Grundsteuer-Urteil

Bundesverfassungsgericht: Grundsteuer verfassungswidrig

Christian RathKarin Billanitsch10. April 2018
Das geltende System der Grundstücksbewertung bei der Grundsteuer ist verfassungswidrig.
Der Bund muss die Grundsteuer neu regeln. Die bisherige Regelung ist verfassungswidrig, entschied an diesem Dienstag das Bundesverfassungsgericht. Wer belastet wird und wer entlastet, muss nun die Politik entscheiden. Karlsruhe setzte eine Frist bis Ende 2019.

Das Bundesverfassungsgericht hat am heutigen Dienstag entschieden, dass die Grundsteuer nicht mehr verfassungsgemäß ist. Die seit Jahrzehnten veralteten Grundstückswerte dürfen nur noch übergangsweise – höchstens bis zum Jahresende 2024 – verwendet werden. Bereits vorher, nämlich bis zum 31. Dezember 2019, müssen Bund und Länder die Grundsteuer neu regeln.

Falls der Bund die komplizierte Reform nicht rechtzeitig fertig bekommt, haben Städte und Gemeinden ein massives Problem. Die Grundsteuer bringt den Kommunen jährlich 13 bis 14 Milliarden Euro Einnahmen. Es ist die drittwichtigste Einnahmequelle der Kommunen, nach der Gewerbesteuer und dem Gemeindeanteil der Einkommenssteuer. Dass die Grundsteuer verfassungswidrig ist, zeichnete sich schon im Januar nach der mündlichen Verhandlung ab. Die Kommunen hatten schon im Vorfeld auf eine Reform gedrängt. In der Diskussion sind mehrere Modelle zur Reform der Grundsteuer.

Richter: Schon seit mindestens 2002 ist die Berechnung verfassungswidrig

Für die Bundesregierung sicherte Finanzstaatssekretärin Christine Lambrecht (SPD) zu, dass das Aufkommen der Steuer im Interesse der Kommunen erhalten bleiben soll. Die Forderung des CDU-Mietrechtsexperten Jan-Marco Luczak, dass Mieter und Eigentümer nicht zusätzlich belastet werden, lässt sich damit zumindest nicht für alle umsetzen. Denn wenn manche entlastet werden, müssen andere mehr belastet werden, um das Aufkommen für die Kommunen stabil zu behalten.

Am alten System bemängelte das Bundesverfassungsgericht vor allem die Verzerrungen bei der Festellung des Wertes von Flächen und Immobilien. Der Versuch, den Verkehrswert mit uralten Einheitswerten abzubilden, verfehle den Verkehrswert „generell und vollständig”, sagte Ferdinand Kirchhof, der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts. Schon seit mindestens 2002 sei die Berechnung der Grundsteuer verfassungswidrig.

Kommunale fordern zügige Reform

Die kommunalen Spitzenverbände haben nach dem Urteil unisono eine zügige Reform der Grundsteuer gefordert. „Was lange zu erwarten war, ist jetzt eingetreten: Die Grundsteuer ist in der bisherigen Form unvereinbar mit dem Grundgesetz. Jahrelang haben die Kommunen eine Reform gefordert, jetzt werden Bund und Länder vom Verfassungsgericht dazu verpflichtet“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Gerd Landsberg erklärte: „Die Grundsteuer muss nun endlich auf eine neue gerechte und rechtssichere Grundlage gestellt werden.“ Und der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages Hans-Günter Henneke kritisierte am Rande der Jahrestagung seines Verbandes in Wiesbaden: „Wir sind zu viele Jahre in diesem Thema nicht voran gekommen.“ Erreicht werden müsse ein gerechteres System der Grundstücksbewertung.

Die Bundes-SGK, die sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik, richtete an den Gesetzgeber den Appell, unverzüglich zu handeln, um die Grundsteuer und ihr Aufkommen für die Kommunen nicht zu gefährden. „Jede weitere Verzögerung wäre ein nicht hinnehmbares finanzpolitisches Fiasko“, heißt es in der Mitteilung. Die Bundes-SGK verwies weiter auf den Koalitionsvertrag der Regierungsparteien im Bund, in dem es heißt: „Die kommunalen Steuerquellen werden wir sichern. Die Grundsteuer ist eine unverzichtbare Einnahmequelle der Kommunen. Diese wird unter Beachtung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, der Sicherung des derzeitigen Aufkommens sowie unter Beibehaltung des kommunalen Hebesatzrechtes neu geregelt.“

Städtetag plädiert für Bundesrats-Modell

Bund und Länder müssten jetzt umgehend die gesetzliche Grundlage schaffen, damit die Länder möglichst schnell mit der Neubewertung aller rund 35 Millionen Grundstücke in Deutschland beginnen können, forderte Städtetags-Hauptgeschäftsführer Dedy. Nur so könne noch erreicht werden, die Grundsteuer durchgängig zu erheben und vorübergehende riesige Steuerausfälle für die Kommunen zu vermeiden. Die Länder haben bisher geschätzt, dass diese Reform sechs bis zehn Jahre braucht. Darüber hinaus fordert der Deutsche Städtetag von Bund und Ländern eine „Zusage, dass den Kommunen notfalls alle – auch nur vorübergehende – Grundsteuer-Ausfälle vollständig ersetzt werden“.

Der Deutsche Städtetag sieht eine geeignete Grundlage für eine Reform der Grundsteuer im Bundesrats-Modell aus dem Herbst 2016. Dieses Modell ließe sich nach Einschätzung kommunaler Steuerexperten zügig umsetzen, weil hierfür bereits ein ausgereifter Gesetzentwurf sowie detaillierte Maßnahmenpläne vorliegen. Folgen Bund und Länder diesem Vorschlag, würden unbebaute Grundstücke mit dem jeweiligen Bodenrichtwert bewertet. Bei bebauten Grundstücken käme der Wert des Gebäudes hinzu.

Die Richter selbst gaben sich ganz neutral: Der Gesetzgeber habe einen weiten Gestaltungspielraum bei der Grundsteuer. Er könne versuchen, das alte System zu reparieren oder aber ein ganz neues beschließen.

Berechnung der Grundsteuer

Derzeit erfolgt die Berechnung der Grundsteuer in drei Schritten.

Zunächst wird der Wert des Grundstücks bestimmt. In Westdeutschland liegen der Berechnung Einheitswerte von 1964 zugrunde, in Ostdeutschland stammen die Einheitswerte sogar von 1935. Dieser Wert wird mit einer Steuermesszahl - je nach Art der Bebauung  - multipliziert. Im dritten Schritt wird dieser Betrag nun mit einem Hebesatz multipliziert, den die örtliche Kommune festlegt. Die Hebesätze unterscheiden sich stark und stiegen in letzter Zeit deutlich an.

Eigentlich wollte der Bund die Einheitswerte alle sechs Jahre aktualisieren. Weil dies zu aufwändig schien, wurde darauf jedoch verzichtet. Je nach Lage des Grundstücks konnte sich der Wert in den nachfolgenden Jahrzehnten so ganz unterschiedlich entwickeln, etwa wenn das eine Dorf ländlich blieb und das andere in die Stadt eingemeindet wurde, weshalb dann die Grundstückpreise explodierten. Bei der Grundsteuer konnte das aber nicht berücksichtigt werden. Selbst Neubauten wurde so bewertet, als wären sie 1964 bzw 1935 erstellt worden.

Für diese Verzerrung gab es keine Rechtfertigung, so die Richter des Bundesverfassungsgerichts. Sie verstieß gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes.

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