Bildungsgipfel

Wie die Ampel-Koalition die Bildungsmisere beenden will

Carl-Friedrich Höck14. März 2023
Kreidetafel, alte Stühle und kaputter Boden: So wie hier sollen die Schulen nicht mehr aussehen.
Das deutsche Bildungssystem steckt in der Krise. Das liegt auch an den Tücken des Föderalismus. Bildungsministerin Stark-Watzinger will eine bessere und verbindliche Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen, erklärte sie beim Bildungsgipfel.

Ein ernüchterndes Bild zeichnete Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) am Dienstag. „Wir sehen es an vielen Studien, dass unsere Bildungslandschaft in der Krise steckt“, sagte sie. Jedes fünfte Kind verlasse die Grundschule, ohne die Mindeststandards im Lesen und Schreiben zu erreichen. Noch immer hänge der Bildungserfolg stark von der sozialen Herkunft ab. Dazu kämen der Lehrkräftemangel und der Investitionsrückstand bei den Schulgebäuden. Dieser summiert sich laut KfW-Kommunalpanel auf stattliche 45 Milliarden Euro.

Nun hat Stark-Watzinger Vertreter*innen des Bundes, der Länder und Kommunen, der Wissenschaft und Zivilgesellschaft nach Berlin zu einem Bildungsgipfel eingeladen. Er solle „als Auftakt für die Erneuerung des Aufstiegsversprechens und einer neuen Kultur der Zusammenarbeit gesehen werden“, heißt es auf der Website des Ministeriums.

Gemeinsame Verantwortung, geteilte Verantwortlichkeiten

Damit ist ein Kern des Problems benannt: Bei der Bildung ziehen Bund, Länder und Kommunen nicht immer an einem Strang. Ein Beispiel: Für den Schulbau sind die Schulträger verantwortlich, also zumeist die Kommunen. Für deren Finanzausstattung ist das jeweilige Bundesland zuständig. Formal ist es also gar nicht die Aufgabe des Bundes, etwas gegen den milliardenschweren Investitionsstau zu unternehmen. Dennoch muss er darauf achten, dass die Lebensbedingungen in Deutschland nicht zu weit auseinanderklaffen.

Der Bund wiederum versucht mit Förderprogrammen, die Bildungsbedingungen an den Schulen zu verbessern. Hier reden über den Bundesrat auch die Länder mit und achten darauf, dass das jeweils eigene Bundesland bei der Verteilung der Mittel nicht zu kurz kommt. Die Folge ist oft, dass Gelder – entgegen dem Rat der Expert*innen – nicht zielgerichtet dorthin fließen, wo der größte Bedarf besteht. Stattdessen werden sie mit der sprichwörtlichen Gießkanne verteilt.

Das Gießkannen-Prinzip könne nicht mehr funktionieren, stellte Stark-Watzinger nun klar. Der Bund könne Milliardenprogramme auflegen, die müssten dann aber auch etwas bewirken. Deshalb sollen sich Bund, Länder und Kommunen nun – auf Grundlage wissenschaftlicher Expertise – klare und verbindliche Ziele setzen.

Gipfel bleibt hinter Erwartungen zurück

Ursprünglich sollte der Bildungsgipfel genau das leisten. So jedenfalls stand es jedenfalls im Koalitionsvertrag der Ampel, die eine „neue Kultur in der Bildungszusammenarbeit“ anstrebt. Doch nun hagelt es Kritik, das Treffen sei von der Bildungsministerin schlecht vorbereitet worden.

14 von 16 Bildungsminister*innen haben ihre Teilnahme am Bildungsgipfel abgesagt. Stark-Watzinger nahm es demonstrativ gelassen: Das liege auch am Setting mit verschiedenen Paneldiskussionen, da könne man nicht erwarten, dass alle kommen. Außerdem wäre es ein „gutes Signal, wenn wir nicht über Befindlichkeiten zwischen uns sprechen würden”. Anwesend war immerhin die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz (KMK) Astrid-Sabine Busse (SPD). Sie verwies darauf, dass sich die KMK in dieser Woche ohnehin noch treffen werde: „Am Donnerstag sind alle da.“

Gemeinsame Arbeitsgruppe geplant

Der Bildungsgipfel sei lediglich als Auftakt gedacht, um wichtige Themen zu benennen, erklärte Stark-Watzinger. Im nächsten Schritt soll eine gemeinsame Taskforce nach Wegen suchen, wie die gemeinsamen Ziele am besten umgesetzt werden können. Anders als zum Beispiel in der Kultusministerkonferenz sollen dabei explizit auch die Kommunen mit am Tisch sitzen.

Inhaltlich dürfte es zunächst um diese Themen gehen:

Digitalisierung. Der Bund unterstützt die Länder und Kommunen mit dem „Digitalpakt Schule“ bei ihren Investitionen in die digitale Infrastruktur, also zum Beispiel Glasfaseranschlüsse, Whiteboards und Tablets. Insgesamt 6,5 Milliarden lässt sich das der Bund kosten. Doch noch ist fraglich, wie es mit dem Programm weitergeht. Klar ist: Mit einer Einmalhilfe ist es nicht getan. Wenn die Technik angeschafft ist, muss sie auch gewartet und nach einigen Jahren wieder ausgetauscht werden. Klärungsbedarf sieht Bildungsministerin Stark-Watzinger zudem beim Thema Datenschutz, damit Software-Programme bundesweit eingesetzt werden können. Dasselbe Datenschutzgesetz werde in 16 Bundesländern unterschiedlich ausgelegt, monierte sie. „Das wäre schon mal ein Arbeitsauftrag: Wie kommen wir da raus?”

Startchancenprogramm. Mit einer jährlichen „Bildungsmilliarde“ will die Ampel-Koalition ab 2024 insgesamt 4.000 Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schüler*innen fördern. Die SPD setzt sich schon jetzt dafür ein, die Summe zu verdoppeln und den Start des Programms auf dieses Jahr vorzuziehen.

Ganztagsschulausbau. Ab 2026 wird schrittweise ein Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung in der Grundschule eingeführt. Nicht in allen Bundesländern fühlen sich die Kommunen dieser Aufgabe gewachsen. Und auch hier geht es wieder um die Frage: Wer ist eigentlich für was verantwortlich? Oder, wie es der Präsident des Städte- und Gemeindebundes (DStGB) Ralph Spiegler beim Bildungsgipfel formulierte: Ist das Thema jugend- oder schulrechtlich zu betrachten? Bisher sind die Länder für die Schulen in der Pflicht, während viele Kommunen Kinderhorte betreiben.

Fachkräftemangel. Die Ampel-Koalition hat im Koalitionsvertrag verabredet, gemeinsam mit Ländern und Kommunen einen Pakt für berufsbildende Schulen aufzulegen. Fachkräfte fehlen aber auch an den Schulen selbst. Bund und Länder müssen sich verständigen, was sie gegen den zunehmenden Mangel an Lehrer*innen unternehmen wollen.

SPD will Sondervermögen für Bildung

Zu sprechen wäre noch über vieles weitere. SPD-Chefin Saskia Esken brachte im Vorfeld des Bildungsgipfels ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bildung ins Gespräch. Das sei nicht zu hoch gegriffen, schließlich belaufe sich allein der Sanierungsstau bei den Schulen auf die Hälfte dieser Summe.

Eine „Investitionsoffensive in unsere Schulen“ fordert auch DStGB-Präsident Spiegler. Die Politik habe kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Nun hofft er auf einen „kooperativen Bildungsföderalismus“ und eine abgestimmte Bildungsstrategie von Bund, Ländern und Kommunen.

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