Der Förster zeigt auf eine Eiche. Ihr mächtiger Stamm strebt himmelwärts. „Die ist 500 Jahre alt“, sagt Thomas Göllner. Ein paar Hundert Meter weiter vermodert im Uelzener Stadtforst der Stamm eines Baum-Methusalems. „Der gehörte einer Huteeiche.“ Jahrhundertelang trieben Bauern ihre Schweine unter den Baum, um sie mit seinen Früchten zu mästen. Die Tiere hielten den Boden frei, sodass die Eiche eine breite, Schatten spendende Krone ausbilden konnte. Nun grünen rund um den vermodernden Stamm junge Buchen. Sie nutzen die Lichtung. Der Wald erneuert sich ohne menschliches Zutun. „Natürliche Sukzession“, nennt es der Uelzener Stadtförster.
Thomas Göllner bewirtschaftet mit seinem Team 890 Hektar nach den Grundsätzen einer naturgemäßen Waldwirtschaft. Danach sind sich selbst regulierende Waldsysteme anpassungsfähiger, produktiver und beheimaten eine höhere Vielfalt an Lebewesen als von Menschen regulierte Forste. Auch deshalb darf die alte Huteeiche liegen bleiben und vermodern. Deshalb dürfen die jungen Buchen dicht an dicht wachsen. Diejenigen, die das meiste Licht einfangen, haben auch ohne menschliche Hilfe beste Chancen, zu einem stattlichen Baum heranzuwachsen.
Vom Nadel- zum Laubwald
Uelzen liegt in der Ostheide. Die Eiszeit hat in der Region vor 11.000 Jahren sandige, nährstoffarme Böden hinterlassen, auf denen vor allem Heide und Kiefern wuchsen. Eine Ausnahme bilden die fruchtbareren Böden des Uelzener Beckens. Als der Wald vor gut Hundert Jahren aufgeforstet wurde, geschah das dennoch mit Nadelbäumen. Der Waldumbau hin zum Laubwald begann vor 50 Jahren, Göllner begleitet diesen Prozess seit 31 Jahren. „Wegen der besseren Böden, können wir vor allem die standorttypischen Laubhölzer wie Buche und Eiche wieder etablieren.“
Dazu nutzt er Jungpflanzen aus der Region, die an die Standort- und Klimabedingungen angepasst sind. Seit Mitte der 90er Jahre ist der Wald zertifiziert: Naturland- und FSC-Label gewährleisten, dass der Wald nachhaltig, umweltgerecht und ohne Pestizide bewirtschaftet wird.
Zehn Prozent ungenutzt
Schonende Holzernte – Rückepferde im Einsatz
Werden Bäume gefällt, geschieht das in den Monaten September bis März, wenn die Natur weitgehend ruht, und möglichst schonend mit der Motorsäge. Vermarktet wird das Holz zu 95 Prozent in der Region, um den ökologischen Fußabdruck so niedrig wie möglich zu halten. Nur weniger als fünf Prozent der Holzmenge werden mit großen Maschinen geerntet, meist auf noch nicht umgebauten Nadelholzbeständen.
Aus dem Wald holen lässt der Stadtförster das Holz mit Seilwinden oder Pferden. „Wir sind das einzige Forstamt in Niedersachsen mit Rückepferden.“ Einer der Auszubildenden wird lernen, mit den Pferden zu arbeiten, die die Baumstämme verrücken – daher der Name – in Richtung des nächsten Weges zum weiteren Abtransport.
Eigenbetrieb der Stadt
Der Stadtforst mit Tierpark, 60 Kilometer Wanderwegen und Wasserschutzgebiet ist ein Eigenbetrieb der Stadt, für dessen Finanzen Göllner verantwortlich ist. Einnahmen erzielt er vor allem mit dem Verkauf von Holz. Vom Gewinn erhält die Stadt 75 Prozent, mit dem Rest hat das Forstamt Rücklagen gebildet, auf die es während der letzten drei Dürrejahre zugreifen musste.
Zudem hat es die Jagdhoheit im Stadtforst. Es muss den Bestand an Rehen und Wildschweinen kontrollieren, die einen wegen der Schweinepest, die anderen, weil sie mit Vorliebe die Knospen der jungen Laubbäume fressen, die Göllner in seinem Wald fördern will. Die jungen Bäume einzäunen will er möglichst nicht, um dem Wild keine Flächen wegzunehmen, was weitgehend gelingt. Seine Philosophie fasst er so zusammen: „Ich möchte meinen Wald möglichst so bewirtschaften, dass er auf der gesamten Fläche alle seine Leistungen erfüllen kann.“