Kommunen fordern Flüchtlingsgipfel

Berliner Hauptbahnhof: ein Ort zum Ankommen für Ukraine-Geflüchtete

Carl-Friedrich Höck10. März 2022
Vor dem Berliner Hauptbahnhof wurde ein Willkommens-Zelt für Geflüchtete aus der Ukraine aufgebaut.
Zehntausende Menschen sind bereits vor dem Ukraine-Krieg nach Deutschland geflohen. Viele kommen am Berliner Hauptbahnhof an. Von hier aus sollen sie auf andere Kommunen verteilt werden. Ein Ortsbesuch.

Dass die Hilfsbereitschaft groß ist, sieht man an den vielen gelben Westen. Es ist Donnerstagmorgen um kurz nach zehn Uhr am Berliner Hauptbahnhof. Normalerweise würde jetzt der Warschau-Express in Berlin eintreffen und die nächsten ukrainischen Geflüchteten in die Hauptstadt bringen. Doch der Zug hat Verspätung. Trotzdem herrscht geschäftiges Treiben im Bahnhof. Dutzende Freiwillige mit gelben und orangefarbenen Warnwesten stehen bereit, um die ankommenden Menschen in Empfang zu nehmen. Schilder weisen auf Englisch und Ukrainisch den Weg: Zu den Fernbussen und Zügen für diejenigen, die gleich in andere Städte weiterfahren wollen. Und für andere, die erst einmal in Berlin verweilen wollen, zu den Sammelstellen.

Ein Ort zum Durchatmen nach langer Flucht

Mehrsprachige Schilder weisen den Weg.

Im Untergeschoss des Bahnhofs erhalten die Geflüchteten Kaffee und Tee, eine Suppe oder warme Kleidung. Viele Frauen mit Kindern sind hier zu sehen – für die Kleinsten wurde ein mit Glasscheiben abgetrennter Spielbereich geschaffen. Es gibt einen DB-Infoschalter für die Weiterreise. Hier sollen die Menschen ankommen können, sich aufwärmen, vielleicht die erste Nacht verbringen.

Vor dem Bahnhofsgebäude steht ein großes Zelt mit Bierbänken, die „Welcome Hall“. Die Berliner Stadtmission betreibt die provisorische Halle. Sie ist ein „Safe Space“ für Ankommende. Vor einem Seiteneingang sitzen zwei Freiwillige. Ungefähr einmal pro Stunde komme ein Zug oder Fernbus mit neuen Geflüchteten an, erzählen sie. Eigentlich wollen sie helfen, Privatunterkünfte zu vermitteln, doch wegen des großen Andrangs sei das momentan kaum möglich. Die meisten Ukrainer*innen werden mit Sonderbussen von hier aus in die Berliner Flüchtlingsunterkünfte gebracht. Die Männer und Frauen haben nicht viel bei sich: oft nur einen kleinen Rucksack und eine Stoff- oder Sporttasche. Einige tragen ihr Haustier in einer Transportbox mit sich.

Geflüchtete am Berliner Hauptbahnhof: Die Menschen haben nur das Nötigste dabei.

Fast zur gleichen Zeit hält Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) im Abgeordnetenhaus eine Rede. Mindestens 50.000 geflüchtete Menschen seien innerhalb einer Woche in Berlin angekommen, berichtet sie. Nur mit ehrenamtlichem Engagement und dank der Zusammenarbeit mit Wohlfahrtsorganisationen sei es möglich gewesen, diese Zahl zu bewältigen. „Wir sind jetzt auf die Mithilfe der Stadtgesellschaft angewiesen.“

Kommunen fordern Flüchtlingsgipfel

Auf Unterstützung hoffen auch andere Kommunen. Die kommunalen Spitzenverbände drängen seit Beginn des Ukraine-Krieges auf eine enge Abstimmung mit Bund und Ländern. Der Präsident des Deutschen Städtetages Helmut Dedy fordert einen Flüchtlingsgipfel. Die Städte müssten wissen, welche Kapazitäten aufgebaut werden müssten. Einige Städte seien als Verkehrsknotenpunkte besonders betroffen. Denen müsse die Bundesregierung auch finanziell helfen, sagt Dedy in einem Zeitungsinterview.

Wie viele Menschen aus der Ukraine genau in Deutschland ankommen sind, ist unklar. Das Bundesinnenministerium beziffert die Zahl am Donnerstag auf mehr als 95.000. Es gibt jedoch innerhalb der EU keine Grenzkontrollen und manche Ukrainer*innen kommen privat unter – die tatsächliche Zahl dürfte deshalb höher liegen.

Keine Asylverfahren notwendig

Die europäischen Innenminister*innen haben sich in der vergangenen Woche auf eine vereinfachte Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine in allen EU-Staaten verständigt. Sie können sich als Kriegsflüchtlinge registrieren lassen und erhalten in der EU für ein Jahr einen vorübergehenden Schutz, der auf bis zu drei Jahre verlängerbar ist. Ein aufwendiges Asylverfahren ist somit nicht notwendig. Dieses Vorgehen wird auch von Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, begrüßt, weil es den Betroffenen den Weg in eine bezahlte Beschäftigung erleichtert.

Mit BVG-Sonderbussen werden die Geflüchteten in Unterkünfte gebracht.

Am Mittwoch war Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) selbst am Berliner Hauptbahnhof, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Berlin könne die Aufnahme nicht alleine stemmen, sagte sie anschließend. Deshalb sei sie intensiv mit der Bahn und den Ländern in Gespräch, wie die ankommenden Geflüchteten möglichst früh auf andere Länder verteilt werden können.

 

Mehr Informationen:
Das Bundesinnenministerium beantwortet auf seiner Website die wichtigsten Fragen zur Einreise aus der Ukraine.

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