Weiter Spannung um Diesel-Fahrverbote

Bundesverwaltungsgericht vertagt Entscheidung zu Fahrverboten

Christian Rath22. Februar 2018
Verkehrsstau in Berlin
Verkehrsstau in Berlin: Die hohe Stickoxid-Belastung in zahlreichen Städten zwingt die Politik zum Handeln.
Erst am kommenden Dienstag wird das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entscheiden, ob Diesel-Fahrverbote ohne spezielle gesetzliche Grundlage möglich sind. Die Entscheidung ist auch nach der viereinhalbstündigen Verhandlung an diesem Donnerstag noch völlig offen. Das Gericht sieht zwar Handlungsbedarf, will aber auch die Verhältnismäßigkeit wahren.

Ausgangspunkt des Streits sind die schlechten Luftwerte in vielen deutschen Städten. Schon seit Jahren werden die Grenzwerte für Stickoxide (NOx) weithin Überschritten. Die jeweiligen Bundesländer mussten Luftreinhaltepläne aufstellen. Doch obwohl klar ist, dass alte Diesel-Fahrzeuge einen großen Anteil an der Stickoxid-Belastung haben, sieht keiner dieser Pläne entsprechende Fahrverbote vor. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) führt deshalb bereits 19 Prozesse, um eine Verschärfung der jeweiligen Luftreinhaltepläne zu erreichen.

Keine Grundlage für Fahrverbote?

Bei den Verwaltungsgerichten in Düsseldorf und Stuttgart hatte die DUH Erfolg. Den Ländern Nordhein-Westfalen und Baden-Württemberg wurde die Einführung von Fahrverboten für ältere Dieselfahrzeuge in Düsseldorf und Stuttgart nahegelegt. Dies sei die einzige effektive Maßnahme zur Einhaltung der Grenzwerte.

Beim BVerwG geht es nun auschließlich um die Frage, ob die Länder solche Diesel-Fahrverbote einführen können. Die beiden Landesregierungen argumentierten, es sei ihnen aus rechtlichen Gründen unmöglich, die Urteile der Gerichte in Düsseldorf und Stuttgart umzusetzen. Es gebe weder eine gesetzliche Grundlage für solche Fahrverbote noch gebe es passende Verkehrsschilder.

Länder argumentieren mit blauer Plakette

Beide Länder verwiesen auf den Bund. Nach der Konzeption des Bundesimmissionsschutzgesetz müsse die Bundesregierung die Frage von Fahrverboten bundeseinheitlich regeln. So wie der Bund 2005 Umweltzonen eingeführt habe, die man nur mit roten, gelben oder grünen Plaketten befahren darf, müsse er jetzt eine blaue Plakette für Fahrzeuge einführen, die auch aktuellen Anforderungen genügen.

Die Deutsche Umwelthilfe will den Bund zwar auch nicht aus der Pflicht entlassen. „Aber es kann nicht sein, dass gar nichts passiert, weil der Bund untätig bleibt“, so DUH-Anwalt Remo Klinger, dann müssten eben die für Luftreinhaltung zuständigen Länder handeln. Das deutsche Recht müsse im Licht des EU-Rechts ausgelegt werden, weil die Luftgrenzwerte auf einer EU-Richtlinie beruhen. „Der Europäische Gerichtshof würde es nicht akzeptieren, wenn Deutschland weiter die Gesundheit der Bürger beeinträchtigt, weil es noch kein passendes Verkehrsschild gibt“, so Klinger.

Wann sind Diesel-Fahrverbote verhältnismäßig?

Dieser Argumentation wird wohl auch das Bundesverwaltungsgericht folgen. Denoch ist noch nicht sicher, ob die Urteile aus Düsseldorf und Stuttgart bestehen bleiben. Der Vorsitzende Richter Andreas Korbmacher stellte vielmehr die Frage, ob solche Fahrverbote mit dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit vereinbar sind.

Nach Ansicht der Länder sind Fahrverbote jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn sie auch neuere Dieselfahrzeuge erfassen. „Wenn ein drei Jahre altes Fahrzeuge völlig entwertet wird, muss eine Entschädigung gezahlt werden“, so Wolfram Sandner der Anwalt von Baden-Württemberg, Immerhin wolle das VG Stuttgart auch Diesel-PKW in das Fahrverbot einbeziehen, die die bis 2015 geltenden Zulassungsnorm Euro 5 erfüllen. „Allerdings gibt es bisher keine Entschädigungsregelung“, so der Landes-Anwalt. Richter Korbmacher will die Verhältnismäßigkeit eventuell durch eine zeitliche Staffelung des Fahrverbots sichern. Es würde dann zunächst nur ältere Fahrzeuge treffen.

Der fünfköpfige Senat am Bundesverwaltungsgericht hat aber noch Diskussionsbedarf und verschob sein Urteil auf kommende Woche.

Stellungnahme des Städtetages zu möglichen Diesel-Fahrverboten

Der Deutsche Städtetag rechnet nach dem Diesel-Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts nicht mit kurzfristigen Fahrverboten. Im Folgenden dokumentieren wir eine Presseerklärung des Städtetags vom 22. Februar 2018:

„Falls die Richter Fahrverbote für zulässig erklären, sind die Länder gefragt, ob und wie sie die Luftreinhaltepläne anpassen", sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der "Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Donnerstagsausgabe). Der Richterspruch werde in jedem Fall Signalwirkung für die weitere Debatte um saubere Luft haben. „Mit dem Urteil werden aber keine Sperrungen in Städten angeordnet werden“, stellte Dedy klar. Diese Rolle habe das Bundesverwaltungsgericht nicht.

Wenn es zu Fahrverboten komme, müssten auch Ausnahmereglungen, zum Beispiel für Rettungsdienste, Handwerker und Lieferverkehr geregelt werden, betonte Dedy. Damit die Schadstoff-Emissionen tatsächlich deutlich sinken, sieht der Deutsche Städtetag aber vor allem die Automobilindustrie in der Pflicht. „Denn im Verkehr in der Stadt verursachen Diesel-PKW bis zu drei Viertel der Stickoxide. Wenn die Software-Updates nicht ausreichen, um die Grenzwerte an den Mess-Stationen in den Städten einzuhalten, muss die Autoindustrie zu Hardware-Nachrüstungen verpflichtet werden - und diese auch finanziell tragen“, forderte der Hauptgeschäftsführer des Städtetags.

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