Pflegereform

Bärbel Bas: Höchste Zeit, dass Pflege nach Tarif bezahlt wird

Kai Doering03. Juni 2021
Die Tarifbindung für Pflegelöhne ist vom Kabinett beschlossen worden.
Unsere Hartnäckigkeit hat sich gelohnt, die Tarifbindung für Pflegelöhne ist durch‘s Kabinett gegangen, sagt die Vize-Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Bärbel Bas. Die Vereinbarung zur Pflegereform begrüßten Kommunale grundsätzlich, brachten aber auch Kritik an.

Endlich kommen bessere Löhne in der Pflege. Wie zufrieden sind Sie mit dem erzielten Kompromiss für die Beschäftigten?

Es wird höchste Zeit, dass Pflege flächendeckend nach Tarif bezahlt wird. Es war - das zeigt sich heute - richtig, dass Olaf Scholz und Hubertus Heil nach dem Scheitern eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrages mit dem Pflege-Tariftreue-Gesetz Druck auf Jens Spahn gemacht haben. Dadurch haben wir jetzt einen Erfolg für die Beschäftigten in der Pflege erreicht. Unsere Hartnäckigkeit hat sich gelohnt, die Tarifbindung für Pflegelöhne ist heute durch das Kabinett gegangen.

Warum war für die SPD die Refinanzierung der Tariflöhne über die Pflegekasse und den Bundeshaushalt so wichtig?

Die Leistungen der Pflegeversicherung sind gedeckelt. Das bedeutet, dass ohne die Refinanzierung über die Pflegekassen und den Bund höhere Personalkosten auch höhere Eigenanteile bedeuten würden. Schon jetzt überfordern aber die Eigenanteile viele Pflegebedürftige und deren Familien. Deswegen haben wir von Anfang an gesagt, dass die höheren Personalkosten nicht zu steigenden Eigenanteilen führen dürfen. Ab 2022 stellen wir deshalb einen Bundeszuschuss zur Pflegeversicherung von jährlich einer Milliarde Euro zur Verfügung. Mit der Zusage dazu hat Olaf Scholz die Einigung erst möglich gemacht.

Kinderlose zahlen künftig mehr. Wie steht die SPD dazu?

Dass Kinderlose schon jetzt einen höheren Beitrag zur Pflegeversicherung bezahlen, war ein klarer Auftrag des Bundesverfassungsgerichts an die Politik. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Urteil aus dem Jahr 2001 die besondere Bedeutung von Familien mit Kindern für die Funktionsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme hervorgehoben und gefordert, dies im Finanzierungssystem der Pflegeversicherung zu berücksichtigen. Es hat eine relative Entlastung derjenigen gefordert, die Kinder erziehen oder erzogen haben gegenüber Kinderlosen, da diese mit der Erziehung einen wichtigen Beitrag für die Stabilität der Sozialsysteme leisten.

Spahn hat in den Verhandlungen vorgeschlagen, diesen Beitrag für Kinderlose zu erhöhen. Wir haben letztendlich zugestimmt, weil wir auf der anderen Seite bessere Arbeitsbedingungen und Verbesserungen bei den Eigenanteilen erreicht haben.

Sozialverbände und Gewerkschaften befürchten, dass am Ende die Pflegebedürftigen die Zeche zahlen müssen. Ist diese Kritik berechtigt?

Die heutige Vereinbarung kann nur ein erster Schritt sein. Notwendig ist weiterhin eine umfassende Pflegereform, in der wir die Finanzierung der Pflegeversicherung z. B. über eine Pflegebürgerversicherung auf solidarischere Beine stellen würden. Und auch bei den Eigenanteilen hätten wir uns eine weitergehende Regelung gewünscht. Eine solche Reform ist mit der Union nicht zu machen.

Was bedeutet das für die Zukunft?

Unser Ziel ist es, die Pflegeversicherung zu einer Pflegevollkostenversicherung weiterzuentwickeln. Dazu sollten die Eigenanteile gedeckelt und dann Schritt für Schritt zurückgefahren werden. Dafür braucht es aber andere Mehrheiten im Bundestag. Dafür treten wir im September an.

Das Interview ist zuerst auf vorwaerts.de erschienen.

Reaktionen der Kommunalen auf die Pflegereform

Der Deutsche Landkreistag teilte mit, die vom Bundeskabinett heute beschlossene Pflegereform gehe einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung, bleibt aber hinter den kommunalen Erwartungen zurück. „Die angemessene Bezahlung von Pflegekräften ist ebenso richtig wie die Entlastung der Pflegedürftigen“, so Landrat Reinhard Sager. Pflegebedürftige Menschen bei den pflegebedingten Aufwendungen zu entlasten, war eine Forderung des DLT. – aber er hält den beschlossenen prozentualen Leistungszuschlag, den die Pflegekassen – gestaffelt nach der Dauer des Heimaufenthalts – tragen, für zu niedrig. In den ersten zwölf Monaten sei gar kein solcher Zuschlag vorgesehen. „Damit werden bis zu 40 % der Heimbewohner nicht entlastet. Das ist eine offene Flanke des Beschlusses“, hieß es. Außerdem dürften höhere Löhne und ein besserer Personalschlüssel in Pflegeheimen nicht zulasten der Pflegebedürftigen gehen, sondern müßten Sie müssen vollständig von der Pflegeversicherung getragen werden“, forderte Sager.

Der Deutsche Städtetag begrüßte ausdrücklich höhere Löhne in der Pflege. Jedoch forderte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, die große Koalition auf, bei der geplanten Pflegereform die Heimbewohner und -bewohnerinnen stärker zu entlasten als bisher vorgesehen. „Die aktuellen Pläne der Bundesregierung, die höheren Lohnkosten für die Pflegebedürftigen durch Zuschüsse abzufedern, reichen nicht aus", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Konkret forderte der Städtetag, dass die Bewohnerinnen und Bewohner im Heim künftig nur einen festen Sockelbetrag als Anteil an den Pflegekosten selbst zahlen – alles darüber hinaus die Pflegeversicherung. (KB)

 

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