Arbeitsplätze im ländlichen Raum

Coworking als Chance für die wirtschaftliche Entwicklung

Ulf Buschmann20. April 2023
Coworking-Plätze spielen auch auf dem Land eine immer größere Rolle. Foto: James Oladujoye/Pixabay
Sich Büroräume zu teilen, wird in Großstädten längst praktiziert. Coworking kann aber auch ländliche Räume wirtschaftlich beleben. Wer Angebote machen möchte, muss ausprobieren, was funktioniert.

„Wessels Hotel“ war einst das erste Haus am Platz in der Stadt Syke. Doch diese Zeiten sind längst vorbei. Im Haus an der Hauptstraße sollen langfristig eine Begegnungsstätte und eine Bibliothek unterkommen. Damit wird es allerdings noch dauern – frühestens 2024 sollen nach offiziellen Mitteilungen die Planungen beginnen. Und doch ist was los im Haus. Im November 2022 entschloss sich die Stadt Syke zu einem Experiment: Quasi als Zwischennutzung wurden im ehemaligen kleinen Saal Coworking-Plätze eingerichtet.

Für diesen zunächst auf drei Monate befristeten Versuch hat die Stadt Syke Geld aus dem EU-Programm „Perspektive Innenstadt“ bekommen. Weil die Planung eines solchen Vorhabens komplexer sein kann als beispielsweise die Planung eines Baugebiets, hat sich das Team um Bürgermeisterin Suse Laue (SPD) Hilfe von außen geholt: die gemeinwohlorientierte Genossenschaft CoWorkLand um Vorstand Ulrich Bähr. Entstanden ist das „Pop-Up-Space".

Coworking ist eine sich seit einigen Jahren etablierende neue Arbeitsformen – bislang ist dieses Phänomen in Verbindung mit Freiberuflern, kleinere Start-ups oder digitalen Nomaden bekannt. Sie arbeiten dabei in meist größeren, verhältnismäßig offenen Räumen und können auf diese Weise voneinander profitieren. Und: Coworking wird in der breiten Öffentlichkeit mit urbanen Räumen beziehungsweise größeren Städten in Verbindung gebracht.

Interessant für den ländlichen Raum

Aber seit einigen Jahren hält Coworking auch in kleinen und mittleren Städten, in Dörfern oder Flecken Einzug. Kurz: Coworking wird für den ländlichen Raum interessant. Erste Ansätze gab bereits vor einigen Jahren. Einen echten Schub hat die Idee, Coworking-Plätze im ländlichen Raum anzubieten, durch die Corona-Pandemie bekommen. Aber: Coworking auf dem Dorf ist anders als in der Stadt.

Während in den Metropolen Coworking-Plätze häufig Treffpunkte digitaler Nomaden sind, verbindet sich mit ihnen in ländlichen Räumen die Hoffnung, zum Beispiel verödete Innenstädte wieder mit Leben zu erfüllen – Coworking als neuer Ortsmittelpunkt. Darauf setzt zum Beispiel die Stadt Homberg (Efze). Die nordhessische 14.000-Einwohner-Stadt mit einer SPD-Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung hat sich am zusammen mit sechs anderen Kommunen am Versuch „Summer of Pioneers“ beteiligt: Sechs Monate leben und arbeiten auf dem Land. In Homberg (Efze) haben sich ein Software-Entwickler, eine PR-Frau, ein Grafikdesigner, ein Berater, ein Projektleiter und ein Datenwissenschaftler niedergelassen. Im Nordhessischen ist die „FachWerkerei“  im Stadtzentrum das Zentrum des Projekts.

Coworking als „Massenphänomen“

„Wir sind davon überzeugt, dass Coworking auf dem Land das Zeug zum Massenphänomen hat und für einen wirksamen Strukturwandel sorgen kann – vor allem, wenn sich auch festangestellte Pendler:innen zunehmend für Coworking gewinnen lassen. In dieser Zielgruppe liegt noch großes und fast unberührtes Potenzial“, wird Coworkland-Genossenschaftsvorstand Bähr von der Bertelsmann-Stiftung zitiert.

Mitten in der Corona-Pandemie, im November 2020, legte die Stiftung in Zusammenarbeit mit CoWorkLand eine Trendstudie mit Namen „Coworking im ländlichen Raum: Eine Chance für strukturschwache Regionen" vor. Daraus geht hervor, dass Coworking wichtige Impulse für die wirtschaftliche Wiederbelebung strukturschwacher Regionen geben könne. Die Studie, so Bertelsmann, liefere erstmals ein genaueres Bild von Coworking „jenseits urbaner Räume“. Coworking habe auf dem Land hat eine sehr viel breitere Zielgruppe und größere Integrationskraft als in der Stadt. Es wird von all jenen nachgefragt, die ein Bedürfnis nach Gemeinschaft haben und sich ihren Arbeitsort frei auswählen können, so die Überzeugung der Autoren der Studie.

Ausprobieren, was funktioniert

Fachleute weisen darauf hin, dass sich ein jedes Coworking-Angebot nicht am grünen Tisch planen lässt. Was funktioniert und was nicht, müsse vor Ort herausgefunden werden. Die Erfahrung zeige zum Beispiel, dass Coworking in Ostfriesland, Thüringen oder Teilen Sachsens als permanentes Angebot kaum möglich sei. Was gehe, seien Angebote beziehungsweise Plätze, die für bestimmte Zeiten fest vermietet werden – für Unternehmen etwa.

Eine weitere Erfahrung: Die Initiative zur Schaffung von Coworking-Angeboten müsse von den Kommunen ausgehen. Auch bei der Finanzierung. Damit Kommunen wie Syke keinen Ärger mit ihrer jeweiligen Kommunalaufsicht bekommen, raten Spezialisten überdies, sich bei der Planung Fachleute an die Seite zu holen. Und noch etwas sei bei diesem Thema wichtig, weiß CoWorkLand-Chef Bähr: „Kommunalpolitik sowie die ortsansässige Wirtschaft oder Vereine können für die ländliche Coworking-Szene wichtige Netzwerkpartner sein und hier Starthilfe geben.“

Hier gibt es Tipps

Die Deutsche Vernetzungsstelle Ländliche Räume hat auf ihrer Internetseite eine Sammlung mit Broschüren, Ansprechpartnern sowie Links zusammengestellt.

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