Interview mit der Bundesumweltministerin

Barbara Hendricks: „Fluss, Ufer und Aue wieder zusammenbringen“

Karin Billanitsch11. Juli 2016
Barbara Hendricks
Barbara Hendricks ist Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit.
Umweltministerin Barbara Hendricks möchte mit dem Programm „Blaues Band Deutschland“ landesweit Renaturierungsprojekte anstoßen. Mit der DEMO spricht sie über ­Hochwasserschutz, die Folgen des Klimawandels und das neue Fracking-Gesetz.

Frau Ministerin, Sie selbst stammen vom Niederrhein, sind also nahe am Wasser aufgewachsen. Viele Menschen empfinden das als Lebens­qualität. Etliche Binnengewässer sind heute sauberer als noch vor Jahren, die Flusslandschaften werden aufgewertet. Ein gutes Beispiel ist der Umbau der Emscher. Die neue Gewässerschutzverordnung, die das Bundeskabinett auf Ihren Vorschlag hin beschlossen hat, will den guten Gewässerzustand ­sichern. Welche sind hier die wichtigsten Punkte?

Barbara Hendricks: Für neue Stoffe, die erst seit kurzer Zeit in Gewässern gefunden wurden, sind jetzt standardisierte Messverfahren in die Verordnung aufgenommen worden. Es wurden zudem Umweltqualitätsnormen für 21 Stoffe neu festgelegt. Dabei handelt es sich vor allem um Pflanzenschutzmittel, Biozide und Industriechemikalien. Die neue Oberflächengewässerverordnung hilft so den Behörden effektiv bei der Risiko­bewertung. Außerdem wurden ­Kriterien aktualisiert und ergänzt, mit denen Gewässer bewertet, eingestuft und überwacht sowie europaweit angeglichene Anforderungen in deutsches Recht überführt werden. Mit der neuen Verordnung haben die Behörden vor Ort mehr Entscheidungssicherheit und können noch besser als bisher den Zustand der Gewässer überwachen und erhalten. Das ist gut für die Natur und gut für uns alle, denn Gewässer prägen Regionen und die dort lebenden Menschen. Für mich sind der Emscherumbau und das neue renaturierte Emschertal dafür gute Beispiele.

Das Bundesumweltministerium (BUMB) hat das Programm „Blaues Band“ ins Leben gerufen. Es geht, knapp gesagt um Renaturierungsmaßnahmen an Bundeswasserstraßen. Ist schon bekannt, welche Flüsse das betrifft? Wie ist der Umfang der Förderung und wie sollen die Anliegerkommunen eingebunden werden? 

Mit dem Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“, das wir im Herbst gemeinsam mit dem Bundesverkehrsministerium ins Kabinett einbringen wollen, haben wir Renaturierungsprojekte für alle Bundeswasserstraßen im Blick. Für die Flüsse im Nebennetz werden wir Entwicklungskonzepte mit den Anliegerkommunen erarbeiten.

Die Renaturierung der Bundeswasserstraßen soll grundsätzlich aus dem Etat des Bundesverkehrsministeriums finanziert werden. Da wir aber auch Fluss, Ufer und Aue wieder zusammenbringen wollen, planen wir dazu ein ergänzendes Förderprogramm des BUMB.

Wasser- und Abwasserwirtschaft sind eine wichtige Aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge. Doch es gibt Investitionsstau, etwa bei der Leitungs-Infrastruktur. Auch in neue Technik muss künftig weiter investiert werden, um sie auf dem technisch neuesten Stand zu halten.

Gibt es Förderprogramme des Bundes, um die nötigen Investitionen zu ­unterstützen?

Die alten Förderprogramme des Bundes, aus den Jahren nach der Wiedervereinigung, wo es in den neuen Bundesländern einen großen Sanierungsrückstand gab, sind mittlerweile ausgelaufen. Die Bundesländer unterstützen aber nach wie vor kommunale Investitionen in die Wasser- und Abwasserinfrastruktur aus Mitteln der Wasserentnahmeentgelte und der Abwasserabgabe. Jährlich müssen etwa fünf bis sechs Milliarden Euro in die Wasserwirtschaft investiert werden. Hier gilt das Kostendeckungsprinzip. Für die Benutzung einer öffentlichen Leistung werden entsprechende Gebühren erhoben, die zur Deckung der laufenden Kosten sowie der Finanzierung notwendiger Investitionen und der Instandhaltung dienen.

Rekommunalisierung ist ein Thema im Bereich Wasser- und Abwasserwirtschaft. Können internationale Abkommen wie CETA oder TTIP diese Möglichkeiten gefährden?

Nein, das sehe ich nicht so. Die Entscheidungsfreiheit der Kommunen über die Organisation der Daseinsvorsorge bleibt erhalten. Die Bundesregierung achtet ­darauf, dass die besondere Rolle der ­Daseinsvorsorge bei TTIP entsprechend berücksichtigt wird. Die Europäische Union hat bei den Verhandlungen insbesondere für öffentliche Monopole und Daseinsvorsorge wie etwa die Wasserversorgung, die Abfall- und Abwasserentsorgung oder den öffentlichen Nahverkehr, aber auch in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Sozialdienstleistungen und Kultur bereits unsere großen Vorbehalte eingebracht. Es wird in den Vereinbarungen auch keine Verpflichtung zur Privatisierung geben. Rekommunalisierungen werden auch weiter möglich bleiben.

Hierzulande gibt es mittlerweile vermehrt Starkregen, der mit Trockenperioden abwechselt. Hochwasser­ereignisse häufen sich, wie in den vergangenen Wochen. Oft sind die Gemeinden nicht in der Lage, die Folgen ohne Hilfe von außen zu bewältigen. Gibt es Hilfen oder Rat für Kommunen für vorbeugende bauliche Maßnahmen zum Schutz vor den Folgen von extremem Wetter?

Barbara Hendricks
Hitze wird gemildert, Regenwasser versickert besser: Hendricks kümmert sich um mehr Grün in der Stadt

Starkregen-Ereignisse werden in Zukunft häufiger auftreten. Der Klimawandel ist mit seinen negativen Folgen in Deutschland angekommen. Da, wo wir den ­Klimawandel nicht mehr aufhalten können, müssen wir lernen, mit seinen Folgen umzugehen. Ende letzten Jahres haben wir den ersten Fortschrittsbericht zur Deutschen Anpassungsstrategie mit 146 Maßnahmen vorgelegt, um Deutschland auf den Klimawandel vorzubereiten. Wir haben ein eigenes Förderprogramm „Maßnahmen zur Anpassung an den ­Klimawandel“ aufgelegt. Damit unterstützen wir kommunale Leuchtturm­vorhaben und regionale Zusammenschlüsse beim Aufbau von Kooperationen, der Erstellung von Konzepten und deren ­pilothafte Umsetzung zur Anpassung an den ­Klimawandel. Aktuell werden zum Beispiel  Maßnahmen von der Einrichtung eines Hitzetelefons über Warnsysteme für Starkregen, Tourismuskonzepte im Zeichen des Klimawandels bis hin zu ­Empfehlungen für Maßnahmen zum Wald- und Stadtumbau gefördert.

Ein Wort zum Thema Fracking: Am vergangenen Freitag hat der Deutsche Bundestag nach über einem Jahr Stillstand das Fracking-Gesetz verabschiedet. Ist damit die Gefahr für das Trinkwasser gebannt?

Das Gesetz beinhaltet ein unbefristetes Verbot des sogenannten unkonventionellen Frackings. Ich freue mich, dass die jetzt gefundene Lösung den Umwelt- und Gesundheitsschutz deutlich berücksichtigt. Es sollen nur insgesamt vier Erprobungsmaßnahmen im ­Schiefer-, Ton- oder Mergelgestein oder Kohleflözgestein zulässig sein, mit denen die Auswirkungen des Frackings auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich erforscht werden.

Für einige Regionen sieht das geplante Gesetz vollständige Verbote für konventionelles und für unkonventionelles Fracking vor: Hierzu zählen Wasserschutz- und ­Heilquellenschutzgebiete, Einzugsgebiete von Talsperren und ­natürlichen Seen, die der Entnahme von Rohwasser für die öffentliche ­Wasserversorgung und zur Herstellung von Lebensmitteln dienen sowie Einzugsgebiete von Wasserentnahmestellen für die öffentliche Wasser­versorgung. Auch in Naturschutzgebieten und Nationalparks wird Fracking verboten sein.

Zur Person: Barbara Hendricks

Barbara Hendricks, 1952 in Kleve geborgen, bezeichnet sich als „Niederrheinerin von ganzem Herzen“. Als Zwanzigjährige tritt sie 1972 in die SPD ein.

Ein Studium der Geschichte und Sozialwissenschaften sowie die Promotion folgen, 1978 bis 1981 lernt sie als Referentin in der Pressestelle der SPD-Bundestagsfraktion die politische Hauptstadt kennen.

Danach wird sie bis zum Jahr 1990 Sprecherin des nordrhein-westfälischen Finanzministers und wechselt 1991 ins Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes NRW. 1994 erringt sie ein Bundestagsmandat, 1998 bis 2007 arbeitet sie als Parlamentarische Staatssekretärin im Finanzministerium, im Anschluss daran übernimmt sie das Amt der Bundesschatz­meisterin der SPD.

Ihrer Heimat Kleve bleibt sie als Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Kreis Kleve von 1989 bis zum Jahr 2014 treu. Seit Dezember 2013 ist Hendricks Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit.