Report Wirtschaftsförderung und Standortpolitik

Wie Coburg zur „digitalen Einkaufsstadt” wird

Norbert Tessmer09. Oktober 2017
Digitales Coburg
Digitale und reale Welt verbinden: Einzelhändler der Stadt Coburg präsentieren sich im Internet, um im echten Leben erfolgreich zu bleiben.
Der Einzelhandel verändert sich, Kunden informieren sich und kaufen zunehmend im Internet. Wie können Stadt und lokale Wirtschaft darauf reagieren? Coburg sucht als Modellstadt nach Wegen.

Coburg ist neben Günzburg und Pfaffenhofen an der Ilm eine von drei Städten für das Modellprojekt „Digitale Einkaufsstadt“ des bayerischen Staatsministe­riums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie. Seit eineinhalb Jahren läuft die Unterstützung durch ein Expertengremium, damit der digitale Wandel in der Stadt und vor allem bei den ansässigen Händlern effizienter umgesetzt werden kann.

Handelsstandort im Wandel

Die Stadt Coburg ist mit ihren 41.000 Einwohnern ein wichtiges Bindeglied zwischen Oberfranken und Südthüringen. Der Einzugsbereich als Oberzentrum umfasst rund 300.000 Einwohner. Damit übernimmt Coburg auch als Handels­standort eine zentrale Rolle.

Trotz guter Rahmenbedingungen ist in der Vestestadt der laufende Strukturwandel im Bereich des Einzelhandels spürbar: Kunden ändern zunehmend ihr Einkaufsverhalten und nutzen das Internet stärker als Informations- und Bezugsquelle. Wie sollen lokale Händler darauf reagieren? Bei einigen Unternehmern lösen schon Begriffe wie „Multi-Channeling“ oder „Big Data“ Unmut oder Hilflosigkeit aus. E-Commerce und digitale Innovationen im Internet bergen für sie mehr Herausforderungen als zukunftsweisende Chancen. Was braucht man wirklich, um im digitalen Zeitalter mit seinen Ideen und Verkaufsvorstellungen zu bestehen? ­Viele Händler wenden sich hilfesuchend an Partner in den städtischen Abteilungen. Wie kann eine Zusammenarbeit aus­sehen und welcher Weg ist für Stadt und ­Handel der aussichtsreichste?

Der Wandel führt zu Ängsten

„Der anhaltende Strukturwandel im Bereich des Handels erfordert mehr und mehr die effiziente Verknüpfung verschiedener Kanäle, on- wie offline, und stellt den lokalen, mittelständischen und insbesondere den inhabergeführten Einzelhandel in den Innenstadtlagen vor ­eine immense Herausforderung, was nicht zuletzt Ängste sowie Abwehrhaltungen hervorbringt“, weiß Karin ­Engelhardt als Leiterin der Stabsstelle für E-Government der Stadt Coburg. In Coburg gebe es viele Beteiligte im digitalen Prozess, die die Stadt in Bewegung halten. Neben jungen Digitalen und erfahrenen E-Commerclern gebe es auch Verzagte, denen es schwerfällt, sich für Neues zu öffnen.

Es gibt aber auch Lokalpatrioten, Stadtbummler, alte und junge Online-Shopper und das städtische Citymanagement sowie die Stadt Coburg mit all ihren technischen Möglichkeiten und Handlungsspielräumen. „Bei uns beschäftigen sich viele Akteure und Experten mit dem digitalen Wandel. Es gibt sehr unterschiedliche Seiten der digitalen Einkaufsstadt“, erklärt Karin Engelhardt. So haben Vertreter der Wirtschaftsförderung, des Stadtmarketings, der Industrie- und Handelskammer zu Coburg, des Bauamtes sowie zahlreiche Händler vor Ort erkannt, dass es besser ist, sich gemeinsam mit dem Thema ­E-Commerce auseinanderzusetzen. Grundlage dazu war die Teilnahme am Wettbewerb um das ­Modellvorhaben „Digitale Einkaufsstadt Bayern“ des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie, den die Stadt 2015 zusammen mit zwei weiteren bayerischen Kommunen, gewann.

Keine Lösung passt für alle

Noch bis Ende dieses Jahres wird Coburg als Modellstadt auf dem Weg zur „Digitalen Einkaufsstadt“ begleitet. Ziel des Projektes ist es, den Einzelhandel mit einer effizienten Verknüpfung von stationärem und Online-Handel fit für die digitale Zukunft zu machen. In Zusammenarbeit mit den lokalen Händlern wurden Lösungen kreiert, die sich an den Bedürfnissen vor Ort orientieren. „Nicht für jeden Händler steckt die Lösung des Problems in der Schaffung eines Online-Shops. Ganz bewusst setzt man in Coburg daher nicht auf von oben ‚aufoktroyierte‘, vorrangig technologiegetriebene ‚One-size-fits-all‘-Lösungen wie ein ‚Online-Warenhaus‘ mit gemeinsamem Warenkorb, sondern auf die Aktivierung von Personen und lokalen Netzwerken“, so Karin Engelhardt.

Ein Expertenteam entwickelte die Internetseite „GoCoburg“ (www.gocoburg.de), auf der sich Handel, Gastronomie und Dienstleistungen der Stadt präsentieren. Die vielfältigen Beiträge werden auf zahlreichen Kanälen (wie F­acebook oder ­Instagram) verbreitet und informieren so die Verbraucher über die Angebote. „Wichtig ist es, auf irgendeine Weise im Netz präsent zu sein, Angebote zu machen, um Kunden zu erreichen und zu halten“, erläutert Andreas Kücker, Geschäftsführer der Coburger Agentur Klickfeuer und Betreiber von „GoCoburg“.

Zusammenfassend gilt: Es gibt keine generelle Lösung für eine Stadt und ihre Händler, sondern viele verschiedene Ansätze. Im Vordergrund steht das spezifische Zusammenspiel aus on- und offline. Die Händler haben gelernt, nicht gegeneinander, sondern miteinander zu arbeiten. Für Coburg ist das Siegel „Digitale Einkaufsstadt“ eine Auszeichnung und die Möglichkeit, die reale Einkaufsstadt mit ihrem vorhandenen Mix aus Filia­listen, kleinen individuellen Boutiquen, Restaurants und Cafés lebendig zu halten.