Abfallwirtschaft

Debatte um das Verpackungsgesetz geht weiter

Karin Billanitsch24. März 2017
Was kommt in die gelbe Tonne und was nicht? Viele Bürger sind unsicher, wie wertstoffhaltige Abfälle korrekt getrennt werden.
Der vom Bundesumweltministerium vorgelegte Entwurf des Verpackungsgesetzes ist weiter in der Diskussion. Während einer Anhörung von Sachverständigen im Deutschen Bundestag wurde deutlich, dass Wirtschaft und Kommunen das Gesetz sehr unterschiedlich bewerten. Die Sachverständigen der Städte, Kommunen und Landkreise forderten Nachbesserungen.

In diesen Tagen wird das Verpackungsgesetz im Parlament beraten, vor wenigen Tagen fand eine Anhörung von Sachverständigen im Umweltausschuss des Bundestages statt. Mit dem Gesetzentwurf  aus dem Hause von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) soll die Erfassung von wertstoffhaltigen Abfällen in den Haushalten weiter entwickelt werden. Der vorgelegte Gesetzentwurf enthält jedoch noch viele strittige Punkte. Die Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände (Deutscher Städtetag, Deutscher Landkreistag und Deutscher Städte- und Gemeindebund) lehnen in ihrer Stellungnahme den Entwurf des Verpackungsgesetzes ab. „Er berücksichtigt nicht wichtige Anliegen der Kommunen“, heißt es. Die Sachverständigen der Städte und Kommunen forderten in der Anhörung deutliche Nachbesserungen.

Streit über Rahmenvorgaben im Verpackungsgesetz

Detlef Raphael, Beigeordneter des Deutschen Städtetags, monierte, dass in dem Entwurf die Vorschläge fehlten, die im so genannten „Verbändepapier“ konkret vorgelegt worden seien – er sei daher „so nicht zustimmungsfähig.“ Mehrere Punkte fänden sich nicht wieder, sagte Raphael. Insbesondere geht es den kommunalen Spitzenverbänden um die Möglichkeit der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, gegenüber den dualen Systemen Rahmenvorgaben per Verwaltungsakt zu machen. Dieses Recht wird aus Sicht der kommunalen Seite eingeschränkt, weil es einen so genannten Erforderlichkeitsvorbehalt enthält. Der Streit entzündet sich hier an dem Wort „erforderlich“. Es müsse ausreichend sein, wenn die konkrete Rahmenvorgabe „geeignet“ sei, so Raphael.

Ein Beispiel: Die Kommune fordert vom privaten Anbieter, von einem vierwöchigen Abholrhythmus auf einen zweiwöchigen umzustellen. Dem könnten die Entsorger entgegenhalten, auch ein Rhythmus alle drei Wochen sei ausreichend. Denn bei der Erforderlichkeit werde immer mitgeprüft, ob es kein milderes Mittel gebe, so Raphael. Letztendlich würden dann Gerichte entscheiden. Kay Ruge von Deutschen Landkreistag betonte ebenfalls, dass einseitige Gestaltungsrechte der Kommune die Streitigkeiten in der Abstimmung zwischen den dualen Systemen und den Kommunen endlich beenden würden. Auch der Bundesrat hat in einer Stellungnahme eine Änderung des Paragrafen 22 Abs.2 gefordert. Ruge sagte, er erwarte, dass die Kritik des Bundesrates aufgegriffen werde. Die privatwirtschaftliche Entsorgungswirtschaft lehnte eine Ausweitung der kommunalen Einflussmöglichkeiten ab.

Kritik an Herausgabeanspruch der PPK-Fraktion

Ein weiterer Punkt, der zwingend geändert werden sollte, ist nach Ansicht der kommunalen Vertreter der im Entwurf verankerte Herausgabeanspruch der Papier-Pappe-Kartonagen-Fraktion (PPK-Fraktion). Damit wird den Systemen ein Anspruch auf Herausgabe eines Anteils an den von der Kommune gesammelten Altpapiers eingeräumt.

Eigentlich sollte in dieser Legislaturperiode ein neues Wertstoffgesetz kommen. Doch nach jahrelangen Verhandlungen konnten sich die beteiligten Parteien nicht darauf einigen, wie Wertstoffe einheitlich gesammelt werden könnten. So kritisiert der Verband kommunaler Unternehmen seit langem, dass mit dem Verpackungsgesetz „für die Bürger die Trennung aufgrund des Produktbezugs weiter unlogisch bleibt“. Getrennt wird bislang nach Verpackung und Nicht-Verpackung. Der VKU erwartet eine sinkende Bereitschaft zur Abfalltrennung. In der Anhörung vertrat Tanja Wielgoß, Vorstandschefin der Berliner Stadtreinigung, eine ähnliche Auffassung: Zahlen zeigten, dass 25 Prozent der Bürger nicht mehr an die Abfalltrennung glaubten, „und das aus gutem Grund“. Sie sei für eine neue Grundlagendiskussion. Und wie schon bei einer Anhörung im Oktober plädierte sie für ein verständlicheres Gesetz.

DUH befürchtet Selbstbedienung von Handel und Industrie

Ein weiterer Punkt, der die Gemüter erhitzt, ist die geplante Überwachungsbehörde, die „Zentrale Stelle“. Sie soll den funktionierenden Vollzug des Verpackungsgesetzes sicherstellen. Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe begrüßte die Pläne auch im Grundsatz. Doch derzeit soll die Stelle als so genannte beliehene Stiftung gegründet werden, und das wichtigste Gremium, das Kuratorium, mehrheitlich mit Vertretern der Hersteller und Betreiber besetzt werden. Das führe zu einer „einseitigen Interessenvertretung der Hersteller und Vertreiber, und in der Folge können Wettbewerbsverzerrungen zu Gunsten einzelner Marktteilnehmer und höhere Preise für Verbraucher nicht ausgeschlossen werden“, kritisierte die DUH in ihrer Stellungnahme.

Jürgen Resch forderte eine wirklich unabhängige Zentrale Stelle, zum Beispiel als Anstalt öffentlichen Rechtes oder als Teil einer schon vorhandenen Behörde. Resch konstatierte ein staatliches Versagen des Vollzugs. „Wir meinen, dass der Staat sich aus seiner Aufgabe nicht zurückziehen darf.“ Der DUH „hat die große Sorge, dass sich die Selbstbedienung von Handel und Industrie verstärken wird.“ Für die Remondis Assets & Services GmbH sagte Herwart Wilms, es komme bei der Zentralen Stelle darauf an, ihre Aufgaben präzise festzulegen.

Nachbesserungen gefordert

Wenige Tage vor diesen Beratungen beschäftigte das Thema Verpackungsgesetz auch den SPD-Politiker Bernhard Daldrup (MdB für den Kreis Warendorf). Er besuchte die ASA, die Arbeitsgemeinschaft spezifische Abfallbehandlung in Ennigerloh. Er sieht bei dem Gesetz ebenfalls noch Verbesserungsbedarf, zum Beispiel mit Blick auf die Zentrale Stelle: Es müsse gewährleistet sein, dass ein ausgewogenes Kräfteverhältnis von Wirtschaft- und Kommunalvertretern in den Gremien erreicht werde, so Daldrup. Die ASA bedauert nach eigenen Worten, dass es nicht hinreichend gelungen sei, ein effizientes, ökologisches und verbraucherfreundliches Gesetz zu erarbeiten, sagte Katrin Büscher, Geschäftsführerin der ASA.

Meinungsverschiedenheiten zeigten sich auch bei der Diskussion um eine Mehrwegquote. In dem Entwurf fehlt eine verbindliche Zielquote. „Eine fatale Signalwirkung“ befürchtet Resch von der DUH. „Das ist das Signal, dass in der Abfallhierarchie – Abfallvermeidung, Mehrweg, Recycling – nicht mehr Mehrwegsysteme priorisiert werden. In der Folge würde mehr in Einwegsysteme investiert, so die Befürchtung. „Dann droht ein Kipp-Punkt in Richtung Einweg.“ Abgeordnete der SPD-Fraktion stellten fest, man werde das Thema Mehrwegquote „noch mal aufnehmen“. Der DUH forderte weitere Nachbesserungen, etwa dass die Pfandpflicht auf Säfte und Nektare ausgeweitet wird, sowie eine Kennzeichnung auf den Produkten. Ende März wird der Bundestag den Entwurf in 2. und 3. Lesung beraten und verabschieden. Danach muss das Gesetz im Mai die Hürde im Bundesrat nehmen.

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