Wohnungsmarkt

Wie Wohnungsmangel mit neuen Dach-Etagen begegnet werden kann

Karin Billanitsch22. August 2016
Eine große Chance für mehr Wohnungen in Deutschland liegt auf den Dächern. Hier der Blick über ein Wohnviertel in Berlin.
Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) sieht große Chancen in Dach-Aufstockungen. Der neue Wohnraum wird nach Ansicht der Forscher aber nicht zu ganz günstigen Preisen zu haben sein. Die Baugenehmigungen in diesem Bereich sind im 1. Halbjahr 2016 um fast 50 Prozent gestiegen.

Wohnen direkt unter dem Dach ist beliebt. Mit neuen Etagen „on Top“ auf bestehenden Häusern können angespannte Wohnungsmärkte entlastet werden, weil sie ein großes Potenzial für mehr Wohnraum bieten. Zu diesem Ergebnis kommt eine im Auftrag des Bundesbauministeriums vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) herausgegebene Kurzexpertise. Unterstützung kommt aus dem Bundesbauministerium: „Mit einer maßvollen Verdichtung in den gefragten Innenstadtlagen können neue Wohnungen entstehen, ohne zusätzliche Flächen zu versiegeln,“ erläutert die zuständige Ministerin, Barabara Hendricks.

„Bruchteil des Potenzials ausgeschöpft“

„Wir heben bisher nur einen Bruchteil der Potenziale, die Dachaufstockungen und Dachausbauten bieten“, betont auch BBSR-Direktor Harald Herrmann. Auf Baumaßnahmen im Bestand entfallen derzeit maximal zehn Prozent an allen fertiggestellten Wohnungen in Deutschland. Die Expertise kommt unter anderem zu dem Ergebnis, dass vor allem die Wohnungsbestände der 1950er- bis 1970er-Jahre gute Voraussetzungen für den Ausbau bieten, weil sie saniert werden müssen. Bei den anstehenden Modernisierungsarbeiten können Dachausbaumöglichkeiten gleich mit geprüft werden. Knapp 40 Prozent des Wohngebäudebestandes in der Bundesrepublik entfallen laut BBSR auf diese Gebäudegeneration.

In der Studie haben die Wissenschaftler haben Potenziale von Dachausbauten und Dachaufstockungen anhand von Fallstudien ermittelt und darüber hinaus bestehende Hemmnisse unter die Lupe genommen. Sie haben herausgefunden, dass sich die Hoffnung der Politik auf günstigen Wohnraum hier offenbar nicht erfüllt: Dachausbau wird wegen hoher Herstellungskosten eher einen Beitrag zur Ausweitung des Wohnungsangebots im mittleren als im unteren Preissegment leisten können, so die Autoren. Herrmann mahnte: „Eigentümer wägen sehr genau ab, ob sich ihre Investitionen rechnen. Zudem wirken rechtliche Anforderungen der Länder und Kommunen, wie etwa die Stellplatzpflicht oder die Pflicht, einen Aufzug einzubauen, als Kostentreiber.“

1,5 Millionen zusätzliche Wohnungen

Die Technische Universität Darmstadt und das Hannoversche Pestel-Institut haben im Frühjahr ebenfalls auf die Möglichkeiten durch Ausbauten hingewiesen: sie schätzen, dass mehr als 1,5 Millionen zusätzliche Wohnungen durch Aufstockung entstehen könnten. Auch sie sehen Reserven auf den Mehrfamilienhäusern, die von 1950 an bis 1990 gebaut worden sind, aber auch auf Gebäuden die vor 1950 entstanden sind. Professor Karsten Tichelmann von der TU Darmstadt nennt Vorteile: „Es wird kein zusätzliches Bauland gebraucht und keine neuen Grünflächen versiegelt. Auch der Aufbau neuer Infrastruktur entfällt.“ Weder neue Straßen, noch Kanal- oder Versorgungsleitungen würden benötigt.

Auch in der BBSR-Studie werden diese Vorteile genannt und betont, dass in bereits heute dicht bebauten, nachgefragten Quartieren Dachaufstockungen und Dachausbauten oftmals die einzige Möglichkeit darstellen, zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Die künftigen Nutzer könnten auch preiswertere Bestandswohnungen frei machen, so die Experten des BBSR.

Zahl der Baugenehmigungen gestiegen

Nimmt man die jüngsten Zahlen der Baugenehmigungen unter die Lupe, liegt der Schluss nahe, dass die Bauherren diese Chancen erkannt haben: Gegenüber dem Vorjahreszeitraum ist die Zahl der Baugenehmigungen für Dachausbauten, Dachaufstockungen und Umwandlungen im ersten Halbjahr 2016 um 46 Prozent gestiegen. In absoluten Zahlen heißt das: Es wurden 25.800 Wohnungen genehmigt, der höchste Wert seit 1998, als 27.600 Genehmigungen erteilt wurden. Insgesamt wurde von Januar bis Juni 2016 der Bau von insgesamt 182 800 Wohnungen genehmigt.

Kommunen müssen Potenziale erfassen

Auch die Kommunen können dazu beitragen, diese zusätzlichen Wohnraum-Reserven zu heben: „Die Erfassung der theoretischen Potenziale durch die Kommune ist bedeutsam“, heißt es in der BBSR-Studie. Um die Baukosten zu reduzieren, empfehlen die Wissenschaftler, dass die Kommunen ihre planerischen Ermessensspielräume nutzen und kostentreibende Auflagen in einem angemessenen Maß reduzieren. Dies entspricht auch den Forderungen des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen, das Bundesbauministerin Hendricks ins Leben gerufen hat. Zudem müsse bei den Bürgern für die Baumaßnahmen geworben werden.

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BBSR-Online-Publikation