Interview

Bauministerin Geywitz: „Geflüchtete schnell individuell unterbringen”

Kai DoeringBenedikt Dittrich01. April 2022
Bundesbauministerin Klara Geywitz im Gespräch mit dem vorwärts
Rund 300.000 Menschen sind bereits vor dem Krieg in der Ukraine nach Deutschland geflohen. Für sie müssen die Kommunen Unterkünfte schaffen. Bundesbauministerin Klara Geywitz erklärt im Interview, wie der Bund dabei unterstützen will.

Knapp 300.000 Geflüchtete sind seit Ausbruch des Kriegs in der Ukraine bereits nach Deutschland gekommen, die nun untergebracht werden müssen. Ist das zu schaffen?

Die Menschen, die jetzt zu uns kommen, haben Schreckliches erlebt. Ich finde es enorm, was in den Kommunen mit vielen freiwilligen Helfenden gerade geleistet wird. Was wir als Bauministerium dazu beitragen können, tun wir. Wir haben in der vergangenen Woche sehr schnell das Baugesetzbuch geändert und einen Paragrafen erweitert, der es Ländern und Kommunen ermöglicht, zügig Unterkünfte, auch modulare für Geflüchtete zu bauen. Am 8. April soll der Passus im Bundesrat beschlossen werden, um dann sofort angewendet werden zu können. Darüber hinaus berät mein Ministerium mit den Ländern, wie möglichst zielgerichtet und schnell Fördermittel in Anspruch genommen werden können, um etwa leerstehende Gebäude für die Unterbringung von Geflüchteten umzubauen.

400.000 neue Wohnungen im Jahr, ein umfassendes Programm für die Gebäudesanierung: Die Vorhaben der Bundesregierung im Bereich Ihres Ministeriums sind groß. Sind diese Ziele jetzt in Gefahr?

Neben unermesslichem Leid bringt ein Krieg in Europa natürlich auch wirtschaftliche Verwerfungen mit sich. Lieferketten sind gestört, Produkte werden teurer. Das führt auch zu steigenden Baupreisen. Das Ziel der 400.000 Wohnungen wird damit noch etwas ambitionierter.

Bereits 2015 hat Deutschland viele Geflüchtete aufgenommen, damals aus Syrien. Lassen sich die Situationen vergleichen?

Nur teilweise. Zum einen kommen ja sehr viele Ukrainerinnen und Ukrainer bisher privat unter – sei es bei Freunden oder der Familie oder über private Vermittlung. Zum anderen kommen viel mehr Frauen und ihre Kinder zu uns als 2015. Dadurch gibt es auch einen deutlich höheren Bedarf an Betreuungs- und Schulplätzen und an sozialer Infrastruktur insgesamt.

Lassen sich bei der Unterbringung der Geflüchteten Lehren aus 2015 ziehen?

Wie damals ist es auch jetzt wichtig, dass die Menschen möglichst schnell individuell untergebracht werden statt in Gruppenunterkünften. Gerade nach der psychisch extrem belastenden Situation der Flucht brauchen sie ihre Privatsphäre.

2015 war der Unmut zum Teil groß, weil Sporthallen von Geflüchteten belegt und über Monate nicht genutzt werden konnten. Wie soll das diesmal vermieden werden?

Die Lehre aus der damaligen Situation ist ganz klar, dass Sporthallen nicht die Unterbringung der Wahl sind. Es wird deshalb als Verteilzentren vor allem auf Messen gesetzt. Aber auch das kann natürlich nur eine Übergangslösung sein. Wir nehmen deshalb sehr stark den Leerstand in den Blick. Bis zu eine Millionen Wohnungen stehen deutschlandweit leer. Viele von denen können recht schnell zum Wohnen reaktiviert werden. Diese Chance sollten wir nutzen. Allerdings gehören dann ja auch soziale Infrastrukturen und anderes mehr dazu.

Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hat bereits ein „Sofortprogramm Flüchtlingseinrichtungen“ mit einem Umfang von inzwischen 500 Millionen Euro aufgelegt. Kommunen sollen damit Gebäude zur Unterbringung umbauen können. Wird das ausreichen?

Das hängt natürlich vor allem davon ab, wie viele Flüchtlinge in den kommenden Wochen zu uns kommen werden. Ich gehe aber davon aus, dass es weiteren Bedarf geben wird. Den werden wir mit Kommunen und Ländern besprechen.

Olaf Scholz hat in seiner Regierungserklärung Ende Februar bezogen auf die Sicherheits- und Außenpolitik von einer „Zeitenwende“ gesprochen. Hat der Krieg auch Einfluss auf die Städteplanung?

Die Frage des Bevölkerungsschutzes hat an Bedeutung gewonnen, etwa wie wir die Menschen besser vor Gefahren warnen können. Auch in die Jahre gekommene Schutzeinrichtungen werden wir wieder herrichten müssen. Dabei geht es nicht unbedingt nur um die Gefahr eines Kriegs. Das Hochwasser an der Ahr im vergangenen Sommer hat deutlich gemacht, dass wir uns auch besser vor Naturkatastrophen schützen müssen.

 

Das Interview ist zuerst auf vorwärts.de erschienen.

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