Kommunaler Internetauftritt versus Lokalzeitung

BGH erlaubt Nachrichtenportal der Stadt Dortmund

Uwe Roth15. Juli 2022
Quelle: Stadt Dortmund
Der Verlag der Ruhr Nachrichten sieht im Internetauftritt der Stadt Dortmund eine unzulässige Konkurrenz. Zu Unrecht: Der BGH hat entschieden, dass Kommunen journalistische Inhalte auf ihrem Portal veröffentlichen dürfen.

„Tipps zum Verhalten an heißen Sommertagen“ – auch das kann und darf eine städtische Meldung im Webauftritt sein. Nicht alle Nachrichten müssen einen amtlichen Charakter haben. So haben es jedenfalls die Bundesrichter am Donnerstag entschieden. Die Dortmunder Mediengruppe Lensing Wolff sieht das anderes, betrachtet die „bunten“ Geschichten auf dortmunde.de als eine Verzerrung des Wettbewerbs. Während die Nachrichtenseiten der Stadt kostenlos einsehbar sind, ist der Zugang zum Content des Verlags kostenpflichtig. Doch mit seiner Klage ist der Herausgeber unter anderem der Ruhr Nachrichten in Karlsruhe in zweiter Instanz gescheitert.

Oberbürgermeister Thomas Westphal zeigte sich in einer Stellungnahme „sehr froh über dieses Urteil“, das journalistische Inhalte auf der städtischen Webseite erlaubt. Der SPD-Politiker kommentierte den Spruch des Bundesgerichtshofs (BGH) so: „Wir haben immer darauf geachtet, dass wir unserer Informationspflicht gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern und allen Menschen, die sich für unsere Stadt interessieren, erstklassig erfüllen, ohne dabei die Rechte der Pressefreiheit einzuschränken. Deshalb freut es mich jetzt sehr, dass der Bundesgerichtshof unsere Linie nun komplett bestätigt hat.“

OB Westphal (SPD): Urteil gibt Kommunen mehr Sicherheit

Die Tatsache, dass der Bundesgerichtshof die Informationspflicht als Teil der kommunalen Selbstverwaltung ausdrücklich gewürdigt hat, sei nicht nur für die Stadt Dortmund ein sehr wichtiger Punkt. „Dieses Urteil gibt allen Kommunen mehr Sicherheit ihre Informationen in der gebotenen Art und Weise auch digital zur Verfügung zu stellen“, sagte Westphal.

Der Verlag hatte im August 2017 wegen der nach seiner Auffassung „pressemäßigen Berichterstattung“ auf dortmund.de gegen die Stadt Dortmund geklagt. In der Mitteilung des BGH heißt es zum Urteil unter anderem: „Das Internetportal der beklagten Stadt verstößt in der von der Klägerin beanstandeten Fassung nicht gegen das (aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitete) Gebot der Staatsferne der Presse." Und: "Das Gebot schützt auch vor Substitutionseffekten kommunaler Online-Informationsangebote, die dazu führen, dass die private Presse ihre besondere Aufgabe im demokratischen Gemeinwesen nicht mehr erfüllen kann." Auf ihrer Sicht erlaubt der BGH der Stadt Dortmund ihr Internetportal „in aktueller Form weiterhin betreiben und Internetnutzer*innen aus erster Hand umfassend, verlässlich und professionell aufbereitet informieren“.

Städtetag sieht Chance für moderne Kommunikation

Der Deutsche Städtetag begrüßte das Urteil zugunsten von dortmund.de: „Städte müssen zeitgemäß digital kommunizieren. Alles andere wäre aus der Zeit gefallen, würden die Menschen nicht verstehen und würde zu Informationsdefiziten führen.“ Verena Göppert, die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Städtetages, führte weiter aus: „Der BGH stellt klar, dass das Internetportal dortmund.de nicht gegen das Gebot der Staatsferne der Presse verstößt. Das Urteil gibt den Städten Spielraum für eine moderne Kommunikation.“

Ihren Angaben nach haben die Städte die Pflicht zur Information der Öffentlichkeit - und dies habe der BGH ausdrücklich als Teil der kommunalen Selbstverwaltung gewürdigt. „Nur so können die Städte der Erwartung der Bürgerinnen und Bürger nach Transparenz der Arbeit von Verwaltungen gerecht werden und den Dialog über die Politik der Städte ermöglichen.“

Enttäuschung beim Verleger der Ruhr Nachrichten

Verleger Lambert Lensing-Wolff kann diese Argumentation „nicht nachvollziehen“, wie er dem eigenen Blatt sagte. Für ihn heißt das „am Ende: „Solange eine Kommune nur die ausreichende Menge an zulässigen Verwaltungsinhalten mit den im Einzelnen unstrittig unzulässigen, presseähnlichen Inhalten vermischt, würde dadurch der eigentlich unzulässige Teil bei der summarischen Betrachtung plötzlich zulässig.“ Weiter sagte der Verleger laut dem Medienbericht au seinem Haus: „Das wäre so, als würde ein Apotheker einer Arznei nur ausreichend harmlose Stoffe beimischen können, um die eigentlich giftige Grundsubstanz von Quecksilber plötzlich als Bestandteil eines gesunden und zulässigen Heilmittels verkaufen zu können.“ Ein solches Vorgehen höhle „auf perfide Art“ den Grundsatz der Staatsferne der Presse aus.

Verleger hätte sich qualitative Betrachtung gewünscht

Sein Rat an die Stadt: Sie solle sich auf ihre „ureigenen Aufgaben besinnen: Bei Straßen, Schulen, Kindergärten, sozialen Fragen, Wohnungsbau, Wirtschaftsförderung und vielen anderen Themen gibt es immensen Nachholbedarf“, so Lensing-Wolff, der sich vom Gericht statt einer quantitativen eine qualitative Betrachtung der Inhalte auf „dortmund.de“ gewünscht hätte.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs - Auszüge im Wortlaut

Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Das Internetportal der beklagten Stadt verstößt in der von der Klägerin beanstandeten Fassung nicht gegen das aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitete Gebot der Staatsferne der Presse.

Umfang und Grenzen des Gebots der Staatsferne der Presse sind bei gemeindlichen Publikationen unter Berücksichtigung der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und der daraus folgenden gemeindlichen Kompetenzen einerseits sowie der Garantie des Instituts der freien Presse des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG andererseits zu bestimmen.

Äußerungs- und Informationsrechte der Gemeinden finden ihre Legitimation in der staatlichen Kompetenzordnung, insbesondere in der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Die darin liegende Ermächtigung zur Information der Bürgerinnen und Bürger erlaubt den Kommunen allerdings nicht jegliche pressemäßige Äußerung mit Bezug zur örtlichen Gemeinschaft. Kommunale Pressearbeit findet ihre Grenze in der institutionellen Garantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, welche die Freiheitlichkeit des Pressewesens insgesamt garantiert. Diese ist unabhängig davon einschlägig, dass die Klägerin nicht ein Druckerzeugnis der Beklagten, sondern deren Internetauftritt und damit ein Telemedienangebot beanstandet. Das Gebot der Staatsferne der Presse schützt auch vor Substitutionseffekten kommunaler Online-Informationsangebote, die dazu führen, dass die private Presse ihre besondere Aufgabe im demokratischen Gemeinwesen nicht mehr erfüllen kann.

Für die konkrete Beurteilung kommunaler Publikationen sind deren Art und Inhalt sowie eine wertende Gesamtbetrachtung maßgeblich. Dabei ist entscheidend, ob der Gesamtcharakter des Presseerzeugnisses geeignet ist, die Institutsgarantie aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu gefährden. Bei Online-Informationsangeboten, die nach ihren technischen Gegebenheiten nicht den für Druckerzeugnisse bestehenden Kapazitätsbeschränkungen unterliegen, ist das quantitative Verhältnis zwischen zulässigen und unzulässigen Beiträgen regelmäßig weniger aussagekräftig als bei Printmedien. Für die Gesamtbetrachtung kann deshalb bedeutsam sein, ob gerade die das Gebot der Staatsferne verletzenden Beiträge das Gesamtangebot prägen.

Die vom Berufungsgericht nach diesen Maßstäben vorgenommene Beurteilung des Internetportals der beklagten Stadt hat der Bundesgerichtshof nicht beanstandet.