Europäische Union

Brexit ante portas

Katja Turck13. Mai 2019
Brexit
Die Wege Großbritanniens und der EU scheiden sich. Das hat Folgen für die deutschen Städte und Regionen.
Eine Studie untersucht die Auswirkungen des Brexits auf die Städte und Regionen in Europa. Ihr zufolge werden die deutschen Bundesländer zu den größten Verlierern gehören.

Die Brexit-Saga nimmt kein Ende: Ende März wollte Großbritannien ursprünglich die EU verlassen, doch die Austrittsverhandlungen sind weiterhin festgefahren. Beim jüngsten EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs im April in Brüssel musste die britische Premierministerin Theresa May eine weitere Verlängerung der Austrittsfrist beantragen. Die Spannung steigt: Kommt es im Herbst 2019 tatsächlich zu einem „weichen Brexit” mit entsprechendem Austrittsabkommen, oder wird ein „harter Brexit“ das Ergebnis des drei Jahre andauernden Polittheaters sein?

Auswirkungen werden vor Ort zu spüren sein

Die Unsicherheit, auf welches Szenario man sich nun vorzubereiten habe, wächst in der Zwischenzeit nicht nur in den Hauptstädten der EU-Mitgliedstaaten, sondern vor allem in Europas Städten und Regionen. Unabhängig davon, zu welchem Brexit-Szenario es schließlich kommen wird, und ganz abgesehen von den nachhaltigen Schäden, die das gescheiterte Management des Austrittsprozesses an der britischen Demokratie verursacht, werden Städte und Regionen als erste die Auswirkungen vor Ort auf ihre Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft zu spüren bekommen.

Laut einer vom Europäischen Ausschuss der Regionen (AdR) 2018 in Auftrag gegebenen Studie werden besonders die deutschen Bundesländer zu den größten Verlierern eines Brexit zählen: So befinden sich 41 von 50 Regionen, in denen Industrie und Handwerk unter dem britischen EU-Austritt besonders leiden dürften, in Deutschland. Dort wären bis zu 17,5 Prozent der Wirtschaftsleistung im produzierenden Gewerbe direkt negativ vom Brexit betroffen. Je enger die Handelsbeziehungen einer Region mit Großbritannien, desto höher die zu erwartenden Verluste.

Ein harter Brexit wird doppelt so teuer

Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung zu den ökonomischen Folgen des Brexit für EU-Länder und Regionen zeigt zudem, dass besonders Regionen mit einem hohen Anteil an mittelständischen Unternehmen betroffen wären. Ein „harter“ Brexit würde laut der Studie die Kosten des Austritts für alle EU-Länder zusätzlich erheblich erhöhen und für Deutschland etwa doppelt so teuer wie ein weicher Brexit mit einem Handelsabkommen.

Im Plenum des AdR und auf dem im März organisierten Europäischen Gipfeltreffen der Regionen und Städte in Bukarest konnten Lokal- und Regionalvertreter ihre Fragen und vor allem ihre Befürchtungen über die Folgen eines harten Brexit bereits mit EU-Chefunterhändler Michel Barnier diskutieren.

Niedersachsen macht sich u.a. Sorgen um seine Fischereiindustrie. „Ohne Abkommen würden die niedersächsischen Fischer das Recht verlieren, in den britischen Fanggründen auf Fischfang zu gehen, was für die niedersächsischen Fischer eine existentielle Bedrohung darstellen würde”, so AdR-Mitglied Birgit Honé, Niedersachsens Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten. AdR-Mitglied Gerry Woop hebt die negativen Folgen des Brexit für Forschung und Bildung vor: „Berlin arbeitet eng mit Universitäten und Forschungseinrichtungen in Großbritannien zusammen, auch im Rahmen von EU-kofinanzierten Programmen. Wie wird es damit weiter gehen?”

Zukunft der Fördergelder

Damit stellt der Berliner Staatssekretär für Europa eine weitere für Regionen und Städte besonders wichtige Kernfrage zur Debatte: Wie wird sich der Brexit auf die Höhe der EU-Fördergelder für Struktur- und Investitionsprogramme im zukünftigen Mehrjährigen Finanzrahmen (MFF) auswirken?

Gerade weil der Brexit nicht alle Regionen Europas und nicht alle Sektoren gleichermaßen beeinflussen wird, fordert der AdR die EU-Kommission auf, entsprechende Finanzinstrumente vorzusehen, um gezielt dort helfend eingreifen zu können, wo die Auswirkungen am dramatischsten sein werden. Eine enge Zusammenarbeit mit britischen Regionen, Städten, Unternehmen und Hochschulen muss weiterhin möglich sein. Die in 40 Jahren entstandenen Kontakte und Verflechtungen und nicht zuletzt die vielen Menschen, die im Austausch zwischen Großbritannien und den anderen Mitgliedstaaten ihr Leben gestaltet haben, dürfen nicht den Preis für kurzsichtige Politik und Machtkalkül einiger weniger zahlen.

 

Die Studie des AdR zu den regionalen Auswirkungen des Brexit (2018) ist auf der Webseite herunterladbar:
cor.europa.eu