Studie über Vielfalt im Amt

Warum in Behörden zu wenig Menschen mit Migrationsgeschichte arbeiten

Carl-Friedrich Höck23. März 2023
Über die Einstellung in den öffentlichen Dienst entscheidet oft nicht ein guter Lebenslauf alleine.
Im öffentlichen Dienst sind Menschen mit Migrationsgeschichte stark unterrepräsentiert. Ein wissenschaftliches Projekt hat nun die Gründe untersucht und mögliche Hürden ausgemacht.

„Die einzige nicht weiß gelesene Person auf dem Gang zu sein, fühlt sich seltsam an“, sagt Darius Sultani. Er gehört zu einer Gruppe von jungen Menschen mit Migrationsgeschichte, die in verschiedenen Bundesbehörden hospitiert haben und dabei wissenschaftlich begleitet wurden.

Der Anteil von Beschäftigten mit eigener oder familiärer Einwanderungsgeschichte in der öffentlichen Verwaltung liegt bei zwölf Prozent. In der Gesamtbevölkerung ist ihr Anteil mehr als doppelt so hoch. „Das ist nicht nur ungerechtfertigt, es ist auch unfair“, meint Sultani. Es sei Zeit für Strukturen, „die uns den Zugang erleichtern“.

Aufwendiges Forschungsprojekt

Das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZim) und die Deutschlandstiftung Integration haben sich auf die Suche nach möglichen Gründen gemacht. Sie wollten wissen: Welche Hürden gibt es aus Sicht der Bewerber*innen? Die Ergebnisse wurden nun in einem Report veröffentlicht mit dem Titel: „Wie kommt die Vielfalt ins Amt?“

Die Forschenden bedienten sich verschiedener Methoden. Eine Umfrage und ein Survey-Experiment sollten in Erfahrung bringen, wie die öffentliche Verwaltung bei jungen, hochqualifizierten Menschen mit Migrationsbiografien wahrgenommen wird. Die Deutschlandstiftung Integration bot zudem dreimonatige, bezahlte Hospitationen in Behörden an. Die Hospitant*innen wurden vor und nach der Hospitation befragt. Einige führten auch ein Tagebuch. Ergänzend befragten die Wissenschaftler*innen Personaler*innen verschiedener Bundesbehörden.

Social Media statt Stellenportale

Eine Erkenntnis: Social-Media-Kanäle spielen für junge Menschen mit Migrationsbiografien eine wichtige Rolle. Offizielle Stellenportale nutzen sie weniger. Das sollten Behörden bei der Personalsuche berücksichtigen, meint Sabrina Zajak, eine der Autorinnen des Reports. Sie fügt hinzu: Ein plakatives Bekenntnis zu Vielfalt reiche nicht, um zu einer Bewerbung anzuspornen. „Viel wichtiger sind Vorbilder, persönliche Netzwerke und Weiterempfehlungen sowie gute Informationskanäle.“ Sie empfiehlt, im Ausschreibungsprozess mit Migrantenselbstorganisationen zusammenzuarbeiten.

Die Autorinnen haben beobachtet, dass die meisten Bewerber*innen mit Migrationsbiografie mögliche Diskriminierungen antizipieren und ihr Verhalten anpassen. Das werden von den Personaler*innen oft unterschätzt. Zum Beispiel komme es vor, dass Bewerber*innen im Lebenslauf darauf verzichten, ihre nichtdeutsche Muttersprache oder ihre Engagement in einer muslimischen Jugendorganisation zu erwähnen.

Öffentlicher Dienst ist attraktiv

Es gibt aber auch gute Nachrichten: Viele Befragte betrachten den öffentlichen Dienst grundsätzlich als attraktiven Arbeitgeber. Punkten kann er mit beruflicher Sicherheit, gesunden Arbeitsbedingungen und seinem Nutzen für die Gesellschaft. Doch gerade weil Menschen mit Migrationsgeschichte dort unterrepräsentiert sind, wirkt der öffentliche Dienst für sie oft unerreichbar oder unnahbar.

Dieser Effekt kann durch die Eigenheiten des öffentlichen Dienstes noch verstärkt werden. „Ministerieller Habitus schafft Distanz“, erklärt Annett Gräfe-Geusch, die den Report mitverfasst hat. Damit meint sie zum Beispiel rätselhafte Abkürzungen und bestimmte Verhaltens- und Kommunikationsregeln. Zwar sei es normal, dass Berufseinsteiger*innen sich in diesem Umfeld zunächst fremd fühlen. Die Hospitant*innen mit Migrationsgeschichte hätten dies aber auch darauf reflektiert.

Darius Sultani hatte während seiner Hospitation das Gefühl, eine Doppelbelastung zu tragen: Sollte er einfach ein normaler Hospitant sein oder auch ein Botschafter der Vielfalt? „Mir war wichtig, dass ich Wertschätzung für meine Arbeit erfahre“, stellt er klar.

Der Forschungsbericht kann hier heruntergeladen werden:
deutschlandstiftung.net

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