Lieferverkehr

So könnten Lastenfahrräder den Stadtverkehr entlasten

29. September 2016
Lastenfahrräder können zu einem emissionsfreien Warenverkehr beitragen.
Seit Jahren befeuert der Online-Handel den Lieferverkehr, auch immer mehr Einzelhändler senden ihre Waren frei Haus. Um in Zukunft verstopfte Straßen zu vermeiden, könnten Lastenräder helfen: Sie sind ökologisch nachhaltig und platzsparend.

Online werden heute nicht nur Dinge wie Bücher, Schuhe oder Computer vor die Haustür geordert, zunehmend erstreckt sich der Transport auch auf Nahrungsmittel oder Fertiggerichte. Vor allem die Kerngebiete großer Städte spüren die steigende Belastung durch den Warenverkehr. Lars Purkarthofer von United Parcel Service (UPS) spricht von „spektakulären Wachstumsraten“.

Was tun, damit die Innenstädte nicht verstopfen? Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) schlägt vor, im innerstädtischen Bereich verstärkt auf Lastenräder zu setzten. Diese speziellen Fahrrad-Modelle können Lasten von bis zu 300 Kilogramm transportieren. Möglich wird das durch den modernen Elektroantrieb: Wo ein Radfahrer früher mühsam den Berg hoch gestrampelt ist, reicht heute ein Griff an den Lenker.

Lastenräder als Anschub für den Einzelhandel

Es gibt bereits verschieden Ansätze dafür, wie der Wirtschaftsverkehr auf Lastenräder verlagert werden könnte. In Wiesbaden versucht die Onlineplattform „Kiezkaufhaus“ gleich zwei Dinge auf einmal: Die Räder, die das Startup betreibt, sollen Verkehr und Umwelt entlasten und gleichzeitig den Einzelhandel stärken, der sich gegen Internet-Riesen wie Amazone alleine kaum behaupten kann.

Das Konzept: Auf der Website des Unternehmens können Kunden die Produkte der örtlichen Einzelhändler nach Hause bestellen. „Um die Produkte für unsere Website zu erfassen, haben wir sie einfach abfotografiert“, erklärt Projektleiterin Nanna Beyer. Die bestellten Waren werden täglich bei den Händlern abgeholt, in einer Zentrale umgepackt und schließlich ausgeliefert – alles per Rad. „Immer wenn ein Einzelhändler zu macht heißt es, das Internet ist schuld. Ich denke es gibt die Chance das diesmal anders zu machen“, so Beyer.

Dezentrale Belieferung

An Modellen für Lastenräder gibt es inzwischen eine bunte Auswahl. Manche erinnern an den fahrenden Eishändler aus dem Park: drei Räder, Laderaum im Rücken des Fahrers. Andere haben die Ladefläche vor dem Lenker, die kleinen Vorderräder werden über eine Achse gesteuert. Wieder andere kommen sogar mit einem Anhänger daher ­– der Elektromotor macht’s möglich.

Allerdings gibt es noch andere Vehikel für eine CO2-neutrale Belieferung der Innenstadt. In Stuttgart setzt die Verwaltung auf Sackkarren und hat mit dem Frauenhofer-Institut und verschiedenen Lieferunternehmen ein Pilotprojekt entwickelt. In der Stuttgarter Innenstadt werden in diesem Herbst zwei Depots eingerichtet, von denen aus die Einzelhändler per Sackkarre beliefert werden.

Auch in der Hamburger Innenstadt gibt es ein ähnliches Projekt. Hier kommen aber tatsächlich Lastenräder zum Einsatz, die die Kunden von Containern aus beliefern. Der Transport wird von UPS übernommen, denn die großen Logistikunternehmen suchen nach Möglichkeiten, um auch in Zukunft einen reibungslosen Warenverkehr bieten zu können. „Auch wir stehen im Stau“, sagt Lars Purkarthofer.

Gebraucht werden neue Nutzungskonzepte

Noch offen ist die Frage, ob die Politik die Einführung der Lastenräder fördern sollte ­– und wenn ja wie. Anders als Elektroautos werden E-Bikes vom Bund nicht gefördert. Gefragt sind also die Kommunen. München ist vorangegangen und fördert Elektromobilität zu gewerblichen Zwecken ­– also auch E-Lastenräder ­– für dieses und kommendes Jahr mit 22,2 Millionen Euro. Denkbar ist auch ein größeres Nutzungsrecht des innerstädtischen Raums für Lastenrad-Betreiber ­– wie etwa das Befahren von Fußgängerzonen.

Doch hier beginnt das Problem. Wer hat welches Anrecht auf den Stadtraum? Kirsten Lühmann, Sprecherin für Verkehr und digitale Infrastruktur der SPD-Bundestagsfraktion, glaubt, dass die Lastenräder durchaus zu einem emissionsfreien Warenverkehr beitragen können. Aber auch sie nehmen Patz weg. In Berlin etwa steigen immer mehr Menschen aufs Fahrrad um. Was eigentlich zu begrüßen ist, führt zunehmend zu Konflikten mit Autos und LKW. „Wir brauchen dringend ein städteplanerisches Konzept für die Zukunft“, warnt Lühmann. „Sonst läuft uns das vor die Wand.“

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