Gesunkene Fahrgastzahlen

Bremst die Corona-Krise den Öffentlichen Nahverkehr aus?

Carl-Friedrich Höck20. Mai 2020
Die Fahrgastzahlen der öffentlichen Verkehrsunternehmen sind wegen der Corona-Krise stark gesunken. Das könnte für die angestrebte Mobilitätswende zum Problem werden.

Das Angebot des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) muss ausgebaut werden! Es sollen mehr Menschen vom eigenen Auto auf Bus und Bahn umsteigen! So lauten eigentlich die Ziele der schwarz-roten Bundesregierung. Zur Erinnerung: Jahrelang diskutierte Deutschland über hohe Stickoxid-Werte in Städten und fehlende Bus- und Bahnverbindungen auf dem Land. Erst im Januar hat der Bundestag deutlich höhere Zuschüsse für den ÖPNV bewilligt.

Verkehrsunternehmen rechnen mit Milliardenverlust

Dann begann die Pandemie – und für die ÖPNV-Unternehmen eine schwere Zeit. Nach Angaben des Verkehrsunternehmen-Verbandes VDV ging die Zahl der Fahrgäste zeitweise um bis zu 90 Prozent zurück. Damit brachen auch die Ticketeinnahmen weg. Mittlerweile ist das Fahrgastaufkommen zwar wieder leicht gestiegen und liegt bei rund 40 Prozent des Vorjahresniveaus. Trotzdem rechnet der VDV mit Verlusten von fünf bis sieben Milliarden Euro bei den ÖPNV-Anbietern im laufenden Jahr.

Die Verkehrsminister*innen der Länder forderten am 14. Mai die Bundesregierung auf, einen Rettungsschirm für den ÖPNV aufzuspannen. Die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz Anke Rehlinger (SPD) mahnte: „Wir brauchen auch nach der Krise noch einen funktionsfähigen ÖPNV.“ Bus und Bahn seien Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und elementar, um die Klimaziele des Bundes zu erreichen. „Wir werden die Pleite weiter Teile der Branche erleben, wenn nicht schnell geholfen wird.“

Das Geld könnte beim Ausbau fehlen

Damit stellt sich auch die Frage, ob für den Ausbau der Infrastruktur überhaupt noch Geld da ist. VDV-Sprecher Eike Arnold teilt dazu mit, dass dazu zwei Dinge wichtig seien. Bund und Länder müssten die entstandenen Kosten der Bus- und Bahnunternehmen ausgleichen. „Denn diese fuhren im Schnitt auf einem Niveau von 80 Prozent weiter, um den Polizisten, Krankenhausangestellten und weiteren systemrelevanten Berufsgruppen Mobilität bei gleichzeitigem Abstand in den Fahrzeugen zu bieten.“

Zum Zweiten, so Arnold, müsse der Bund an den „wegweisenden Entscheidungen pro Verkehrswende aus den Monaten vor der Krise“ festhalten. Die bereits im Bundeshaushalt eingestellten Investitionsgelder für die Bus- und Schieneninfrastruktur dürften also nicht angetastet werden. Schwierigkeiten könnte es auf kommunaler Seite bei Kofinanzierungen geben, „denn manche Kommune ist coronabedingt gezwungen, schon bald zu sparen“.

Virus verfälscht Erkenntnisse zum Fahrgastverhalten

Auswirkungen wird die Pandemie wohl auch auf Modellprojekte haben, mit denen einzelne Kommunen Maßnahmen zur Luftverbesserung erproben sollen. In Bonn zum Beispiel können die Bürger*innen im laufenden Jahr ein 365-Euro-Jahresticket nutzen. Das Projekt wird vom Bund gefördert. Nun hat sich die Luft in vielen Städten allein deshalb verbessert, weil Arbeitnehmer*innen im Homeoffice arbeiten statt sich morgens ins Auto zu setzen. Und die Fahrgastzahl dürfte auch in Bonn nicht wie erwartet gestiegen, sondern pandemiebedingt gesunken sein. Was die gewonnenen Erkenntnisse unter diesen Umständen noch wert sind, bleibt abzuwarten.

Nachtrag (22.05.2020):

Die Stadt Bonn teilt dazu mit: „Zu den Tickets und zu den Angebotsverbesserungen lagen bereits vor der Corona-Pandemie Daten vor, die eine erste Beurteilung der Wirksamkeit erlauben.” Die neuen Angebote, zu denen das 365-Euro-Ticket gehört, seien rasch gut angenommen worden. Die Wirkung der Maßnahmen auf die Luftqualität werde ebenfalls evaluiert. „Die Ergebnisse werden unabhängig von der Coronakrise unter gewisse Vorbehalte zu stellen sein, da wir die Wirkung nicht messen, sondern nur abschätzen können und die tatsächlichen Immissionswerte von einer Vielzahl von Faktoren abhängen.”

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