Bauen und Wohnen

Wie bezahlbarer Wohnraum im Speckgürtel entsteht

Gabriele Kühn25. Oktober 2022
Erster Kreisbeigeordneter Steffen Wolf (SPD) und KWBG-Geschäftsführer Roman Becker (r.) besichtigen der Neubau eines Verwaltungsgebäudes für die Kreisverwaltung Mainz-Bingen.
Der Landkreis Mainz-Bingen unterstützt seine Kommunen mit einer Kreiswohnungsbaugesellschaft. Sie soll Wohnungen bauen, die sich auch Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen leisten können.

Das Rhein-Main-Gebiet ist Boom-Town. Frankfurt, Darmstadt, Wiesbaden, Mainz bieten viele Arbeitsplätze. Die Infrastruktur mit wichtigen Autobahn-Drehkreuzen, der Lage an den großen Zugverbindungen und vor allem dem Frankfurter Flug­hafen ist sehr gut. Die Folge: Immer mehr Menschen zieht es dorthin. Die Immobilienpreise kennen seit Jahren nur eine Richtung: steil nach oben. Bis weit in die Speckgürtel ist der Wohnraum knapp und teuer. Mietpreise von zum Teil deutlich mehr als zehn Euro für den Quadratmeter sind eher die Regel als die Ausnahme. Wer da nicht in der oberen Gehaltsliga spielt, hat es schwer, bezahlbaren Wohnraum zu finden.

Bezahlbaren Wohnraum zu ­schaffen hat sich der Landkreis Mainz-Bingen (Rheinland-Pfalz) auf die Fahne geschrieben. Im vergangenen Jahr gründete er die Kreiswohnungsbaugesellschaft Mainz-Bingen. Die KWBG ist eine 100-prozentige Tochter des Landkreises. Der Gründung ging eine jahrelange Debatte voraus: Mit Blick auf die Umlagefinanzierung des Kreises war eine solche Gesellschaft von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) zunächst nicht genehmigt worden. Doch die Notwendigkeit von Geschosswohnungsbau und die Tatsache, dass kleinere Gemeinden mit solchen Projekten mitunter überfordert sind, waren offensichtlich. 2018 hat die ADD eine rechtliche Tür aufgemacht und den übergeordneten Bedarf anerkannt.

Pilotprojekt

Der Kreistag steht voll hinter der Gesellschaft, die nun seit mehr als ­einem Jahr als eine Art Pilotprojekt am Start ist. Die Besonderheit ist, dass die KWBG alleine keine Projekte entwickelt, wohl aber in enger Zusammenarbeit mit bereitwilligen Kommunen Geschosswohnungsbau realisiert. Die Gesellschafterversammlung besteht aus Vertretern der politischen Parteien, als Vorsitzender fungiert Steffen Wolf (SPD), der als Erster Kreisbeigeordneter den Bereich Bauen unter seiner Ägide hat: „Ich sehe in der KWBG ein riesiges Potenzial. Nur so können sich mittlere und kleinere Einkommen noch Wohnraum im Landkreis leisten.“

Mit seinen mehr als 220.000 Einwohnern schmiegt sich Mainz-Bingen förmlich an die Landeshauptstadt Mainz an, umschließt sie regelrecht. 80 Kilometer Wegstrecke von einem Ende zum anderen, zwei kreisangehörigen Städte, sechs Verbandsgemeinden, 61 Ortsgemeinden und eine verbandsfreie Gemeinde – das sind wichtige Kennzahlen der Gebietskörperschaft, deren Struktur auf dieser großen Fläche sehr unterschiedlich ist: Rund um Mainz ist die Gegend städtisch geprägt – mit allen Folgen für den Wohnungsmarkt, der in Verbandsgemeinden wie Nieder-Olm und Bodenheim oder in den Städten Ingelheim und Bingen stark unter Druck steht. Im Hinterland und vor allem den Mittelrhein hinauf ist es dörflicher, ländlicher, ruhiger. Bezahlbarer Wohnraum wird hier trotzdem gebraucht. Die Zielmarke ist, bei den einzelnen Projekten deutlich unter dem Marktniveau pro Quadratmeter zu bleiben. Auch geförderter Wohnungsbau ist denkbar und nötig.

Standardisiertes Bauen spart Kosten

Und wie funktioniert die KWBG? Die Kreis-Gesellschaft gründet mit der jeweiligen Kommune eigene Projektgesellschaften. In diese bringen die Kommunen das Grundstück ein und haben mit 51 Prozent die Mehrheit an der Gesellschaft. Die KWBG hält 49 Prozent. „Damit können die Gemeinden immer eingreifen und steuern – jeweils unter der Prämisse, dass die Projekte wirtschaftlich sind und der Wohnraum günstiger ist als der Marktpreis“, sagt Wolf.

Ein Baustein, um dies zu erreichen, ist das standardisierte Bauen. „Wir haben ein zweistöckiges Modellhaus mit elf Wohnungen entwickelt, das wir jeweils angepasst an die örtlichen Begebenheiten zur Grundlage nehmen“, erläutert KWBG-Geschäftsführer Roman Becker. Zur Erreichung der Klimaziele arbeitet die Gesellschaft mit der ebenfalls kreiseigenen Energie-Dienstleistungsgesellschaft (EDG) Rheinhessen-Nahe zusammen, die für einen effizienten und wirtschaftlichen Betrieb der Energie­versorgung steht.

Der Geschäftsführer rechnet damit, dass Anfang 2024 die ersten Wohnungen bezugsfertig sind. Dann übernimmt die KWBG die Verwaltung der Häuser – inklusive der notwendigen Rückstellungen und der Hausmeisterdienste. Damit dies von Anfang an mit wenigen ­Wohnungen im Bestand wirtschaftlich ist, hat die KWBG eine Kooperation mit der Stadt Bingen geschlossen. Die hat 200 Wohnungen im Bestand, die künftig von der KWBG verwaltet werden.

 

KWBG im Internet:
kwbg-mainz-bingen.de