Neuer Dieselgipfel

Bund stockt Förderprogramm für saubere Luft auf

Carl-Friedrich Höck03. Dezember 2018
Tempo 30 an der Leipziger Straße in Berlin
Tempo 30 an der Leipziger Straße in Berlin: Auch diese Maßnahme soll helfen, die Luftbelastung zu senken.
Vertreter von Bundesregierung und Kommunen haben sich erneut zu einem Diesel-Gipfel getroffen. Im Vorfeld war die Atmosphäre zwischen Verkehrsminister Scheuer und vielen Bürgermeistern angespannt. Nun sprechen die Kommunalen von einem „guten Treffen“. Der Bund will fast eine Milliarde Euro zusätzlich für saubere Luft bereitstellen.

Dicke Luft herrschte zuletzt nicht nur in zahlreichen Städten, sondern auch in der Kommunikation zwischen Bund und Kommunen. Bei den Oberbürgermeistern hat sich Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) wohl keinen Gefallen getan, als er kürzlich im Bundestag die kommunalen Luftreinhaltepläne kritisierte. Diese seien teils zu alt, weshalb die Städte vor Gericht verlören und Fahrverbote angeordnet würden. Scheuer drohte sogar, sein Ministerium werde keine Fördermittel mehr vergeben, wenn die Städte keine aktuellen Luftreinhaltepläne vorlegten.

Viele Bürgermeister verstanden das als Versuch, ihnen in der Debatte um Diesel-Fahrverbote den Schwarzen Peter zuzuschieben. Und kritisierten ihrerseits – wie Frank Baranowski auf der Delegiertenversammlung der Bundes-SGK –, die versprochenen Förderbescheide für saubere Luft seien noch immer nicht eingetroffen und ein Gesamtkonzept der Regierung sei nicht erkennbar.

Deutlich mehr Geld für saubere Luft

Nach dem nächsten Dieselgipfel der Regierung mit Kommunalvertretern an diesem Montag relativierte Scheuer seine Aussage. Er sei froh über die Rückmeldung, dass alle betroffenen Städte ihre Luftreinhaltepläne aktualisiert hätten oder gerade dabei seien, sagte Scheuer auf Nachfrage. Auch Kommunalpolitiker zeigten sich nach dem Treffen versöhnlich. „Es war ein guter Gipfel“, merkte Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) an, auch wenn er an den Ergebnissen noch einiges auszusetzen hatte. Und Helmut Dedy (SPD), Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, sprach von einem „konstruktiven und zum Teil kontroversen Austausch“.

Das wichtigste Resultat: Der Bund wird die Mittel für das Sofortprogramm Saubere Luft deutlich aufstocken. Statt einer Milliarde bis 2020 stehen dann 1,5 Milliarden Euro bereit, gab Bundeskanzlerin Angela Merkel bekannt. Mit dem Sofortprogramm unterstützt der Bund die Kommunen bei verschiedenen Maßnahmen zur Luftreinhaltung. Gefördert werden zum Beispiel die Umrüstung von Busflotten auf Elektroantrieb oder der Bau neuer Radschnellwege. Obendrauf, so Merkel, kämen noch 432 Millionen Euro, mit denen der Bund die Hardware-Nachrüstung von Kleinlastern in Städten fördere. Insgesamt stelle der Bund also fast eine Milliarde Euro mehr zur Verfügung.

Das Geld in den Fördertöpfen sei knapp geworden, merkt Michael Ebling an, Oberbürgermeister von Mainz und Präsident des Verbandes kommunaler Unternehmen. „Bei der Förderung der Elektromobilität ist die Summe mehrfach überzeichnet. Viele Städte sind besorgt, mit ihren konkreten Projekten leer auszugehen. Deshalb ist es gut, dass die Bundesregierung heute unter dem Druck der Städte bei der Umstellung auf neue Antriebe nachgelegt hat.“ Der Bundestag hat die nun verkündete Aufstockung der Mittel während der Haushaltsberatungen in der vergangenen Woche bereits bewilligt, erklärt SPD-Fraktionsvize Sören Bartol. „Jetzt liegt es an den Bundesministerien, die Fördermittel unbürokratisch und schnell für die Kommunen zur Verfügung zu stellen.“

Automatische Kennzeichen-Erkennung statt Plakette

Diskutiert wurde unter anderem über die Frage, wie die von Gerichten angeordneten Fahrverbote kontrolliert werden können. Der Deutsche Städtetag plädiert für eine blaue Plakette als Kennzeichnung für ältere Dieselfahrzeuge. Das lehnt Verkehrsminister Scheuer ab. Seine Argumentation: Die Plakette wäre diskriminierend und würde Fahrverbote befördern.

Nun setzt die Bundesregierung stattdessen auf Programme, mit denen Kennzeichen per Kamera automatisch erfasst werden können. Der Bund werde eine „Kann-Regelung“ schaffen, so Scheuer. Also einen rechtlichen Rahmen, damit Kommunen mit nicht fest installierten Maschinen die Fahrzeuge kontrollieren können. Die Regierung habe auch in Aussicht gestellt, das finanziell zu fördern. Bis dahin, stellte Stuttgarts OB Kuhn klar, könne die Polizei den fließenden Verkehr nur punktuell kontrollieren – und die Ordnungsämter den ruhenden Verkehr.

Nachrüstungen sind in Arbeit

Derzeit würden Software-Nachrüstungen vorbereitet, mit denen die Stickoxid-Emissionen um 30 Prozent vermindert würden, sagte Bundeskanzlerin Merkel nach dem Gipfel. Davon seien mittlerweile sechs Millionen Fahrzeuge betroffen. Und es werde mit Hochdruck daran gearbeitet, die Zulassung von Hardware-Nachrüstungen zu ermöglichen. Noch liege aber „kein einziges Konstrukt vor, das um Zulassung gebeten hat“, so Merkel.

Gemäß EU-Recht gilt für die Luft in den Städten ein Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter. 65 Städte halten diese Vorgabe nicht ein, davon 15 deutlich – dort liegen die Werte oberhalb von 50 Mikrogramm. Die Bundesregierung will das Bundes-Immissionsschutzgesetz ändern und klarstellen, dass Fahrverbote in der Regel nicht verhältnismäßig sind, wenn die Werte im Jahresdurchschnitt 50 Mikrogramm nicht übersteigen. In diesem Fall sollen Gerichte also keine Fahrverbote verhängen. Denn, so glaubt die Bundesregierung, der 40-Mikrogramm-Grenzwert könne auch mit den bestehenden Förderprogrammen erreicht werden.

Nach Ansicht von Frank Baranowski, dem Vorsitzenden der sozialdemokratischen Kommunalvereinigung Bundes-SGK, reichen die beschlossenen Maßnahmen nicht aus, um Fahrverbote in vielen Städten zu verhindern. Die Regierung stehe weiter in der Pflicht, für Hardware-Nachrüstungen auch bei Diesel-PKW und deren Finanzierung durch die Automobilindustrie zu sorgen. „Ohne Nachrüstung auch bei Diesel-PKW – in ganz Deutschland – wird es nicht gehen. Hier muss es endlich eine Einsicht bei der Bundeskanzlerin und dem Bundesverkehrsminister geben”, so Baranowski.

(Aktualisiert am 04.12.2018, 12;15 Uhr)

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