Bildung

Bildungssenatorin Bogedan: Warum Bremen bei der digitalen Bildung führend ist

03. Juni 2020
Bremer Bildungssenatorin Bogedan: In den nächsten Jahren werden alle Schulen mit flächendeckendem WLAN ausgestattet.
In der Corona-Krise hat die Bedeutung von digitaler Bildung enorm zugenommen. Bremen gilt beim Ausbau als führend unter den Bundesländern. Bildungssenatorin Claudia Bogedan erklärt, woran das liegt und wo das Land noch nachbessern möchte.

Bremen gilt bei der Ausstattung seiner Schulen im Bereich digitaler Bildung als führend. Wie bewerten Sie den Stand des Ausbaus?

Bremen ist tatsächlich im Bereich der Ausstattung weiter als andere Bundesländer. Mit zwei Ausnahmen verfügen alle Schulen über einen Glasfaseranschluss. An den weiterführenden Schulen ist eine flächendeckendes WLAN in der Regel vorhanden. Seit Start des Digitalpakts wurde über eine Million Euro in den Netzwerkausbau der Schulen im Land Bremen investiert. Bei den schulischen Endgeräten, insbesondere Notebooks und stationäre Rechner, setzen wir auf eine möglichst hohe Standardisierung der Hard- und Software, um eine schlanke und effiziente Supportstruktur zu ermöglichen.

Dies bedeutet aber nicht, dass Schulen keine individuellen Softwarepakete verwenden dürfen. In Abstimmung mit dem Schul-Support-Service können Schulen ihre Softwareausstattung nach Bedarf verändern. Zukünftig werden wir zudem deutlich mehr Tablets in den Schulen sehen. Diese werden ebenfalls zentral verwaltet und unterstützt. Wir sind mit den Datenschützern in engem Austausch und haben durch die landesweite Plattform „itslearning“ da auch einen großen Vorteil.

Wo muss bei der Ausstattung in Sachen Digitalisierung noch nachgebessert oder umgesteuert werden?

Zunächst ist es wichtig, die Lücken in der Infrastruktur zu schließen. Vor dem Hintergrund der Coronakrise gilt dies insbesondere auch für Tablets und Notebooks für Schülerinnen und Schüler, die in prekären Verhältnisse leben und dringend Hilfe brauchen. In den nächsten Jahren werden alle Schulen mit flächendeckendem WLAN ausgestattet. Parallel dazu arbeiten wir an Lösungen, die Bandbreite der Glasfaseranschlüsse zu erhöhen. Zudem werden wir sowohl in Präsentationsmedien als auch in mobile Endgeräte für den Unterricht investieren. Wir haben mit unserem Medienentwicklungsplan schon sehr detailliert dargelegt, was notwendig ist.

Wie werden die Kollegien an das Thema Digitalisierung herangeführt?

Die Einführung von neuer Hard- und Software wird seit langem eng durch das Zentrum für Medien durch Fortbildungen und direkten Support begleitet. Dies galt und gilt sowohl bei der bremenweiten Lernplattform „itslearning“ als auch bei der Einführung neuer Präsentationsmedien, wie interaktiven Whiteboards, in der Vergangenheit. Die Digitalisierung ist gleichzeitig ein zentraler Baustein in der Aus- und Fortbildung im Landesinstitut für Schule (LiS, d.R.). In der Coronakrise hat sich die Nachfrage stark erhöht. Schon in den Osterferien haben wir mit Fortbildungs-Webinaren begonnen. Pro Online-Angebot machen weit über 200 Teilnehmende mit – aus Grundschulen und weiterführenden Schulen. Unsere Lehrkräfte sind hoch engagiert.

Und wie sieht es bei den Schülerinnen und Schülern aus, Stichwort Medienkompetenz?

In Bremen gibt es seit vielen Jahren den „Bildungsplan Medienbildung“. Dieser liegt sozusagen quer zu den weiteren Bildungsplänen. Durch die Verabschiedung der KMK-Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ und der verpflichtenden Umsetzung arbeiten wir an einer weiteren Konkretisierung für die Schulen. Parallel dazu werden am Landesinstitut aktuell die benötigten Kompetenzen der Lehrkräfte definiert, denn diese müssen dafür Sorge tragen, dass die digitalen Kompetenzen auch von ihren Schülerinnen und Schüler erworben werden können.

Welche Erfahrungen hat Bremen während des Lockdowns gemacht? Können digitale Angebote den Präsenzunterricht ersetzen oder sind sie als Ergänzung zu sehen?

Zunächst möchte ich mich bei allen Lehrkräften und dem pädagogischen Personal in Bremen und Bremerhaven herzlich bedanken. Trotz der kurzfristigen Schulschließungen haben sie sich der neuen Herausforderungen gestellt und die schwierige Lage jeweils bewältigt. Ich weiß, dass nicht immer alles glatt läuft, wir sind in einer absoluten Ausnahmesituation. Ich habe in den vergangenen Wochen sehr viele positive Rückmeldungen von Eltern und Lehrkräften erhalten. Danke auch dafür.

Gleichzeitig wissen wir, dass digitale Angebote – so gut sie auch sein mögen – den Präsenzunterricht nicht ersetzen können. Auch die beste Videokonferenzsoftware kann keine physische Präsenz mit non-verbalen, auditiven und visuellen Eindrücken ersetzen. Lernen ist nach wie vor ein sozialer Prozess. Durch „itslearning“ mit Zugängen für alle Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler stand  und steht ein mächtiges Werkzeug für das Lernen zu Hause zur Verfügung. Und das werden wir ausbauen.

Wird das Land Bremen Schülerinnen und Schüler bei der Anschaffung von Endgeräten unter die Arme greifen und den Bundeszuschuss in Höhe von 150 Euro aufstocken, damit auch Mädchen und Jungen aus sozial schlechter gestellten Familien besser an digitaler Bildung teilhaben können?

Konkret werden wir Kinder und Jugendliche über ihre Schulen mit kostenfreien Leihgeräten ausstatten. Die genauen Planungen und Abläufe dazu werden derzeit erarbeitet und so schnell wie möglich kommuniziert. Das Land Bremen bekommt 4,8 Millionen Euro, die zwischen Bremen, Bremerhaven und den freien Trägern aufgeteilt werden. Das Land muss zudem zehn Prozent der Fördersumme dazugeben. Ergänzend diskutiert der Senat, weitere Mittel zur Unterstützung der digitalen Ausstattung von Schulen über die Strukturhilfen zur Bewältigung der Corona-Krise, den „Bremen-Fonds“, zur Verfügung zu stellen.

Lernplattform "itslearning"
Lernplattform "itslearning"

Welche Erfahrung hat das Land Bremen konkret mit der Plattform „itslearning“ gemacht?

Die Lernplattform „itslearning“ war und ist tatsächlich der digitale Fels in der Zeit der Schulschließungen und darüber hinaus. Dadurch, dass alle Lehrkräfte und alle Schülerinnen und Schüler bereits seit langem einen Zugang besitzen, konnte schnell und ohne längere Einrichtung auf eine etablierte Plattform zurückgegriffen werden. Ein Ausbau von „itslearning“ bezieht sich daher darauf, weitere Softwareangebote in die Plattform zu integrieren. Ein Beispiel ist „sofatutor“. Die dort vorhandenen über 12.000  Videos können schnell und einfach in die Kurse der Schülerinnen und Schüler integriert werden. Zukünftig wird es auch möglich sein, in „itslearning“ Videokonferenzen mit einem Klassenverband durchzuführen. Die Gespräche mit Anbietern befinden sich kurz vor dem Abschluss. Gleichzeitig sind wir in enger Abstimmung mit dem Landesamt für Datenschutz und Informationsfreiheit, um das Angebot datenschutzrechtlich einwandfrei und verlässlich absichern zu können.

Die tatsächliche Nutzung beziehungsweise der Umfang der Nutzung ist im Grundsatz freiwillig. Die Schulen können selber entscheiden ob und in welchem Umfang sie „itslearning“ nutzen. Das Zentrum für Medien unterstützt die Kolleginnen und Kollegen an der Schule durch feste Ansprechpartner und passgenaue Fortbildungen. Die Bremer Nutzerzahlen von „itslearning“ sind enorm nach oben geschnellt. Vor Corona wurden täglich rund 30.000 bis 40.000 Zugriffe gezählt, das war im Vergleich schon viel. Nun sind es 220.000.

Wie hoch sind die Investitionen in die digitale Bildungsinfrastruktur in Bremen und Bremerhaven insgesamt?

Die Investitionen in die Infrastruktur werden in den nächsten Jahren vor allem durch den Digitalpakt Schule getragen. Die verfügbaren Fördersumme für das Land Bremen beläuft sich auf etwa 48 Millionen Euro. Davon entfallen etwa acht Millionen Euro auf Bremerhaven und drei Millionen Euro auf die freien beziehungsweise privaten Schulträger. Fünf Millionen stehen für landesweite und landesübergreifende Projekte bereit, die restlichen 32 Millionen Euro stehen der Stadtgemeinde Bremen zur Verfügung. Das Sofortprogramm für die Endgeräte kommt zusätzlich oben drauf. Der Senat hat darüber hinaus im Rahmen seiner Haushaltsberatungen rund zehn Millionen Euro für die Jahre 2020 und 2021 zur Digitalisierung im Bereich Bildung in die Beratung eingebracht. Zudem ist geplant, dass über den Bremen-Fonds, das heißt, den Strukturhilfen zur Bewältigung der Coronakrise, weitere Mittel für die digitale Ausstattung der Schulen hinzukommen.

Das Interview ist auf vorwaerts.de erschienen. Er erscheint mit freundlicher Genehmigung des Berliner vorwärts Verlags.

 

Mitgliederbefragung der GEW

Eine aktuell ausgewertete repräsentative Mitgliederbefragung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften (GEW) deckt viele Schwachstellen bei der Digitalisierung an Schulen auf. Die Befragung wurde schon vor Ausbruch der Corona-Krise durchgeführt und die Ergebniss am Mittwoch vorgestellt. Folgende Probleme haben sich demnach gezeigt, kritisiert die GEW:

Endgeräte: Vor allem die Ausstattung mit Endgeräten wie Laptops, Tablets und digitale Infrastruktur an Schulen müsste verbessert werden, lautet ein Ergebnis. Zwar nutzten neun von zehn Befragten private Endgeräte – aber nur 9 Prozent gaben an, dass es in der Schule eine ausreichende Zahl digitaler Endgeräte für Lehrkräfte gebe. Die Befragung der Mitglieder hat ergeben, dass die meisten Lehrkräfte bei Bedarf auf ihre private Ausstattung zurückgreifen. Vor allem jetzt in der Corona-Krise wurde ein Schlaglicht auf dieses Problem geworfen. „Die digitale Infrastruktur für den Unterricht muss von der öffentlichen Hand für alle bereitgestellt werden und darf nicht zur Privatsache werden“, forderte GEW-Vorstand Ansgar Klinger.

Die Ausstattung der Schüler zu Hause sei ebenfalls sehr unterschiedlich, hieß es. „Die einen sind privat mit den neuesten Mac-Books versorgt, andere müssen das komplette Homeschooling über ihr Smartphone abwickeln“, hieß es.

Kritik am Digitalpakt: Die Beteiligung und Information bei der Umsetzung des Digitalpakts ist nicht optimal gelaufen, und für medienpädagogische Konzepte wurden nur selten zeitliche Ressourcen zur Verfügung gestellt, so die Autoren.  So fließen die Digitalpaktmittel fließen laut GEW vor allem in den Ausbau des WLAN, mobile Endgeräte für Schülerinnen und Schüler sowie Anzeige- und Interaktionsgeräte. Aus den Digitalpaktmitteln können nur mobile Endgeräte für den Gebrauch im Unterricht beantragt werden.

Digitalisierung führt zu Abgrenzungsproblemen zwischen Privatleben und Arbeit. Die GEW fordert daher „ein Recht ein, nicht erreichbar zu sein“.

Medienpädagogik: Nur ein Drittel der an der Planung beteiligten oder darüber informierten Befragten hat angegeben, dass die Einrichtung genügend Zeit hatte, ein Konzept zur medienpädagogischen Schulentwicklung zu beantragen. Fast 80 Prozent der befragten Schulleitungen gaben an, dass für die Konzepterarbeitung keine zusätzlichen Zeitressourcen bereitgestellt wurden.

Die Umfrage kann hier heruntergeladen werden.

 

 

 

 

weiterführender Artikel