Digitale Verwaltung

„Corona zeigt: Digitale Souveränität ist wichtig“

Thorsten Herdickerhoff20. August 2020
Marc Groß ist Programmbereichsleiter bei der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt).
Die Coronakrise hat der digitalen Kommunikation einen Schub verliehen – und war mit einem großen Lernprozess verbunden. Sicherheitsfragen rücken immer mehr in den Fokus, erklärt Marc Groß im Interview.

Herr Groß, hat die Corona-Krise die Kommunikation in den Kommunen behindert oder vorangebracht?
Für die digitale Kommunikation hat ­Corona einen echten Boom ausgelöst, weil die klassische Kommunikation von heute auf morgen nicht mehr möglich war.

Welche Fortschritte gab es?
Moderne Kommunikationsmedien haben enorm an Akzeptanz gewonnen, sowohl bei den Mitarbeitenden als auch bei den Bürgerinnen und Bürgern. Die Erreich­barkeit und die Attraktivität der Arbeitsplätze haben sich deutlich verbessert.

Werden diese Fortschritte nachhaltig sein?
Die neue Akzeptanz für Kommunikations- und Kollaborations-Tools auf jeden Fall. Die konkreten Lösungen werden Verwaltungen jetzt sicherlich genauer prüfen und eine Risiko-Nutzen-Abwägung vornehmen.

Die digitale Technik und die neuen Prozesse haben einige Menschen verunsichert, weil sie neues Terrain betreten haben. Ist wenigstens die digitale Kommunikation sicher?
Ich denke, mit Corona ist ein großer Lernprozess verbunden, in der Gesellschaft wie in der Verwaltung. Mit Blick auf die unterschiedlich ausgeprägte digitale Kompetenz müssen Verwaltungen nun Fortbildungen anbieten oder kollegiale Unterstützung etwa durch ­digitale Lotsen, um nachhaltig Sicherheit zu schaffen.

Und welche Rolle spielt die Sicherheit der Anwendungen?
Die spielt selbstverständlich eine große Rolle, denn Kommunen genießen ganz besonderes Vertrauen und sie verfügen über viele sensible Daten. Das war auch im Corona-Austauschforum ein großes Thema, das wir mit dem Deutschen Städtetag und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund kurzerhand auf die Beine gestellt haben. Die Kommunen haben sich von heute auf morgen vernetzt, Vor- und Nachteile mitein­ander abgewogen und sich auf die Suche nach der besten Lösung gemacht. Keine leichte Aufgabe, wenn man Betrieb, Datenschutz, vertragliche Regelungen, Funktionalität, Usability und Akzeptanz gleichzeitig im Blick haben muss.

Nutzen Kommunen auch Video­konferenzen?
Natürlich sind Videokonferenzen auch ein Thema in Kommunen, verschiedene Tools sind etabliert und nutzerfreundlich. Im Laufe der Pandemie kamen allerdings zunehmend Bedenken auf. Ein Beispiel ist etwa „Zoombombing“ – Unbekannte verschaffen sich Zugang zu privaten Meetings. Es gab auch Sicherheitslücken und Unklarheiten beim Datenschutz. Das hat auch den Blick dafür geschärft, wie wichtig digitale Souveränität ist. Denn von heute auf morgen waren hauptsächlich US-amerikanische Tools nutzbar.

Manche Behörden und Institutionen verbieten ihren Mitarbeitern bestimmte Anwendungen. Wie ist das in den Kommunen?
In den Kommunen ist das unterschiedlich geregelt. Einige Landesdatenschutzbeauftragte haben dazu Hilfestellungen erarbeitet und die Stadt Freiburg im Breisgau hat gemeinsam mit Experten vom „Forum Agile Verwaltung“ Anwendungen getestet und die Erkenntnisse allgemein zugänglich gemacht.

Die Stiftung Warentest hat Anbieter von Videokonferenzen getestet, wie Microsoft Teams, Skype und die Open-Source-Software Jitsi Meet ­sowie Zoom. Es gab Lob und Kritik. Haben Kommunen darauf reagiert?
Natürlich haben viele Kommunen auf die verbreitete Kritik reagiert oder von vornherein beabsichtigt, ihre Anwendungen zu überprüfen. Mit der Corona-Krise wurde manch schnelle Entscheidung zu Videokonferenz-Systemen getroffen, die jetzt nachjustiert wird. Erstmal ging es darum, schnell zu sein und arbeitsfähig zu bleiben. Hier haben die Kommunen super reagiert.
 
Eine lokale Initiative aus München hat auf Grundlage einer Open-Source-­Anwendung eine eigene Lösung angeboten, die ohne Registrierung und Nutzer-Daten auskommt. Gute Idee?
Ja sicher, Kommunen sollten Open-­Source-Lösungen wie Jitsi Meet in Betracht ziehen und ihnen, wenn sie funktional gleichwertig sind, den Vorzug geben. Die KGSt unterstützt die Open-Source-Bewegung. Die ­Freifunk-Initiative aus München ist da ein tolles Beispiel. Wir setzen uns als Fachverband generell dafür ein, die digitale Souveränität in Kommunen weiter zu stärken.

Was müssen Amtsträger besonders beachten, wenn sie jetzt mehr ­mailen, twittern, chatten und posten?
Die digitale Kommunikation läuft anders und erfordert daher auch andere Kompetenzen, sei es bei der Auswahl des Contents, bei den Umgangsformen, der Nutzung von Stilmitteln wie Emoticons und so weiter. Digital kommunizieren gelingt nicht „einfach so“. Daher sollten gerade Amtsträger auf ein professionelles Erscheinungsbild achten und sich bewusst machen, dass digitale Fehlgriffe ernste Konsequenzen haben können.