Parlament

Coronakrise: Infektionsschutzgesetz passiert Bundestag und Bundesrat

Benedikt Dittrich18. November 2020
Plenum des Deutschen Bundestages (Archivbild)
Bundestag und Bundesrat haben der Novelle des Infektionsschutzgesetzes am Mittwoch zugestimmt. Vorausgegangen war eine lautstarke Debatte über Macht, Mitsprache und Stimmungsmache im Parlament.

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie haben Bundestag und Bundesrat eine genauere Fassung des Bevölkerungsschutzgesetzes verabschiedet, das auch das Infektionsschutzgesetz beinhaltet. Neben konkreten Maßnahmen im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus, die nun auch im Gesetz festgehalten wurden, ging es auch um Vorbereitungen bezüglich der geplanten Impfzentren sowie finanzielle Unterstützung von Krankenhäusern.

Auch wurden genauere Begründungs- und Begrenzungspflichten für die Einschränkungen von Grundrechten festgelegt. Hinzu kommen genauer formulierte Rahmenbedingungen, nach denen das Parlament eine „epidemische Lage nationaler Tragweite“ feststellen kann, wie es in dem Gesetzestext heißt. Diese Feststellung ist Grundlage für die weitreichenden Eingriffe und Maßnahmen, die im Infektionsschutzgesetz nun auch schriftlich präziser formuliert wurden.

Klare Grenzen statt Generalklausel

SPD-Fraktionsvize Bärbel Bas wies in der Debatte auf die bisherige Rechtsgrundlage hin, nach der die Maßnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie angeordnet wurden – und die der Bundestag im Frühjahr in Windeseile verabschiedet hatte. „Wir hatten bisher eine Generalklausel“, so die Sozialdemokratin. Eine sehr weitreichende Klausel, kaum definiert – und Kritikpunkt zahlreicher Gerichtsurteile der vergangenen Monate. Die am Mittwoch verabschiedete Novelle verteidigte Bas als Beschränkung der Exekutive, weil die Regierung nun regelmäßig das Parlament unterrichten muss und außerdem die beschlossenen Maßnahmen begründet und befristet sein müssen.

Trotz der Änderungsanträge aus der Opposition gab es grundsätzliche Zustimmung zur Notwendigkeit der Gesetzesänderungen, unter anderem bei den Grünen. „Einen Schönheitspreis gewinnt dieser Entwurf nicht“, sagte Manuela Rottmann am Mittwoch. Die Grünen wollten zwar mehr, als in diesem Entwurf stehe. Die Formulierungen oder die Strategie im Kampf gegen die Pandemie stellte Rottmann dabei allerdings im Grundsatz nicht in Frage. FDP und Linke lehnten den Entwurf als ungenügend ab, wohingegen die AfD ohnehin jegliche bisher getroffenen Corona-Maßnahmen und damit auch die gesetzlich notwendigen Grundlagen dafür in Frage stellten.

Fechner: „Maßnahmen auf rechtssichere Grundlage stellen"

„Wir müssen dafür sorgen, dass wir Corona effektiv bekämpfen“, verteidigte Johannes Fechner,rechtspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, hingegen im Parlament den Entwurf und verkürzte die notwendige Novelle auf einen Satz: „Dazu gehört, dass wir die Maßnahmen auf eine rechtssichere Grundlage stellen.“ Vor allem seien die Änderungen eher als Regierungsbegrenzungsgesetz zu verstehen. "Wir wahren die Grundrechte der Bürger*innen“, so Fechner weiter, die notwendige Begründungspflicht schaffe Legitimationsdruck gegenüber der Regierung.

Das sei auch notwendig, um die Akpzetanz innerhalb der Bevölkerung zu erhalten, ergänzte Hilde Mattheis im Anschluss: „Wir wollen, dass klar nachvollziehbar ist, wann in welchem Bundesland und im Bund welche Maßnahme getätigt wird“, so die Sozialdemokratin im Bundestag, „und das machen wir jetzt.“ In einer ersten Reaktion auf die Abstimmung gab es auch Lob von der Arbeitsgemeinschaft der Jurist*innen in der SPD. Deren Vorsitzender Harald Baumann-Hasske erwähnte neben der Befristung und der notwendigen Begründung der Verordnungen, dass auch geklärt sei, dass niemand komplett isoliert werden dürfe und die getroffenen Maßnahmen immer einem funktionierenden Gesundheitssystem dienen müssten. „Der Rechtsstaat hält die Balance“, so Baumann-Hasske, „damit ist der Krisen-Modus, die Stunde der Exekutive, der Normalität gewichen“.

Begleitet wurden Debatte und Abstimmung von Demonstrationen mehrerer tausend Teilnehmer*innen in Berlin-Mitte. Die Versammlung wurde von der Polizei aber schon vor der Debatte für beendet erklärt, weil massenweise Auflagen zu Abstand und Mund-Nase-Schutz nicht eingehalten wurden. Hinzu kamen Versuche rechtsextremer Kräfte und der AfD, das Infektionsschutzgesetz mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933 zu vergleichen, das die Nazi-Diktatur einläutete. Diese Vergleiche wurden im Vorfeld schon von den demokratischen Parteien verurteilt und auch in der Debatte am Mittwoch hatte die Mehrheit der Redner*innen für diese Vergleiche nur Verachtung übrig. Dazu gehörte auch Carsten Schneider, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion: „Wenn Leute wie Sie“, sagte er in Richtung der AfD-Fraktion am rechten Rand des Parlaments, „mit solchen geschichtlichen Parallelen spielen, dann diskreditieren sie nicht nur unsere Demokratie, sondern sie machen sie verächtlich.“

Im Bundestag stimmten 416 Abgeordnete für die Änderung des Infektionsschutzgesetzes – mehr als die große Koalition aus SPD und CDU an Sitzen haben. Auch im Bundesrat wurde die Novelle in einer Sondersitzung mehrheitlich mitgetragen.

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