Landratswahl im Minden-Lübbecke

Ali Dogan: „Wir müssen Wahlkampf anders denken”

Carl-Friedrich Höck23. Januar 2023
Ali Dogan
SPD-Kandidat Ali Dogan will Landrat in Minden-Lübbecke (NRW) werden. Vor der Stichwahl am Sonntag spricht er über seinen ungewöhnlichen Wahlkampf, gelingende Integration und sein wichtigstes politisches Projekt.

DEMO: Sie wollen Landrat im Landkreis Minden-Lübbecke werden. Im ersten Wahlgang haben Sie mit 48 Prozent die meisten Stimmen geholt. Ihr CDU-Kontrahent Jörg-Michael Schrader bekam 42 Prozent und ein AfD-Kandidat 9 Prozent. Wie schätzen Sie Ihre Chancen in der zweiten Runde ein?

Ali Dogan: Als sehr gut. Leider ist es bei solitären Kommunalwahlen, wo nur ein Bürgermeister oder ein Landrat gewählt wird, schwierig, die Menschen zu mobilisieren. Mit 33,2 Prozent hatten wir zwar eine höhere Wahlbeteiligung als viele andere Kommunen, trotzdem ist sie erschreckend niedrig. Bei der Stichwahl wird sie noch niedriger sein. Wenn wir unsere Wählerinnen und Wähler aus dem ersten Wahlgang wieder aktivieren können, das sind rund 40.000 Stimmen, bin ich sehr zuversichtlich, dass wir die Wahl mit deutlichem Vorsprung gewinnen werden.

Sie setzen im Wahlkampf stark auf soziale Medien wie Facebook und Instagram. Was wollen Sie über diese Kanäle vermitteln?

Wir haben ein buntes Portfolio, neben Facebook und Instagram nutze ich auch LinkedIn und Twitter. Ich glaube, dass wir so in der heutigen Zeit insbesondere die junge Generation sehr viel besser erreichen können. Ich habe auch einen WhatsApp-Newsletter, mit dem ich jeden Morgen knapp 200 Menschen ein Video schicke. Damit schaffe ich eine Verbindung zu ihnen, und sie verbreiten das oft weiter und identifizieren sich mit der Kampagne. Ich glaube, dass die vergleichsweise hohe Wahlbeteiligung auch auf diese Medien zurückzuführen ist. Über manche Postings erreichen wir mehr als 10.000 Menschen. Wir müssen anders denken, was Wahlkampf angeht. Soziale Medien einzusetzen ist nichts grundsätzlich Neues, aber meine Kampagne ist vielleicht das erste Mal, dass das auf kommunaler Ebene so massiv genutzt wird.

Ihre Eltern sind in den 1970er Jahren nach Deutschland eingewandert. Sie waren früher Landesvorsitzender der SPD-Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt. Aktuell erleben wir viel Zuwanderung, vor allem aus der Ukraine. Was macht für Sie gelingende Integration aus?

Das bedeutet für mich, dass alle Menschen, die zu uns kommen, die gleichen Teilhabechancen haben, sich aber auch schnell mit der Gesellschaft identifizieren. Es darf keine Rolle spielen, wie man heißt, woher man kommt oder welchem sozialen Milieu man angehört. Wichtig ist auch eine Identifikation mit dem Grundgesetz. Wenn die ersten 19 Artikel von allen anerkannt und gelebt werden, ist Integration geglückt. Sie klappt in manchen Randbereichen wie dem Sport relativ schnell, aber bei der Bildung oder auf dem Arbeitsmarkt haben wir noch sehr viel nachzuholen. Der Integrationsforscher Klaus Jürgen Bade hat einmal gesagt: Integration ist keine Einbahnstraße. Vielfach wurde das fälschlicherweise darauf verkürzt, man müsse Menschen mit Migrationshintergrund fordern und fördern. Was er aber tatsächlich sagen wollte, war, dass auch die autochthone Mehrheitsgesellschaft sich in den inklusiven Bereich begeben und sich selbst integrieren muss. Das halte ich für den richtigen Ansatz.

Aktuell sind Sie Erster Beigeordneter der Stadt Sankt Augustin. In der Corona-Pandemie und Anfang 2022 nach dem Angriff auf die Ukraine haben Sie den Krisenstab der Stadt geleitet. Was haben Sie aus diesen Erfahrungen gelernt?

Kommunalpolitik und Verwaltungsarbeit kann man nur erfolgreich gestalten, wenn man sehr nah bei den Bürgerinnen und Bürgern ist, authentisch bleibt, immer ansprechbar ist – auch zu unchristlichen Zeiten – und relativ schnell und viel entscheiden kann. Ich bin jemand, der gerne Entscheidungen trifft. Von zehn Entscheidungen sind auch mal eine oder zwei falsch. Aber lieber entscheiden als nicht entscheiden! Das war in der Krise besonders wichtig. Geholfen hat auch, wenn man die Entscheidungen dann schnell und transparent kommuniziert.

Von 2012 bis 2015 waren Sie Generalsekretär der Alevitischen Gemeinde in Deutschland. Welche Rolle spielt Religion für Sie als Mensch und Politiker?

Wie gesagt, für mich ist der Hintergrund eines Menschen irrelevant, wenn er sich mit unserem Grundgesetz solidarisiert. Nichtsdestotrotz halte ich die gesamte religiöse Struktur in Deutschland für sehr wichtig. Und sie ist noch wichtiger geworden, seit wir ab 2014 viele geflüchtete Menschen aufgenommen haben. Die Kirchen, der Zentralrat der Juden und die migrantischen Religionsgemeinschaften haben einen enormen Beitrag geleistet, damit die Aufnahme und Integration der Menschen gelingen konnte und damit der Zusammenhalt der Gesellschaft weiter funktioniert hat. Auch die kirchennahen Wohlfahrtsverbände haben dazu einen massiven Beitrag geleistet. Diese gesamte Struktur kann uns sehr helfen, weil die Menschen, die dort organisiert sind, ein Fundament für das gesamte Ehrenamt in Deutschland darstellen. Die Verwaltung und der Staat allgemein profitieren davon, wenn sie eng mit solchen Institutionen zusammenarbeiten.

Falls Sie die Landratswahl gewinnen: Welches politische Projekt liegt Ihnen besonders am Herzen?

Hannelore Kraft hat das Mantra geprägt: kein Kind zurücklassen! Ich möchte das ausweiten und sagen: keinen Menschen zurücklassen in der Gesellschaft! Ich möchte die soziale Teilhabe von der frühkindlichen Bildung bis hin zur Senioren- und Pflegeplanung stärken. Das bedeutet: mehr Kitaplätze, besser ausgestattete Schulen, einen zugänglichen und durchlässigen Arbeitsmarkt, mehr Pflege- und Beratungsangebote usw. Insbesondere möchte ich die Prävention nach vorne tragen. Wir haben Silvester wieder gemerkt: Die Gesellschaft reagiert immer, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Wir müssen deutlich stärker präventiv agieren. Das wäre der Schwerpunkt meines gesamten Wirkens.

Wer Landrat in Minden-Lübbecke wird, entscheidet sich am 29. Januar 2023. In der Stichwahl tritt Ali Dogan (SPD, 48,5 Prozent im ersten Wahlgang) gegen Jörg-Michael Schrader (CDU, 42,3 Prozent) an.

In den Sozialen Medien findet man Ali Dogan u. a. auf Twitter, Instagram und Facebook.

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