VKU-Vize Patrick Hasenkamp

CO2-Preis auf Müll: „Ohne Abfallverbrennung wird es nicht gehen”

Carl-Friedrich Höck08. Mai 2023
Porträtfoto Patrick Hasenkamp
Patrick Hasenkamp ist Vizepräsident des VKU.
Abfallverbrennung wird teurer, denn ab dem kommenden Jahr wird darauf eine CO2-Abgabe fällig. VKU-Vizepräsident Patrick kritisiert die Regelung im Interview und erklärt, warum sie aus seiner Sicht dem Klimaschutz nicht dient.

Patrick Hasenkamp ist Leiter der „AWM Abfallwirtschaftsbetriebe Münster” und Vizepräsident des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU). Dort sind mehr als 1.500 Unternehmen aus den Bereichen Energieversorgung, Wasser- und Abwasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Stadtreinigung sowie Telekommunikation organisiert.

DEMO: Das 2019 in Kraft getretene Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) regelt, dass für Treibhausgas-Emissionen aus Brennstoffen ein Preis gezahlt werden muss. Ab dem kommenden Jahr soll dieser CO2-Preis auch für Siedlungsabfälle gelten. Welche Folgen hätte das für die Unternehmen in Deutschland?

Patrick Hasenkamp: Die Folgen des BEHG wirken unmittelbar am Tor der Verbrennungsanlagen, die wir betreiben. Das heißt: Über die entsprechenden Anteile an fossilen Materialien, die dort verbrannt werden, wird der staatliche Steuersatz auf die Verbrennungskosten umgelegt werden. Das wird nach unserer ersten Berechnung etwa 14 Euro pro Tonne ausmachen – allerdings mit steigender Tendenz, gestaffelt nach einer sogenannten Preistreppe.

Was heißt das für den Verbraucher oder die Verbraucherin?

Grob gerechnet: Wenn ein Bürger oder eine Bürgerin im Jahr 400 Kilogramm Abfall produziert, liegt der CO2-Preis bei etwa fünf Euro pro Kopf.

Das klingt nicht nach sehr viel.

Das klingt auf den ersten Blick vielleicht nicht nach viel. Aber auch – zunächst – 20 Euro mehr Gebühren im Jahr für einen Durchschnittshaushalt mit vier Personen sind für viele Menschen Geld, das sie gerade in Zeiten hoher Inflation und hoher Energiekosten an anderer Stelle dringend brauchen.
Zudem handelt es sich um eine Abgabe, die aus unserer Sicht nicht erforderlich ist, da sie die gewünschte Lenkungswirkung nicht hat – und auch nicht haben kann.

Die Bürgerinnen und Bürger werden hier vielmehr buchstäblich für ihren Müll bestraft, obwohl sie oft gar keine Auswahlmöglichkeit haben. Ein Beispiel: Corona hat zu neuen Abfällen wie Masken oder medizinischen Tests geführt. Die Wattestäbchen und Flüssigkeiten können gar nicht recycelt werden. Oder denken Sie an die Abfälle, die durch Folgen des Klimawandels entstehen. Infolge der Flut an der Ahr und in der Eifel sind hunderttausende Tonnen Abfall zusätzlich angefallen. Die mussten dann in verschiedene Müllverbrennungsanlagen bis in die Niederlande oder nach Norddeutschland gebracht werden – und zwar schnell, schon aus hygienischen Gründen.

Sie sagten eben, der CO2-Preis könne keine Lenkungswirkung haben. Sehen Sie diese nicht doch perspektivisch? Also dass der CO2-Preis zu mehr Recycling motivieren oder das Verhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher beeinflussen kann?

Der VKU unterstützt jederzeit einen praxisgerecht ausgestalteten Klimaschutz. Aber durch das BEHG auf Siedlungsabfälle wird nicht weniger Müll erzeugt – denn auch wenn seine Entsorgung teurer wird, wird nach dem 1.1.2024 immer noch gleich viel Müll entstehen und entsorgt werden müssen. Es muss vielmehr um Abfallvermeidung gehen, um Ökodesign, eine längere Nutzungsdauer, Wiederverwendung und, Sie sprechen es an, um besseres Recycling.

Ohne einen gewissen Anteil Abfallverbrennung wird es nicht gehen. Das ist der Politik in Bund und Land, aber auch den Fachleuten in den Bundesministerien bewusst. Es gibt immer Materialien – wie infektiöser Restmüll, Krankenhausabfälle, nicht recycelbare Sortierreste etc. – die nicht in einem stofflichen oder chemischen Recycling verwertet werden können – wobei das chemische Recycling noch ein Zukunftsthema für die Branche ist. Und für das stoffliche Recycling brauchen wir sortenreine Materialien. Deshalb können unsere Anlagen das nur leisten, wenn sie auch den restlichen Kohlenstoff, der im Abfall übrigbleibt, verbrennen und so für die Energieerzeugung nutzen.

Gemischte Abfälle können entweder auf Deponien entsorgt oder verwertet werden – dazu gehört auch die thermische Verwertung. Deponien haben wir in Deutschland aus gutem Grund verboten. Das hier freiwerdende Methan ist wesentlich klimawirksamer als das CO2, das aus all unseren Prozessen der Energieverwendung resultiert. Deshalb ist das Thema so komplex.

Die Energierückgewinnung ist der nachhaltigste Umgang mit Restabfällen. Bei der Verbrennung von nicht hochwertig recycelbaren Siedlungsabfällen handelt es sich um unvermeidbare Abwärme, da die Abfälle zwingend hygienisch und umweltsicher entsorgt werden müssen, und damit um eine klimaschonende heimische Energiequelle durch die Rückgewinnung als Strom, Fernwärme und Industrieprozessdampf.

Welche Möglichkeiten haben Abfallunternehmen dann überhaupt, um ihren CO2-Ausstoß zu senken?

Es gibt erste Beispiele, wie am Schornstein in der Abgasreinigung noch CO2 abgeschieden werden kann. Da stehen wir in Deutschland noch am Anfang der Entwicklung, im Ausland ist man schon ein bisschen weiter. Das CO2 muss auch nicht unbedingt unter dem Meer verpresst werden, wie man das in Skandinavien plant. Man kann es aufbereiten und im Agrikulturbereich oder in der chemischen Industrie wieder als Grundstoff einsetzen.

Was uns auch beschäftigt ist die Frage, was wir mit dem Strom und der Wärme machen, die eine thermische Abfallanlage bringt. Man kann damit zum Beispiel Wasserstoff produzieren und so überschüssigen Strom, der gerade nicht ins Netz eingespeist werden kann, sinnvoll nutzen. Wasserstoff lässt sich auch unmittelbar aus biogenen Reststoffen gewinnen. Und als Unternehmen können wir unsere Fuhrparks elektrifizieren und auf alternative Antriebe umstellen.

Sie haben deutlich gemacht, dass die kommunalen Abfallunternehmen mit der geplanten CO2-Bepreisung nicht glücklich sind. Wie könnte eine bessere Regelung aussehen?

Wir sind grundsätzlich nicht gegen den CO2-Preis. Viel sinnvoller aber wäre ein CO2-Preis, der bei den Herstellern von (Einweg-)Kunststoffprodukten ansetzt. Dies würde tatsächlich die Herstellung von Kunststoffprodukten und den Einsatz fossilen Kohlenstoffs reduzieren.

Wir brauchen aber faire Wettbewerbsbedingungen innerhalb von Europa. Es sollten also im europäischen Wirtschaftsraum – besser noch global – alle Marktteilnehmenden gleich belastet werden. Andernfalls kann es zum sogenannten Carbon Leakage kommen. Dann gehen unsere Gewerbeabfälle nicht durch unsere technisch hocheffizienten Anlagen, weil das zu teuer ist, sondern werden ins Ausland exportiert, beispielsweise in die Türkei oder nach Asien, werden einfach vorsortiert und landen im Ergebnis zu erheblichen Anteilen auf Deponien. Damit ist dem Klima natürlich nicht geholfen.

Wir haben in der Diskussion zum BEHG vehement darauf hingewiesen, dass wir eine europäische Regelung brauchen. Die wird aber nicht im nächsten Jahr kommen, weil die EU richtigerweise erst eine Folgenabschätzung machen will, wie sich der Handel mit Emissionszertifikaten (ETS und ETS2) auf die unterschiedlichen Bereiche auswirkt. Dazu gehören dann auch die Deponien. Solange das noch nicht vorliegt, sind wir strikt gegen eine nationale Sonderregelung. Leider wird sie aber auf uns, die Anlagenbetreiber und letztlich alle Gebührenzahlenden, aber ab dem kommenden Jahr zukommen.

 

Das Interview wurde auf dem „Bundeskongress der kommunalen Abfallwirtschaft und Straßenreinigung 2023” in Berlin geführt.

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