Neue Studie

Baustelle kommunale Infrastruktur

Karin Billanitsch09. Juni 2021
Baustelle zum Bau einer neuen Strasse.
Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) und das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung haben für die Friedrich-Ebert-Stiftung untersucht, welche strukturellen Hindernisse überwunden werden müssen, um öffentliche Investitionen zu erleichtern.

Die Kommunen haben über die vergangenen Jahre einen Investitionsrückstand von rund 150 Milliarden Euro aufgebaut. Um diesen Investitionsstau aufzulösen, braucht Deutschland eine öffentliche Investitionsoffensive: Rund 457 Milliarden Euro müssten innerhalb der nächsten zehn Jahre zusätzlich in die öffentliche Infrastruktur Deutschlands investiert werden. Nach wie vor besteht zwischen den jährlich geplanten und tatsächlich getätigten Investitionen noch eine erhebliche Lücke. Auch ein großer Teil an Fördermitteln von EU, Bund und Ländern wird oft nur schleppend abgerufen.

Ohne eine moderne Infrastruktur wird es jedoch nicht gelingen, die Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte zu bewältigen – sei es die zunehmende Bedeutung der Digitalisierung für die internationale Wettbewerbsfähigkeit oder den wirtschaftlichen Strukturwandel in Folge der Dekarbonisierung, warnt das Deutsche Institut für Urbanistik. Vor diesem Hintergrund haben das Difu und das IMK in einer Untersuchung die Investitionshemmnisse der öffentlichen Hand detailliert analysiert, insbesondere jene, die nicht finanzielle Gründe haben. Denn es gibt immer mehr Anzeichen, dass eine bloße Aufstockung der finanziellen Mittel allein nicht zur Lösung des Problems beitragen wird.

Beispiel aus Köln

Das bestätigt auch Dörte Diemert, Stadtkämmerin in Köln bei Vorstellung der Studie. „Meine Beobachtung, auch schon vor Corona ist, dass es in Köln in der Vergangenheit nicht an Geld gefehlt hat, was Investitionen angeht. Die Ermächtigungen im Haushalt seien immer ausreichend gewesen – seien aber in der Regel nicht abgeflossen.

Dahinter stecken vor allem „personelle Restriktionen“ wie Diemert sagt. „Wir haben ein Riesenproblem, das alles mit dem eigenen Personal zu stemmen und gehen hier in Köln auch zunehmend dazu über, mit Generalunternehmern zu arbeiten.“ Wir haben einen Riesen-Investitionsstau erkannt, den wir abarbeiten, betonte Diemer.

Fachkräftemangel im Baugewerbe

Das Personalthema greifen die Autoren der Studie auch auf. Als ein Hemmnis nennt die Analyse die Personalsituation im Baugewerbe. In rund jeder fünften befragten Kommune sind Stellen im Hoch- und/oder Tiefbauamt seit längerer Zeit nicht besetzt. Ein Großteil der Kommunen nimmt Personalengpässe in der eigenen Bauverwaltung wahr und nennt die Verschiebung bzw. nicht fristgerechte Realisierung von Bauvorhaben als Konsequenz. Hinzu kommt, dass vielfach Fördermittel nicht fristgerecht oder gar nicht abgerufen werden, weil dafür Personal fehlt.

In den Bauverwaltungen der Kommunen wurden laut der Studie in den vergangenen Jahren Planungskapazitäten abgebaut. Gleichzeitig werden in den kommenden fünf Jahren rund 17 Prozent der Mitarbeiter*innen in den baurelevanten Abteilungen der Kommunen aus Altersgründen ausscheiden. Das ist insofern problematisch, da die Studie von Difu und IMK einen eindeutigen Zusammenhang zwischen einem Anstieg des Personalbestands in der Bauverwaltung und steigenden Bauinvestitionen der Kommunen nachweist. Insofern sollten die Kommunen zukünftig die eigenen Ausbildungskapazitäten gerade in technischen Berufen stärken und verwaltungsinterne Ausbildungskapazitäten ausbauen, lautet ein Lösungsvorschlag.

Digitalpakt kommunale Bauämter gefordert

Dazu zählten auch der Aufbau einer agilen Verwaltungsstruktur und der Einsatz digitaler Lösungen wie das „Building Information Management“ (BIM), hieß es. „Bund und Länder sollten flankierend dazu ein entsprechendes Förderprogramm auflegen“, forderte Henrik Scheller, Teamleiter Wirtschaft und Finanzen am Difu und Mitautor der Studie. „Ein ‚Digitalpakt kommunale Bauämter‘“ könnte kurzfristig Impulse für eine Verstetigung, Modernisierung sowie eine weitere Professionalisierung der öffentlichen Planungsverwaltungen anregen“.

Kapazitätsengpässe im Baugewerbe

Die Entwicklung der Baukonjunktur der vergangenen 30 Jahre zeigt, dass die öffentliche Hand prozyklisch investierte. Während in Krisen Investitionen zurückgefahren wurden, zogen sie in Hochphasen wieder an. Das verstärkte die zyklische Schwankungen in der Bauwirtschaft. „Um die volkswirtschaftlichen Schäden aus solchen Entwicklungen künftig zu vermeiden, muss die öffentliche Investitionstätigkeit verstetigt werden“, betonte Katja Rietzler, Forscherin im IMK und Mitautorin der Studie. „Gerade für die Zeit nach Corona bedeutet dies, dass auf eine strenge Haushaltskonsolidierung zulasten der öffentlichen Investitionen verzichtet werden sollte“, ergänzt Professor Dr. Carsten Kühl, wissenschaftlicher Direktor des Difu.

Komplexität reduzieren

Die Autoren haben auch eine zunehmende Komplexität von Genehmigungsverfahren und Standards festgestellt. Bei öffentlichen Infrastrukturvorhaben gibt es mehrstufige und komplexe Bauplanungs- und -genehmigungsverfahren, an denen unterschiedliche Fachverwaltungen beteiligt sind. Darüber hinaus gibt es auch „viele gesetzliche Einzelstandards zu berücksichtigen“, hieß es. „Sie stellen die involvierten Fachverwaltungen der Kommunen vor Koordinationsherausforderungen, die oft zeitaufwändig sind. Dies gilt in besonderer Weise für kleinere und mittlere Kommunen.“, stellen die Autoren der Studie fest.

Daher empfiehlt das Forschungsteam die Verankerung einer gesetzlichen Pflicht, damit eine Bauausführung erst nach dem vollständigen Abschluss des gesamten Planungsprozesses unter Berücksichtigung der verschiedenen Teilabschnitte und Gewerke beginnen darf. So ließen sich zeit- und kostenintensive Inkompatibilitäten zwischen bereits errichteten Baubestandteilen und Nachplanungen reduzieren. Darüber hinaus wird die Einrichtung einer Kommission zur fortlaufenden Überprüfung der Vereinbarkeit gesetzlicher Bau- und Umweltstandards empfohlen – vor allem unter Berücksichtigung des Baugesetzbuches des Bundes sowie den Bauordnungen der Länder.

Verfahren zur Öffentlichkeitsbeteiligung professionalisieren

Auch Verfahren zur Beteiligung der Öffentlichkeit haben die Autoren analysiert. Sie stellen demnach per se kein Investitionshemmnis dar – zumal sie gesetzlich vorgesehen sind. Würden sie allerdings unzureichend vorbereitet und durchgeführt, könnte sich das als problematisch und zeitkritisch erweisen. Die Studie zeigt hier, dass mit einer steigenden Bauinvestitionstätigkeit offenbar auch eine steigende Anzahl von Bürgerbegehren einhergeht. Zur Beschleunigung von öffentlichen Planungsprozessen und Bauvorhaben empfehle es sich deshalb, dass Kommunen eine frühzeitige und professionell organisierte Öffentlichkeitsbeteiligung als festen Bestandteil in den Planungsprozess integrierten.

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