Interwiew mit Sven Schulze

Chemnitz: „Die Unsicherheit durch die Corona-Pandemie ist das größte Problem“

Karin Billanitsch19. Oktober 2020
Der rote Turm, ein Wahrzeichen der Stadt Chemnitz. Sven Schulze sieht die Kulturhauptstadtbewerbung als Chance, um kulturelle und wirtschaftliche Impulse zu setzen.
In den ersten 100 Tagen will der zum neuen Oberbürgermeister von Chemnitz gewählte Sven Schulze einen Fahrplan erstellen, um wichtige Vorhaben auf den Weg zu bringen wie Digitalisierung und wirtschaftliche Entwicklung der Stadt. Erschwert werde das durch die Corona-Lage, so der designierte OB im Gespräch.

Was sind die wichtigsten Vorhaben in den ersten 100 Tagen? Welche Weichen gilt es, neu zu stellen?

Ich erstelle in den nächsten Tagen mit meinem Team und einigen engagierten Personen aus der Stadtverwaltung einen Fahrplan, damit wir zügig langfristige Projekte, wie die Digitalisierung angehen und einige wichtige Vorhaben, wie die Einberufung eines Wirtschaftsbeirates, umsetzen können. In jedem Fall gilt es, wenig Zeit zu verlieren, da wir mitten in einem wirtschaftlichen Transformationsprozess stecken und die Corona-Lage alles zusätzlich erschwert.

Als bisheriger Finanzdezernent wissen Sie, wie sehr die Corona-Krise die Stadt belastet: Wo liegen hier die größten Probleme? 

Die Unsicherheit durch die Corona-Pandemie ist das größte Problem. Weder wir als Stadt können mit einer wirtschaftlichen Entwicklung planen noch können es die Unternehmen. Gerade im Außenhandel gibt es Unterbrechungen von Warenketten, wann und wie die Wirtschaft wieder anläuft, ist ungewiss. Mit dieser Ungewissheit müssen wir leben und zugleich Impulse als Stadt setzen, dass zukunftsfähige Unternehmen in Chemnitz entstehen. Allerdings wird das bei einer angespannten Haushaltslage ein schwieriges Unterfangen.

Gesellschaftlicher und sozialer Zusammenhalt waren Themen, die Sie im Wahlkampf besonders betont haben. Was kann die Stadtpolitik dafür tun, um die Gräben in der Gesellschaft zu überbrücken?

Da müssen wir als Parteien anfangen. Wir müssen uns offen zeigen für Entwicklungen und Bündnisse, die je nach Projekten unterschiedlich sein können. Ich wurde beispielsweise von der FDP im Wahlkampf unterstützt. Das ist ungewöhnlich, aber durchaus sinnvoll, wenn man gemeinsam etwas für Chemnitz erreichen möchte. Trotzdem reagierten einige empört, als würden wir den Sozialstaat abschaffen wollen. Ich möchte aber mehr überparteiliche Bündnisse mit den demokratischen Parteien schmieden. In einem Stadtrat, in dem der Druck von rechts groß ist, muss man als Demokrat zusammenstehen und nicht sich gegenseitig bekriegen. Nur so entstehen die besten Ergebnisse für unsere Stadt.

Wie wichtig ist dabei das Rennen um die Kulturhauptstadt Europas 2025?

Die Kulturhauptstadtbewerbung ist für uns eine Chance, um kulturelle und wirtschaftliche Impulse zu setzen. Aber auch um zu zeigen, was Chemnitz und das Umland alles zu bieten hat. 

Schon jetzt engagieren sich einige Menschen mit so viel Leidenschaft. Viele andere können aber mit der Bewerbung noch gar nichts anfangen. Auch hier muss die Bevölkerung mehr eingebunden sein. Niemand hat gefragt, was die Chemnitzer unter Kultur verstehen und was sie wollen. Es entstehen schon jetzt viele streitbare Projekte von Künstlern aber noch zu wenige Sachen fürs Herz und die gute Laune. Aber auch die braucht es, um alle Menschen mitzunehmen, um Begeisterung zu wecken und vor allem, um zu erleben, wie schön eine Kulturhauptstadt sein kann.

 

Zur Person

Sven Schulze wird von Mitte November an den höchsten Rathausposten in Chemnitz übernehmen. Der 48-Jährige Sozialdemokrat lebt  seit seiner Jugend in der Stadt. Hier habe er sein Abitur absolviert und an der Technischen Universität das Diplom als Kaufmann erworben.

Schulze war seit 1997 in der Privatwirtschaft tätig bei einem Energieunternehmen, wo er Führungserfahrung als leitender Angestellter, Bereichsleiter und Prokurist erwarb. Seit August 2015 ist er Finanzbürgermeister und Kämmerer in Chemnitz. Er folgt auf Barbara Ludwig.

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