Transformation

Annekathrin Hoppe: Wie Schwedts Bürgermeisterin um ihre Stadt kämpft

Kai Doering30. Juni 2022
Bürgermeisterin Annekathrin Hoppe / Stadt Schwedt
Als der Krieg in der Ukraine begann, war Annekathrin Hoppe erst wenige Monate als Bürgermeisterin von Schwedt/Oder im Amt. Nun kämpft sie um die Arbeitsplätze in ihrer Stadt, die wie keine zweite vom russischen Öl abhängig ist.

Die letzten Meter muss die Bürgermeisterin joggen. Aus einigen hundert Kinderkehlen schallt ihr bereits laut „Frau Hoppe“ entgegen. Dann hat Annekathrin Hoppe den Sportplatz erreicht und greift zum. Mikrofon. „Ich habe euch schon aus meinem Büro beobachtet“, sagt sie zu den Mädchen und Jungen in gelben, grünen und orangefarbenen T-Shirts. Es ist ein warmer Frühsommermorgen Anfang Juni. In Schwedt/Oder findet an diesem Tag die „Kita-Olympiade“ statt. Kinder aus neun Kindergärten der 34.000-Einwohner-Stadt treten im Einbein-Sprung oder Schlängellauf gegeneinander an. „Ihr wisst: Jeder, der heute teilnimmt, gewinnt“, sagt Annekathrin Hoppe.

Während die Kinder zu den verschiedenen Stationen strömen, geht die Bürgermeisterin umher, feuert an und fragt nach. „In welche Kita gehst du?“, will sie von einem Jungen wissen. Als der auf ein Gebäude am Rand des Sportplatzes zeigt, sagt Hoppe: „Dann sind wir ja Nachbarn.“ Das Rathaus ist nur einige Hundert Meter entfernt. Auf dem Rückweg in ihr Büro holt sie wieder das Thema ein, das jeden in der Stadt seit einigen Wochen beschäftigt und Schwedt bundesweit bekannt gemacht hat: die Konsequenzen des Öl-Embargos gegen Russland für die PCK Raffinerie.

Über die „Druschba“-Pipeline kommen hier jedes Jahr fast 12 Millionen Tonnen Rohöl aus Sibirien an. Die Raffinerie verarbeitet sie weiter zu Benzin, Heizöl oder Bitumen für den Straßenbau. Wegen Russlands Krieg gegen die Ukraine soll die Pipeline Endes des Jahres geschlossen werden. Ein Schock für Schwedt und seine Bürgermeisterin.

„Schwedt ist PCK und PCK ist Schwedt.“

„Ich schlafe abends mit dem Thema im Kopf ein und wache morgens damit auf“, sagt Annekathrin Hoppe als sie wieder in ihrem Büro sitzt. 1.200 Arbeitsplätze in der Region hingen direkt und mindestens dieselbe Anzahl noch einmal indirekt von der Raffinerie ab. „Schwedt ist PCK und PCK ist Schwedt“, sagt Hoppe. Hinzu kommt, dass hier 95 Prozent der Kraftstoffe für Berlin und Brandenburg produziert würden. Kein Wunder also, dass sich in Schwedt gerade Bundes- und Landespolitiker und -politikerinnen die Klinke in die Hand geben. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck war hier, Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke ebenso. Eine Bund-Länder-Projektgruppe soll nun eine Lösung erarbeiten.

Annekathrin Hoppe hat inzwischen ihre eigenen Konsequenzen gezogen – und ist in die SPD eingetreten. „Jetzt kommt es darauf an, um die Arbeitsplätze zu kämpfen. Dafür ist die SPD genau die richtige Partei“, sagt sie. „Meine Mitgliedschaft ist auch ein Bekenntnis für meine Stadt.“ Den Zielen der SPD habe sie sich schon vorher sehr verbunden gefühlt. Nicht umsonst unterstützte die SPD Hoppes Kandidatur als Bürgermeisterin und ihren Wahlkampf im vergangenen Jahr maßgeblich.

„Anne ist von ganzem Herzen SPD“, sagt auch Mike Bischoff. Der Schwedter Landtagsabgeordnete managte Hoppes Wahlkampf – und nahm beim Fest zum 1. Mai ihren Mitgliedsantrag entgegen. „Anne gewinnt die Herzen der Menschen“, schwärmt Bischoff und zieht sogar den Vergleich zu Matthias Platzeck, dem langjährigen Ministerpräsidenten Brandenburgs.

Die erste Frau an der Stadtspitze

Bei der Bürgermeisterwahl im vergangenen September erhielt Anne-kathrin Hoppe auf Anhieb 60,8 Prozent der Stimmen, und das bei fünf Kandidierenden. Besonders von jungen Menschen habe sie im Wahlkampf viel Zuspruch bekommen, erzählt Hoppe in ihrem Büro. Dort stehen an diesem Juni-Tag noch immer die Blumen von ihrem Geburtstag. Ende Mai ist sie 60 geworden. „Ich habe lange mit mir gekämpft, ob ich kandidieren soll“, sagt Hoppe. Sie wäre auch gern stellvertretende Bürgermeisterin geblieben, doch da ihr Vorgänger aus Altersgründen nicht noch einmal kandidieren durfte, habe sie den Sprung gewagt. Damit wird in Schwedt nicht nur die mittlerweile 32-jährige Tradition eines SPD-Bürgermeisters fortgesetzt. Erstmals in der Geschichte steht nun auch eine Frau an der Stadtspitze.

Dass sie es dabei gleich mit der großen Weltpolitik zu tun bekommen würde, hätte Annekathrin Hoppe natürlich nicht gedacht. Doch bei allen Sorgen, die sich die Bürgermeisterin um ihre Stadt macht, sieht sie die Krise auch als -Chance. „Wir dürfen nicht im Öl verharren“, sagt sie. Der Wandel hin zu neuen Technologien wäre ohnehin gekommen, nun vermutlich eben etwas eher. In Schwedt soll ein „Innovationscampus“ entstehen. Die Planungen liefen bereits vor dem Kriegsbeginn in der Ukraine. „Im Moment sind viele Türen offen“, sagt Bürgermeisterin Hoppe. „Schwedt muss sich jetzt noch mal häuten.“

 

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