Gespräch mit Saarbrückens Kämmerer Ralf Latz

„Die Altschulden sind unser größtes Problem“

Karin Billanitsch10. Mai 2016
Ralf Latz
Saarbrücken muss neue Schulden machen, um Zinsen der Altschulden zu begleichen. Um diese Negativspirale zu stoppen, schlägt Kämmerer Ralf Latz (SPD) einen Altschuldenfonds für hochverschuldete Kommunen vor.

Herr Latz, Saarbrücken gehört zu den Städten mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung im Land. Mehr als eine Milliarde Euro beträgt der Schuldenberg der Stadt – Tendenz steigend. Wie gehen Sie mit der schwierigen Situation der Verschuldung um, in der heute viele Städte feststecken?
Viele Belastungen aus der Vergangenheit und die Explosion der Sozialkosten in den vergangenen Jahren drücken die Kommunen an den Rand ihrer Handlungsfähigkeit. Von dieser bundesweiten negativen Entwicklung ist Saarbrücken leider nicht ausgenommen. Wir haben
schon erheblich gegengesteuert und in den vergangenen 15 Jahren Konsolidierungsmaßnahmen von rund 96 Millionen Euro strukturell umgesetzt. Diesen Weg gehen wir weiter: im aktuell beschlossenen Sanierungshaushalt werden für die Jahre 2015 bis 2019 weitere strukturelle Haushaltsverbesserungen von rund 19 Millionen Euro umgesetzt. Die Zinsen für die Altschulden sind erdrückend.

Sehen Sie überhaupt ­­ einen Ausweg aus dieser Lage?
Die Altschulden sind unser größtes Pro­blem! Im Jahr 2016 planen wir Zins­aufwendungen von 39 Millionen Euro bei einem Jahresdefizit von 29 Millionen Euro. Konkret heißt dies, dass wir ohne die Lasten aus Vorzeiten einen Überschussvon zehn Millionen Euro ausweisen könnten. Ein Thema wie aus einem Roman von Franz Kafka: Wir machen neue Schulden, um die Zinsen für die Altschulden zu finanzieren. Unser aktives Zins- und Liquiditätsmanagement hilft hier nur teilweise. Die einzige wirkliche Lösung besteht in der Entlastung der Kommunen von den Sozialleistungs­kosten und der Einrichtung eines Altschuldenfonds für die hoch­verschuldeten Kommunen. Hier ist der Bund gefordert.

Die Stadt hat sich einen Sparkurs auferlegt. Wo sind die Schwerpunkte?
Wir wollen an unserem harten Konsolidierungskurs festhalten, dürfen dabei aber unsere Stadt nicht kaputtsparen. Deshalb ist es unser Ziel, klug zu sparen und vor allem auch auf Dauer zu sichern, was Saarbrücken liebens- und lebenswert macht. Unser aktueller Sanierungshaushalt hat daher vier Schwerpunkte: Neben verschiedenen Maßnahmen zur Optimierung unserer Verwaltungsarbeit wird im Personalbereich jede vierte frei werdende Stelle nicht wieder besetzt. Weiterhin hat der Stadtrat die Gewerbesteuer um 40 Hebesatzpunkte erhöht. Unsere Eigenbetriebe und Gesellschaften sind gefordert, weitere Konsolidierungs-beiträge von cirka 2,5 Millionen Euro zu leisten. Maßnahmen zum Ausbau der Bildungs- und Betreuungsangebote sind von den Sparauflagen ebenso ausgenommen wie Mittel zur Wirtschafts-
förderung. Auf diesem Weg wollen wir die Stellung der Landeshauptstadt Saarbrücken als Oberzentrum im Südwesten auch weiterhin ausbauen. In den vergangenen Jahren hat das Land den Saar-Kommunen viel Geld entzogen.

Landesweit haben Bürgermeister gegen diese Politik protestiert. Mit welchen Erfolgen?
Das Land hat seinen Kommunen alleine in den letzten zehn Jahren über 600 Millionen Euro aus dem kommunalen ­Finanzausgleich entzogen. Nach zähen Verhandlungen ist es im vergangenen Jahr gelungen, zwischen dem Land und den kommunalen Spitzenverbänden einen Kommunalpakt zu schließen. Dieser läuft bis 2024 und umfasst neben Bundes- und Landeshilfen vor allem harte Einsparvorgaben für die Kommunen. Die Eingriffe der vergangenen Jahre in die kommunalen Kassen sind damit natürlich nicht ausgeglichen und die Unterstützung des Landes für seine Kommunen ist bei weitem nicht ausreichend. Aber es ist ein Anfang und darauf kann man aufbauen. Im Kommunalpaket noch unberücksichtigt sind die Kosten, die die kommunale Seite für die Unterbringung und Integration der Flüchtlinge aufbringen muss. Hier erwarten wir auch in Hinblick auf die klare Zuständigkeitsregelung eine vollständige Erstattung der Ausgaben durch Bund und Land.

Sehen Sie Einsparmöglichkeiten durch interkommunale Zusammenarbeit? Gibt es Beispiele?

Die Projekte der interkommunalen Zusammenarbeit sind wichtig, werden uns aber aus der strukturell prekären Finanzlage nicht herausführen. Wir sind ständig auf der Suche nach neuen intelligenten Möglichkeiten, mit unseren Nachbarkommunen zusammen zu arbeiten. So haben wir mit einer weiteren Stadt eine gemeinsame Gesellschaft zum Betrieb unserer Krematorien gegründet. Im Bereich der Vollstreckung und bei den Dienstleistungen unseres Steueramtes sehe ich weitere Chancen, hier muss die Landesregierung den rechtlichen Rahmen schaffen.

Stichwort Zuwanderung. Die Zuweisungen des Bundes reichen in der Realität nicht aus, um die Kosten zudecken, klagen viele Bürgermeister. Wie hat Saarbrücken 2015 finanziell die Situation der Zuwanderung von Flüchtlingen bewältigt?
Die Klagen der Bürgermeister sind berechtigt, die Bundesgelder reichen bei Weitem nicht aus. Es stehen 43 Millionen Euro Bundesmittel zur Verfügung. Dem gegenüber schlagen bei Land, Gemeindeverbänden und Kommunen Ausgaben von rund 200 Millionen Euro zu Buche. Wir haben voriges Jahr Mehrausgaben von 1,96 Millionen Euro geschultert. Dieser Betrag ist noch relativ gering, weil insbesondere der Personalmehrbedarf durch vorübergehende interne Umstrukturierungen aufgefangen werden konnte. Dies wird auf Dauer nicht durchzuhalten sein. Gleichzeitig werden erst ab 2016 die Integrationskosten massiv ansteigen. Aus diesen Gründen erwarten wir von Berlin eine ernsthafte und spürbare finanzielle Entlastung der kommunalen Seite.

Wie spiegelt sich die finanzielle Dimension der Zuwanderung im neuen Haushalt im Jahr 2016 und in den Folgejahren?
Für 2016 gehen wir derzeit von rund 5,8 Millionen Euro zusätzlicher Belastung aus. In den Folgejahren werden die größten Herausforderungen in den Bereichen der Kinderbetreuung, bei den Bildungseinrichtungen und bei der Integration in den Arbeitsmarkt liegen. Seriöse und belastbare Zahlen kann man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht nennen.

Lässt sich im derzeitigen Umfeld überhaupt ein Haushalt seriös und realistisch planen?
Das ist schwierig, aber wir müssen das Beste daraus machen. Insbesondere wissen wir nicht verlässlich, wie sich der Zuzug der Flüchtlinge weiter entwickeln wird und mit welchen finanziellenHilfen durch Bund und Land verlässlich geplant werden kann. Es ist weiterhin schon jetzt absehbar, dass Flüchtlinge, die in anderen saarländischen Gemeinden untergebracht sind, sich nach ihrer Anerkennung dauerhaft in Saarbrücken niederlassen. Dies ist sicherlich eine große und erfreuliche Entwicklungschance für unsere Stadt, wird aber zwangsläufig auch zu weiteren Folgekosten führen. Saarbrücken hat beschlossen, den Gewerbesteuer-Hebesatz auf 490 zu erhöhen.

Wie viel Mehreinnahmen erhoffen Sie sich dadurch? Befürchten Sie nicht, dass eine Erhöhung sich kontraproduktiv auswirkt, weil Unternehmen wegziehen oder sich gar nicht erst niederlassen?
Die Erhöhung der Gewerbesteuer bringt dem städtischen Haushalt eine Mehreinnahme von rund 10 Millionen Euro. Eine nennenswerte Abwanderung von Unternehmen befürchten wir nicht. Saarbrücken ist das wirtschaftliche Oberzentrum des Landes und der gesamten
Region mit einer guten wirtschaftlichen Infrastruktur.