Kommunalwahl Rheinland-Pfalz

CDU-Hochburg erobert: Mit Klimaschutz und zuhören für die SPD zur Ortsvorsteherin

20. Juni 2019
Tatiana Herda Muñoz ist neue Ortsvorsteherin im Mainzer Stadtteil Hechtsheim.
Tatiana Herda Muñoz ist am Sonntag zur Ortsvorsteherin von Mainz-Hechtsheim gewählt worden. Ein Amt, das in einem konservativ geprägten Stadtteil 45 Jahre lang die CDU inne hatte. Im Interview spricht sie über ihren Wahlerfolg und was die SPD daraus lernen kann.

Nach 45 Jahren in einem CDU-dominierten Stadtteil zur Ortsvorsteherin gewählt zu werden gleicht ja ein bisschen einer Revolution. Haben Sie Ihren Erfolg schon realisiert?

So langsam schon, weil mir immer mehr Menschen schreiben, dass es ein historischer Tag für Hechtsheim war. Auch die lokale Zeitung hat von einer Revolution hier in Mainz geschrieben. Es freut mich sehr, dass mein Wahlsieg mit solchen Begriffen in Verbindung gebracht wird. Das ist schon etwas Besonderes.

Wie waren denn die Reaktionen am Wahlabend?

Es gab viele fröhliche und überraschte Gesichter. Ich bin auf dem Feuerwehrfest, auf dem wir gefeiert haben, von Bierbank zu Bierbank gereicht worden und es wurde auch für mich gesungen. Es war ein total schöner Moment für uns alle im SPD-Ortsverein.

Während des Wahlkampfs hatten Sie es als Ziel ausgegeben, die Stichwahl zu erreichen. Was war entscheidend, dass Sie die nun sogar gewonnen haben?

Auf jeden Fall die Lust zuzuhören. Wir haben auf Empathiefähigkeit gesetzt und darauf, erst einmal den Menschen zuzuhören, bevor man sie überzeugen möchte. Laurin Scheuer und ich haben im Januar zu zweit eine Strategie entwickelt, die wir sehr konsequent verfolgt haben. Auch wenn wir damit zum Teil im Ortsverein auf Widerstände gestoßen sind. Bei den Haustürbesuchen haben wir uns bewusst an Informationen des Landesverbands orientiert, wo wir noch Potenzial ausschöpfen können.

Welche Rolle spielte das Thema Klimschutz in Ihrem Wahlkampf?

Inhaltlich haben wir auf die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN gesetzt. Das war unser roter Faden. Das haben wir immer mit kommunalen Themen verbunden, die gerade brennen. Diese Mischung hat es letztendlich ausgemacht. Es ging immer darum, pragmatische Lösungen für konkrete Probleme zu finden, aber diese als klimafreundliche Alternative anzubieten.

Erfolgreiche Sozialdemokratinnen unter sich: Tatiana Herda Muñoz und die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz Malu Dreyer
Erfolgreiche Sozialdemokratinnen unter sich: Tatiana Herda Muñoz und die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz Malu Dreyer

Sie sind erst Ende 2016 in die SPD eingetreten und somit relativ neu in der Partei. War es für Sie ein Vorteil, den Wahlkampf mit einem etwas frischeren Blick anzugehen?

Das auf jeden Fall. Als wir uns die Strategie überlegt haben, sind wir den Wahlkampf komplett anders angegangen, weil wir vorher noch nie eine Planung mitbekommen hatten. Es hat schon sehr geholfen, dass wir komplett von außen kamen und somit den Wahlkampf nicht so geführt haben, wie man es schon immer gemacht hat. Wir haben fast komplett auch auf klassische Elemente wie Wahlkampfstände verzichtet und nur sehr wenige Give-Aways gehabt.

Die CDU hat im Wahlkampf eine Negativkampagne gegen Sie gefahren und mit den Worten „Damit Hechtsheim noch Hechtsheim bleibt“ für Ihren Kandidaten geworben. Wie sind Sie damit umgegangen?

Diese Kampagne hatte den implizierten Subtext, dass mit mir Hechtsheim nicht Hechtsheim bleiben würde. Das führt dazu, dass Ängste geschürt und Ressentiments bedient werden, die gefährlich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sind. Deswegen habe ich dazu Stellung bezogen, um dafür zu sensibilisieren, dass wir auch online gesellschaftsaufbauend tätig sein müssen. Mit einem solchen Sprachgebrauch sorgt man dafür, dass Gräben entstehen. Sobald es darum geht, Menschen voneinander zu unterscheiden in echte Hechtsheimer, die in eine Heimat gehören, und solche, die es nicht sind, mache ich mir gerne die Arbeit, auch in die Konfrontation zu gehen.

Wie sehr freuen Sie sich nun auf Ihre neue Aufgabe als Ortsvorsteherin?

Ich freue mich total darauf, weil ich gerne pragmatisch Projekte mit verschiedenen Interessensgruppen auf die Beine stelle. Ich freue mich auch, dass es nicht mehr als Wahlkampfmanöver gesehen wird, wenn ich auf Einzelhändler, Gewerbetreibende oder Landwirte zugehe. Jetzt kann ich das als Ortsvorsteherin tun, die mit ihnen gemeinsam einen guten, nachhaltigen und zukunftsfähigen Stadtteil aufbauen will. Ich habe jetzt gezeigt, dass man auch anders Wahlkampf machen und mit dieser Strategie erfolgreich sein kann. Damit kann man auch parteiintern überzeugen.

Aber Hechtsheim bleibt jetzt trotzdem Hechtsheim?

Ja, ich denke schon. Ich hatte nicht vor, Hechtsheim umzubenennen. Der Name hat sich bewährt.

Das Interview ist zuerst auf vorwaerts.de erschienen

weiterführender Artikel