Marburger Bund

Ärztegewerkschaft fordert strukturelle Reform der Notfallversorgung

Carl-Friedrich Höck03. November 2017
Sprechstunde
Besser in die Sprechstunde gehen als in die Notaufnahme: Das jedenfalls wünschen sich die Klinikärzte von manch einem Patienten.
Der Ärzteverband Marburger Bund will die Notfallversorgung neu strukturieren. Damit sollen die Notaufnahmen entlastet werden. Reformen könnten in Modellregionen erprobt werden, schlägt die Fachgewerkschaft vor.

In vielen Krankenhäusern mehren sich die Klagen wegen überlasteter Notaufnahmen. Der Grund: Immer mehr Menschen suchen die Rettungsstelle auf, statt zum Hausarzt zu gehen, selbst wenn kein Notfall vorliegt. Manch einer kennt auch den kassenärztlichen Notdienst nicht, also die Ärzte, die außerhalb der regulären Öffnungszeit für dringende Fälle bereit stehen und auch Hausbesuche machen. Den Ärztinnen und Ärzten in der Notaufnahme geht so wertvolle Zeit verloren, in der sie sich eigentlich um die regulären Patienten im Krankenhaus kümmern sollten.

Zentrale Anlaufstellen gefordert

Der Marburger Bund will das ändern. „Zentrale Anlaufstellen und ein koordiniertes Vorgehen der Beteiligten können die Notaufnahme entlasten und eine medizinisch sinnvolle Inanspruchnahme der Notfallversorgung fördern“, heißt es in einem am Donnerstag vom Verband verbreiteten Papier, mit dem er seine Schwerpunkte für die neue Legislaturperiode benennt. „Hierzu bedarf es einheitlicher Standards für die Ersteinschätzung der Behandlungsdringlichkeit in allen Anlaufstellen der Notfallversorgung, sei es die Notdienstpraxis, die Zentrale Notaufnahme, der Rettungsdienst oder die Rettungsleitstelle.“ So könne die Zusammenarbeit der verschiedenen Versorgungsebenen verbessert werden.

Die Politik solle Hindernisse beseitigen, „die einer stärker sektorenübergreifenden Herangehensweise im Weg stehen“, so der Marburger Bund. Für die Kliniken und ihr Personal fordert die Gewerkschaft eine ausreichende Finanzierung. „Darüber hinaus sollten strukturelle Reformen der Notfallversorgung in Modellregionen erprobt und evaluiert werden.“ Gefördert werden könnten solche Projekte beispielsweise mit einem Innovationsfonds.

Bei ärztlicher Versorgung besser kooperieren

Eine integrierte Notfallversorgung könne man regional austesten, erläutert der Vorsitzende des Marburger Bundes Rudolf Henke auf Nachfrage. Etwa mittels einer Telefonnummer, „wo die Patienten anrufen können und überall die gleiche Auskunft erhalten“. Über diese Nummer könnten die Patienten auch zur jeweils passenden Anlaufstelle vermittelt werden.

Je nach Schätzung könnten 30, 40 oder sogar 70 Prozent der Menschen, die zur Notaufnahme kommen, „locker in der kassenärztlichen Versorgung versorgt werden“, so Henke. „Die sollen da eigentlich nicht hin.“ Als Reaktion darauf Notaufnahmestellen zu schließen sei aber nicht der richtige Weg, betont Henke. Ein Vorbild könnte etwa Berlin-Marzahn sein. Dort ist eine kassenärztliche Notdienstpraxis an das örtliche Unfallkrankenhaus angegliedert.

Dass die Notfallversorgung auf andere Beine gestellt werden müsse, dieser Meinung ist auch der Interessenverband der kommunalen Krankenhäuser. „Das muss systematisch besser geregelt werden”, sagt Geschäftsführer Uwe Alschner der DEMO. Zumal die Kliniken auch nicht kostendeckend für die zusätzlichen Leistungen entlohnt würden, die sie in den Notaufnahmen erbringen, obwohl sie es eigentlich gar nicht müssten. Viele Menschen suchten die Notaufnahme im Krankenhaus auf, weil sie sich eine bessere Leistung erhofften, oder weil die notärztliche Versorgung durch die Kassenärztliche Vereinigung nicht gewährleistet werden könne, so Alschner.

Hauptversammlung in Berlin

Der Marburger Bund hält am 3. und 4. November in Berlin seine Hauptversammlung ab. In der Fachgewerkschaft sind die angestellten und verbeamteten Ärzte organisiert. Die Reform der Notfallversorgung will der Marburger Bund zu einem der Schwerpunkte für die neue Legislaturperiode machen. Weitere Forderungen sind stärkere Investitionen in Krankenhäuser, Mindeststandards für die Personalausstattung in Krankenhäuser und der Ausbau und eine bessere Sicherung der IT-Infrastruktur. Außerdem fordert der Marburger Bund, das Tarifeinheitsgesetz aufzuheben sowie das Gesundheitswesen zu entbürokratisieren und spricht sich gegen eine Aufweichung von Arbeitszeitregelungen aus.

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