Neuer Referentenentwurf

Baulandgesetz: Seehofer brüskiert Mieterbund und SPD

Carl-Friedrich Höck05. Oktober 2020
Im neuen Gesetzentwurf von Bundesinnenminister Horst Seehofer fehlen Baugebot und Umwandlungsverbot – die SPD ist sauer.
Ein neues Gesetz soll Kommunen helfen, Bauland für Wohnungen zu mobilisieren. Im Entwurf aus dem Innenministerium fehlen überraschend zwei zentrale Punkte, die eigentlich mit der SPD vereinbart waren. Der Koalitionspartner reagiert empört, der Deutsche Mieterbund ebenfalls.

„Bauen, bauen, bauen!“ – dieser Slogan ist aus den Koalitionsparteien im Bund immer wieder zu hören. Schließlich sind Wohnungen in manchen Teilen Deutschlands knapp und entsprechend teuer. Doch viel zu oft wird eben nicht gebaut. Nicht immer liegt es daran, dass die Kommunen vor Ort zu wenig Bauland bereitstellen. Das zeigt der sogenannte Bauüberhang, also die Zahl der neuen Wohnungen, die genehmigt, aber noch nicht fertiggestellt sind. Aktuell liegt der Überhang bei etwa 740.000 Wohnungen – ein rekordverdächtiger Wert.

Dafür gibt es verschiedene Gründe. Zum Beispiel wurden in den vergangenen Jahren zunehmend Baugenehmigungen ausgesprochen. Damit steigt auch erst einmal der Überhang, bis die geplanten Wohnungen tatsächlich stehen. Doch es gibt auch Investoren, die baureife Grundstücke bewusst brach liegen lassen, weil sie diese verkaufen wollen und auf steigende Preise spekulieren.

Baugebot und Umwandlungsverbot wurde gestrichen

Mit dem geplanten Baulandmobilisierungsgesetz wollte die große Koalition dieses Problem eigentlich anpacken. Es soll die Rahmenbedingungen für den Bau von Wohnungen verbessern und die Handlungsmöglichkeiten der Gemeinden stärken. Doch was der fürs Bauen zuständige Innenminister Horst Seehofer (CSU) vergangene Woche als Referentenentwurf in die Ressortabstimmung gegeben hat, hat wenig mit dem zu tun, was vorher besprochen worden war. So sieht es zumindest der Koalitionspartner SPD. Denn es fehlen zwei wichtige Punkte, die in einem ersten Gesetzentwurf noch enthalten waren, den das Ministerium im Juni zur Diskussion gestellt hatte.

Der erste Punkt: Den Gemeinden sollte es ursprünglich in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt erleichtert werden, das Baugebot anzuwenden, also den Bau von bereits genehmigten Wohnungen zu erzwingen. Der zweite Punkt: Kommunen sollten – ebenfalls in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt – verhindern können, dass Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Denn das führt in der Praxis oft zur Verdrängung der Altmieter*innen.

SPD: „Seehofer ist eingeknickt”

Die SPD-Bundestagsabgeordneten Bernhard Daldrup und Claudia Tausend bezeichnen es in einem Statement als „inakzeptabel, dass Horst Seehofer in dem neu vorgelegten Entwurf zur Baugesetzbuchnovelle zwei zentrale SPD-Vorhaben – Baugebote und Umwandlungsverbote – entgegen mehrfacher Vereinbarungen entfernt hat.“ Er sei vor seiner eigenen Fraktion und dem Druck der Immobilienlobby eingeknickt. „Auch bei der enthaltenen Regelung zur Erleichterung der Anwendung von Baugeboten wird unser Koalitionspartner wortbrüchig“, kritisieren Daldrup und Tausend. Horst Seehofer habe in der Novelle genau die Regelungen gegen Spekulation im Wohnungsbau gestrichen. „Das ist das Gegenteil der sozialen Versprechungen des CSU-Parteivorsitzenden, Markus Söder.“

Offen gegen das Umwandlungsverbot lobbyiert hatte der CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak. „Denn ein Umwandlungsverbot verhindert das Entstehen neuer Eigentumswohnungen“, schreibt er in einem aktuellen Tagesspiegel-Gastbeitrag. Weil die Mieter*innen ein Vorkaufsrecht für ihre Wohnungen hätten, sei die Umwandlung für sie „eine günstige Chance zur Bildung von Wohneigentum“.

Mieter*innen können sich Kauf oft nicht leisten

Dieser Argumentation widerspricht der Deutsche Mieterbund entschieden. In einer Pressemitteilung verweist der Verband auf aktuelle Zahlen aus Berliner Milieuschutzgebieten. Dort hätten zwischen 2015 und 2019 nur 54 Mieter*innen von ihrem gesetzlichen Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht – bei rund 18.000 umgewandelten Wohnungen. Die Verkaufspreise der umgewandelten Wohnungen seien für die Mieter*innen nicht finanzierbar, schlussfolgert der Verband. Selbst für einem Kredit könnten sie das nötige Eigenkapital oft nicht aufbringen. Nur rund zehn Prozent der Mieter*innen hätten Ersparnisse von mindestens 50.000 Euro.

Als in der vergangenen Woche der neue Referentenentwurf aus Seehofers Ministerium bekannt wurde, fand Mieterbund-Präsident Lukas Siebenkotten scharfe Worte. „Ein unglaublicher Rückschlag für Mieterinnen und Mieter“, kommentierte er die Nachricht, dass der Genehmigungsvorbehalt für die Umwandlung in Eigentumswohnungen plötzlich fehlte. „Es ist vollkommen unverständlich, dass das Bundesinnenministerium unter dem Druck der Immobilienlobby selbst dieses zarte Pflänzchen zertreten hat, nachdem immerhin im eigenen Referentenentwurf der Umwandlungsvorbehalt vorgesehen war. Dass sogar die dringend benötigten Baugebote gestrichen wurden, setzt dem Ganzen die Krone auf.“

In der aktuellen Fassung wird das Baulandmobilisierungsgesetz wohl nicht verabschiedet. „Das wird die SPD-Bundestagsfraktion nicht mittragen”, kündigen die SPD-Abgeordneten Daldrup und Tausend an. Sie verlangen von der Union, den gemeinsamen Koalitionsbeschluss umzusetzen.

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