Länder auf eine Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen verständigen konnten. Aber das Ganze würde erst dann zu einem guten Paket, wenn die Interessen der Kommunen in Deutschland in der Umsetzung ausreichend berücksichtigt würden. „Dass allein die Länder ab 2020 über mehr Geld verfügen, reicht noch nicht“, kritisierte er. Das sei leider das Ergebnis, wenn man die Kommunen nicht direkt mit an den Tisch hole.

Baranowski fügte hinzu: „Unser Ziel ist und bleibt: Die Regelausstattung der Kommunen muss so gestaltet werden, dass kommunale Nothilfeprogramme überflüssig werden! Nichts anderes kann gemeint sein, wenn in Art. 28 II GG die Rede davon ist, dass den Gemeinden das Recht gewährleistet sein muss, ihre Angelegenheiten in eigener Verantwortung zu regeln.” Gleichwohl begrüße er die erklärte Absicht, das Investitionsprogramm des Bundes für finanzschwache Kommunen um 3,5 Milliarden Euro aufzustocken und für die Sanierung und Verbesserung von Schulen einzusetzen.

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