Quartiersentwicklung

Wie Bremen im Hulsbergviertel neue Wege gehen will

28. Mai 2018
GEG-Chef Florian Kommer vor einem Modell des neuen Hulsberg-Viertels.
Wie aus einer früheren Krankenhaus-Fläche ein moderner Stadtraum mit unterschiedlichen Wohnformen werden soll. Ein besonders wichtiger Aspekt: Im Zuge der Entwicklung sollen 30 Prozent der entstehenden Wohnungen öffentlich gefördert sein.

Die Stadtgemeinde Bremen will neue Wege gehen. Statt rund 14 Hektar Fläche komplett an einen oder mehrere Investoren zu verkaufen und sich aus der Entwicklung herauszuhalten, bestimmen die Bürger, Politik und Verwaltung zu einem wesentlichen Teil gemeinsam, wie die Zukunft aussehen soll: Sie gestalten das „Neue Hulsberg-Viertel“, so der Name, auf mehreren Ebenen miteinander. Ein besonders wichtiger Aspekt: Im Zuge der Entwicklung sollen 30 Prozent der entstehenden Wohnungen öffentlich gefördert sein. Dies sind fünf Prozent mehr, als das Land Bremen gesetzlich vorschreibt. Der städtebauliche Vertrag für das neue Hulsberg-Viertel ist am 25. Mai unterzeichnet worden.

Nicht mehr benötigte Flächen des kommunalen Klinikums Bremen-Mitte

Auf dem Gelände am Klinikum Bremen-Mitte, wo das neue Wohnviertel entstehen soll, unterschrieben Bausenator Joachim Lohse, Jutta Dernedde, Sprecherin der Geschäftsführung Gesundheit Nord (Geno), sowie Florian Kommer, Geschäftsführer der zuständigen Grundstücksentwicklungsgesellschaft (GEG) das umfangreiche Vertragswerk. Der städtebauliche Vertrag ist die Voraussetzung für die Verabschiedung des Bebauungsplans, der zunächst auf der Tagesordnung der Baudeputation steht und dann im Juni von der Stadtbürgerschaft verabschiedet werden soll.

Beim Hulsberg-Viertel handelt es sich um Flächen, die das kommunale Klinikum Bremen-Mitte (KBM) mittel- bis langfristig nicht mehr benötigt. Die medizinische Versorgung der Patienten soll in den kommenden Jahren statt auf bislang 19 nur noch auf fünf Hektar geschehen. Dafür entstehen in der Nachbarschaft seit einigen Jahren Krankenhaus-Neubauten oder es werden bestehende Teile umgebaut. Doch statt es der ebenfalls städtischen Krankenhaus-Holding Gesundheit Nord (Geno) alleine zu überlassen, das nicht mehr benötigte KBM-Areal an den Meistbietenden zu verkaufen, hat sich die Stadtgemeinde Bremen dazu entschlossen, die Bürger früh mit ins Boot zu holen – sogar noch bevor Stadtplaner sich mit dem Areal auseinandersetzt haben. So ist das neue Viertel – laut Prospekt „das vielfältigste Konversionsprojekt der Stadt und der größte Entwicklungsstandort der Innenstadt“ – eine Art Blaupause für die Stadtgesellschaft der Zukunft. Vor diesem Hintergrund sind im städtebaulichen Vertrag zum Bebauungsplan – auf Wunsch der Bürger – nicht nur unterschiedliche Wohnformen hineingeschrieben worden, sondern auch Bedarfe an Sozial- und Bildungseinrichtungen sowie Vorgaben zu den Themen Mobilität, Erschließung, ­Klimaschutz und auch Bürgerbeteiligung.

Arbeit des Quartiersvereins

So ist jeder Grundstückseigentümer Mitglied im Quartiersverein. Diesem obliegt „die Organisation und Durchführung des quartiersbezogenen Mobilitätskonzeptes“ sowie die „Beteiligung an der Pflege und Wartung der öffentlichen Freiflächen und Spielplätze“. Außerdem soll der Verein die Förderung des nachbarschaftlichen Zusammenhalts und die Koordination der Eigentümerinteressen übernehmen. Allerdings werden diese Planungen erst bei vollständiger Entwicklung des Hulsberg-Viertels in rund zehn Jahren zum Tragen kommen, so Florian Kommer. Er ist Geschäftsführer der Grundstücksentwicklung Klinikum Bremen-Mitte GmbH & Co. KG, kurz GEG. Die Gesellschaft gehört zu 100 Prozent der Stadt Bremen. Ihre Arbeit findet unter vier Prämissen statt: Keine Störung des Klinikbetriebs, Entwicklung der Gesundheitswirtschaft am Standort, beim Verkauf der Grundstücke höchstmögliche Erlöse erzielen und die städtebaulichen Ziele umsetzen.

Dies alles seien ambitionierte Vorgaben, die durchaus einiges an Konfliktpotenzial in sich trügen, weiß Kommer schon jetzt. Insbesondere zwischen dem Verkauf der Grundstücke und der Umsetzung der städtebaulichen Ziele „im positiven Sinne eine immerwährende Abwägung zu treffen“, ist für den GEG-Geschäftsführer eine sportliche Aufgabe. „Das Hulsberg-Viertel ist durch den Bebauungplan und den städtebaulichen Vertrag komplett designed“, begründet Kommer etwas zugespitzt den Konflikt.

30 Prozent öffentlich geförderte Wohnungen

Anders ausgedrückt: Wer sich dazu entschließt, sich mit Geld im Hulsberg-Viertel zu engagieren, kann nichts mehr an den Vorgaben des Vertrags verändern. Dort heißt es klar, dass in diesem Teil Bremens rund 1.100 neue Wohnungen entstehen sollen. Davon werden 330 (rund 30 Prozent) öffentlich gefördert. Weitere 20 Prozent der Wohnungen sollen von Baugemeinschaften errichtet werden. Ein weiteres Grundstück ist für die Stadtteil-Genossenschaft Hulsberg vorgesehen. „In Planung sind 70 bis 100 Wohnungen, Gemeinschaftsräume, Räume für Veranstaltungen, vielleicht ein Café im Haus, kleine Läden im Erdgeschoss“, heißt es auf der Internetseite www.hulsberg-genossenschaft.de. Im Blick haben die Mitglieder das heutige Bettenhaus des KBM.

Für die geförderten Wohnungen solle es eine garantierte Kaltmiete von 6,50 Euro geben, erläutert Kommer. Spannend werde es bei den Baugemeinschaften. Der übliche Wettlauf um den höchsten Preis beim Verkauf von Grundstücken sei nicht vorgesehen. Es gehe in erster Linie um das beste Konzept: Wie verhält es sich mit dem Einsatz ökologischer Baustoffe, wie mit nachbarschaftlichen Initiativen und wie ist es mit dem generations- beziehungsweise migrationsübergreifenden Zusammenleben?
Dies alles sei sehr ambitioniert, sagt der GEG-Chef. Doch bei näherer Betrachtung macht er auch keinen Hehl daraus, dass am Ende natürlich die marktwirtschaftlichen Komponenten zählen. Unklar ist, ob und wie Wohnungen, die nicht öffentlich gefördert werden, im mittleren Mietpreissegment entstehen. Ob das alles funk­tioniert, kann Kommer denn auch zurzeit ganz und gar nicht abschätzen. Nur in einem ist er sich schon jetzt sicher: „Das neue Hulsberg-Viertel wird keine Insel der Besserverdienenden.“

Lohse: „Beachtetes Beispiel für frühzeitige und umfassende Bürgerbeteiligung“

Bausenator Lohse lobte im übrigen den fertigen städtebaulichen Vertrag: „Das Neue Hulsberg-Viertel ist ein bundesweit beachtetes Musterbeispiel für frühzeitige und umfassende Bürgerbeteiligung bei der Entwicklung neuer Stadtquartiere. Ich freue mich sehr, dass es gelungen ist, wesentliche Punkte zu Sozialwohnungsquote, Baugemeinschaften oder auch zum Erhalt hochwertiger Grünflächen unter den Beteiligten zu einen und in dem heutigen Vertrag zu verankern. Ich bin mir sicher: Das wird ein tolles und lebenswertes neues Bremer Quartier.“