Interview mit Anke Rehlinger

„Corona darf den ÖPNV nicht ausbremsen“

Carl-Friedrich Höck20. August 2020
Anke Rehlinger, Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, vor einem Motiv der Kampagne #Besserweiter
Mit einer Kampagne werben Verkehrsunternehmen und Politik dafür, wieder in den Öffentlichen Nahverkehr einzusteigen. Darüber sprachen wir mit Anke Rehlinger (SPD), Verkehrsministerin im Saarland und Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz.

Bund, Länder, Kommunen und Verkehrsunternehmen wollen mit der Kampagne „#BesserWeiter” das Vertrauen in den Öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) stärken. Wegen der Corona-Pandemie ist das Fahrgastaufkommen zwischenzeitlich um bis zu 80 Prozent eingebrochen.

DEMO: In den vergangenen Monaten haben wir alle gelernt: Man soll Abstand halten, man soll sich möglichst nicht mit anderen in geschlossene Räume drängen. Gesundheitspolitisch ist es da doch sinnvoll, wenn weniger Menschen mit Bus und Bahn fahren. Warum wollen Sie trotzdem dafür werben, dass wieder mehr Menschen den Öffentlichen Nahverkehr nutzen?

Anke Rehlinger: Der ÖPNV ist das zentrale Angebot für moderne, bezahlbare Mobilität und ein wichtiger Baustein in Sachen Klimaschutz. Und übrigens hängen auch Verkehrsunternehmen daran, die in der Krise zu dem Heldinnen und Helden des Alltags gehörten. Deshalb brauchen wir nicht nur ein gutes Angebot, sondern wir brauchen auch viele Ja-Sagerinnen und Ja-Sager, wir brauchen Nutzerinnen und Nutzer. Und alle, die dort unterwegs sind und Verantwortung tragen, sagen  guten Gewissens: Es ist sicher, den ÖPNV zu benutzen. „#BesserWeiter” ist deshalb eine Kampagne mit den Unternehmen zusammen, mit der kommunalen Seite, den Ländern und dem Bund, um wieder für den ÖPNV zu werben. Denn richtigerweise ist gesagt worden: Corona darf den ÖPNV nicht ausbremsen.

Sicherheit setzt voraus, dass man Abstand halten kann. Ich habe heute morgen in Berlin selbst erlebt, dass das in der Straßenbahn nicht möglich war. Eine mögliche Gegenmaßnahme wäre, mehr Busse und Wagen einzusetzen, um die Fahrgäste auf diese zu verteilen. Wieviel Spielraum haben Kommunen und Verkehrsunternehmen, um da ansetzen zu können?

Wir haben ja ganz unterschiedliche Instrumente, um dem Infektionsgeschehen etwas entgegenzusetzen. Abstand halten ist sicherlich eines. Nachverfolgbarkeit ist ein zweites. Und für den ÖPNV ist auch das Maskentragen ein zentrales Thema. Das ist getragen von Akzeptanz, Verantwortung und Solidarität.

Dort, wo es dann doch zu eng wird, wenn etwa Schülerinnen und Schüler wieder unterwegs sind und das Homeoffice wieder abnimmt, da ist vor Ort zu prüfen, wie und wo man Entlastungsangebote organisieren kann. Also zusätzliche Verkehre schafft oder Waggons anhängt. Das ist natürlich nur begrenzt möglich wegen der Verfügbarkeit von Personal und Material. Aber soweit das möglich ist, soll das vor Ort adäquat entschieden werden. Man wird dann auch in der Aufgabenträgerschaft, möglicherweise in Diskussion mit dem Land, darüber zu befinden haben, wie man sich die Kosten dafür teilt. Aber am Ende ist es dann auch gelebter Gesundheitsschutz, wenn wir das auf den Weg bringen, wo es notwendig ist.

Meine Straßenbahn-Erfahrung habe ich geschildert. Es wird vielleicht auch anderen so gehen. Wie kann man eine Kampagne, die das Vertrauen in den ÖPNV stärken soll, trotzdem zum Erfolg bringen – und mit welchen Botschaften?

„#BesserWeiter” ist das Motto der Kampagne. Die Menschen sollen motiviert werden, in den ÖPNV wieder einzusteigen. Weil er sicher ist, wenn alle sich an die Regeln halten. Bislang gibt es keine gesicherte Erkenntnis darüber, dass der ÖPNV ein Hotspot für das Infektionsgeschehen wäre. Bemerkenswert ist zum Beispiel, dass gerade Busfahrerinnen und Busfahrer eben nicht einen höheren Krankheitsstand in diesen Zeiten gehabt haben. Das sind neben dem subjektivem Sicherheitsempfinden auch objektive Kennzahlen, die es zu bewerten gilt. Und in diesem Fall auch mal positiv, sodass man guten Gewissens für ein Wiedereinsteigen in den ÖPNV werben kann.

 

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