Digitaltag

Deutsche zweifeln an eigenen Digitalkompetenzen

Carl-Friedrich Höck21. Juni 2022
Digitale Technologien spielen im Alltag eine immer größere Rolle. Nicht alle fühlen sich dem bereits gewachsen.
Jeder Zweite würde gerne mehr an der digitalen Welt teilhaben, kennt sich aber zu wenig mit den Technologien aus. Das geht aus einer Umfrage zum Digitaltag 2022 hervor. Städtetags-Präsident Lewe meint: Die Gesellschaft brauche für ihre digitale Kommunikation „ein gewisses Immunsystem“.

Schnelle technologische Fortschritte können auf Menschen beängstigend wirken. Insofern sind die Ergebnisse einer Umfrage zum „Digitaltag 2022“ durchaus überraschend. 88 Prozent der Deutschen stehen den digitalen Technologien demnach offen gegenüber. 87 Prozent sehen die Digitalisierung eher als Chance denn als Gefahr. Für die Studie des Digitalverbandes Bitkom wurden mehr als 1.000 Personen über 16 Jahren repräsentativ befragt.

Der Optimismus überwiegt in allen Altersgruppen – jedoch in unterschiedlicher Ausprägung. Während 93 Prozent der 30- bis 49-Jährigen die Digitalisierung als Chance begreifen, stimmen von den Über-75-Jährigen immerhin noch 71 Prozent dieser Aussage zu. In der letztgenannten Altersgruppe empfindet jeder Dritte das Tempo der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft als zu schnell.

Digitalkompetenzen nur „befriedigend”

Die eigenen Digitalkompetenzen haben die Befragten im Durchschnitt mit der Schulnote 3,1 bewertet. Das entspricht dem Wert der Vorjahres-Studie. Allerdings fühlen sich die Älteren offenbar etwas besser gerüstet als vor zwölf Monaten: Damals haben die Über-75-Jährigen ihre eigenen Fähigkeiten noch mit der Note 4,8 bewertet, nun immerhin mit 3,9. Zuversichtlicher haben die Befragten diesmal auch auf die Frage geantwortet, ob Deutschland digital gespalten sei. Dem stimmten 2021 noch 65 Prozent der Probanden zu, jetzt nur noch 58 Prozent.

Knapp jeder zweite gab an, mehr an der digitalen Welt teilhaben zu wollen, sich selbst aber zu wenig mit digitalen Technologien auszukennen. Der Bedarf an Weiterbildung ist offenbar groß. Die Umfrage-Teilnehmenden wurden auch gefragt, welche Maßnahmen zur Förderung digitaler Teilhabe sie sich wünschen. Auf Platz 1 landete die „Förderung digitaler Medien- und Informationskompetenz für alle“ (83 Prozent). Dahinter folgten die „barrierefreie Gestaltung von digitalen Angeboten“ (71 Prozent), „Ausstattung von sozialen Einrichtungen mit kostenfreiem WLAN“ (69 Prozent) und „Schaffung kostenloser Schulungs- und Weiterbildungsangebote“ (57 Prozent).

Städtetags-Präsident: Es geht um das Funktionieren der Demokratie

Der Präsident des Deutschen Städtetages Markus Lewe wertet die Umfrage-Ergebnisse als Hinweis, dass gesellschaftliche Teilhabe ohne eine umfassende Digitalisierung nicht funktionieren könne. „Digitale Kompetenz ist letztlich auch eine Frage, ob und inwiefern Demokratie in Zukunft funktioniert.“ Als Beispiel nannte er die Beteiligung an Planungsprozessen oder die Entwicklung von Quartierswerkstätten. Solche Formen der Partizipation funktionierten ohne das Digitale nicht. Um Kommunen weiterzuentwickeln, müsse man jedem die Möglichkeit geben, sich zu beteiligen, so Lewe. In vielen Schulen habe die Corona-Pandemie dazu beigetragen, die Digitalisierung zu verbessern. In der Erwachsenenbildung brauche man jedoch viel intensivere Angebote auch für ältere Menschen, fordert der Städtetags-Präsident.

Was Lewe ebenfalls wichtig ist: „In der Frage der digitalen Kommunikation brauchen wir ein gewisses Immunsystem.“ Es gebe immer mehr Menschen, die nicht mehr einschätzen können, ob eine Information im Netz aus einer vertrauenswürdigen Quelle komme. Wissenschaftliche Ergebnisse würden im Internet negiert. Und es bildeten sich Blasen, in denen sich Menschen aus Angst vor einem „Shitstorm“ nicht mehr trauen würden, zu ihrer Meinung zu stehen.

Die Sorge der Städte sei, „dass wir irgendwann nicht mehr in der Lage sein werden, diese zunehmende exponentielle Macht des Hasses kontrollieren zu können.“ Leider würden auch viele im Öffentlichen Dienst stehende Menschen attackiert – darunter Politikerinnen und Politiker. Das beginne oft mit Hass im Netz, könne aber auch zu physischer Gewalt führen. „Ich glaube, dass Desinformation als Katalysator für analogen Hass gestoppt werden muss“, appellierte Lewe an die Gesellschaft.

Auch Ehrenamt wird digitaler

Der Digitaltag 2022 wird an diesem Freitag begangen. Ausgerichtet wird er von der Initiative „Digital für alle“. Ihr gehören Organisationen aus der Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft an – darunter die Gewerkschaft Verdi, Sozialverbände und der Deutsche Olympische Sportbund. Die kommunalen Spitzenverbände sind ebenso beteiligt wie der Stadtwerke-Verband VKU.

Wie die Präsidentin des Deutschen Caritas-Verbands Eva Maria Welskop-Deffaa erläutert, spielt die Digitalisierung auch für das Ehrenamt eine zunehmende Rolle. So habe man in der Pandemie die Schuldnerberatung auf digitale Angebote umgestellt und die Ehrenamtlichen mit digitalen Geräten ausgestattet. Ein neues Beratungsangebot für Suizidgefährdete sei sogar explizit digital konzipiert worden und werde sehr gut angenommen. Laut der Bitkom-Studie sind auch 35 Prozent der befragten Deutschen der Meinung, dass digitale Technologien im Bereich Ehrenamt und Engagement eine sehr große Bedeutung haben.

 

Mehr Informationen:
digitaltag.eu

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