Wahl zum Abgeordnetenhaus in der Hauptstadt

AfD könnte künftig in Berlin Stadträte stellen

Carl-Friedrich Höck13. September 2016
Berlin Bezirke Übersicht
Übersicht über die Berliner Bezirke: In einigen könnte die AfD nach der Wahl Stadträte stellen.
Wie sollen die Parteien auf Bezirksebene damit umgehen, falls künftig die AfD-Stadträte stellt.

Viele AfD-Wähler wollten nur ihren Protest ausdrücken – so heißt es immer wieder, wenn Wahlforscher den Erfolg der rechtspopulistischen Partei analysieren. Doch Wählen ist eben mehr als nur ein symbolischer Akt. In Berlin könnte sich der eine oder andere „Protestwähler” nach der Wahl am 18. September verwundert die Augen reiben: Dort wird die AfD vielleicht bald mehrere Stadträte stellen.

Posten werden nach Proporz vergeben

Der Grund: Anders als auf Landesebene werden in den Bezirken die „Regierungen“ nicht durch Koalitionen gebildet: Die Bezirksämter werden nach Proporz besetzt. Das bedeutet: Kommt die AfD in einem Bezirk auf ein Ergebnis um die 15 Prozent, steht ihr ein Stadtrat zu – je nach der Stimmenverteilung im Bezirk können sogar schon zehn oder weniger Prozent genügen. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) müsste den Kandidaten für das Bezirksamt zwar noch bestätigen und könnte ihn auch ablehnen, das Vorschlagsrecht aber bleibt bei der AfD.

Jedes Bezirksamt setzt sich aus einem Bürgermeister bzw. einer Bürgermeisterin und vier Stadträten zusammen. Welche Verantwortung ein Stadtrat trägt, hat Neuköllns Ex-Bürgermeister Heinz Buschkowsky kürzlich so zusammengefasst: „Stadträte regieren zwar nicht die Welt, aber auf dicke Hose können sie trotzdem machen. Sie sind Herrscher von mindestens 200 Staatsdienern und 150 Millionen Euro Steuergeld. Damit kann man schon Unsinn machen.“ Gemessen an der Einwohnerzahl ist jeder Berliner Bezirk eine Großstadt mit rund 300.000 Einwohnern.

AfD-Hochburgen liegen am Stadtrand – im Osten wie im Westen

In vier von zwölf Berliner Bezirken kam die AfD schon bei der Europawahl 2014 auf mindestens zehn Prozent: Marzahn-Hellersdorf, Treptow-Köpenick, Reinickendorf und Spandau. Berlinweit lagen die Rechtspopulisten damals bei knapp acht Prozent.

Wie sollen die anderen Parteien mit einem AfD-Anspruch auf Stadtratsposten umgehen? „Wir werden uns bemühen, dass es ein Ressort ist, wo geringer Schaden vor dem Hintergrund der politischen Auffassung der Partei angerichtet werden kann“, verriet der SPD-Bürgermeister von Marzahn-Hellersdorf, Stefan Komoß, dem Deutschlandfunk. Den Rechtspopulisten könne etwa die Zuständigkeit für das Grünflächen- und Friedhofsamt überlassen werden.

Spandaus SPD-Bürgermeister: Es wird auf die Person ankommen

Aber können ein SPD-Bürgermeister und ein AfD-Mitglied im Bezirksamt überhaupt sachlich miteinander kooperieren? „Das wird sehr stark von der konkreten Person, deren Einstellung sowie konkreter Amtsführung und vielem mehr abhängen“, sagt Spandaus Bürgermeister Helmut Kleebank (SPD) gegenüber der DEMO. Er verweist darauf, dass die BVV nicht jeden Personalvorschlag der AfD akzeptieren müsste. Die Person „müsste sich in den Fraktionen vorstellen und zum Beispiel plausibel machen, welche Kompetenzen sie mitbringt – und dass sie sich von den teilweise menschenverachtenden Äußerungen anderer Mitglieder der AfD distanziert.“ Im Übrigen könne ein Stadtrat mit einer 2/3-Mehrheit in der BVV auch wieder abgewählt werden.

Zunächst aber können am 18. September die Wähler das entscheidende Wort sprechen. „Im Prinzip gilt: Je stärker die beiden großen Parteien werden, desto kleiner ist die Chance der AfD, einen Stadtrat zu stellen“, erklärt Kleebank das Proporz-Prinzip.

Wie die Berliner Bezirksämter besetzt werden

Aus dem Berliner Bezirksverwaltungsgesetz:

§ 35

Wahl und Abberufung der Bezirksamtsmitglieder

(1) Die Bezirksverordnetenversammlung wählt die Mitglieder des Bezirksamts für die Dauer der Wahlperiode (§ 5).

(2) Das Bezirksamt soll auf Grund der Wahlvorschläge der Fraktionen entsprechend ihrem nach dem Höchstzahlverfahren (d‘Hondt) berechneten Stärkeverhältnis in der Bezirksverordnetenversammlung gebildet werden. Bei der Wahl des Bezirksbürgermeisters gelten gemeinsame Wahlvorschläge von mehreren Fraktionen als Wahlvorschläge einer Fraktion; diese sind auf die Wahlvorschlagsrechte der an dem gemeinsamen Wahlvorschlag beteiligten Fraktionen anzurechnen. Bei Gleichheit der Höchstzahlen entscheidet das auf der Grundlage der erzielten Wählerstimmen nach dem Höchstzahlverfahren (d‘Hondt) berechnete Stärkeverhältnis. Ergeben sich danach erneut gleiche Höchstzahlen, so entscheidet das Los.

(3) Die Bezirksverordnetenversammlung kann mit einer Mehrheit von zwei Dritteln ihrer verfassungsmäßigen Mitgliederzahl ein Mitglied des Bezirksamts vor Beendigung seiner Amtszeit abberufen. Über die Abberufung ist nach zweimaliger Beratung abzustimmen. Die zweite Beratung darf frühestens zwei Wochen nach der ersten erfolgen.

Das Höchstzahlverfahren nach d´Hondt wird hier erklärt:

www.bundeswahlleiter.de

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