Ellen Wisniewski

Deutschlands wohl älteste Kommunalpolitikerin ist gestorben

Carl-Friedrich Höck04. Mai 2020
Kandidierte noch mit 92 Jahren für die Kommunalwahlen in Beelitz: Ellen Wisniewski.
Sie war Deutschlands älteste Bürgermeisterin. Im vergangenen Jahr ließ sie sich erneut in die Stadtverordnetenversammlung von Beelitz wählen. Nun ist Ellen Wisniewski im Alter von 93 Jahren gestorben.

Vor ziemlich genau einem Jahr sprach Ellen Wisniewski mit der DEMO am Telefon. Munter und erzählfreudig berichtete sie aus ihrem langen Leben und erklärte, warum sie im Alter von 92 Jahren noch einmal für ein kommunalpolitisches Mandat kandidiert. Genauer: für einen Sitz in der Stadtverordnetenversammlung der brandenburgischen Spargelstadt Beelitz.

„Die Kommunalpolitik unter der Haut”

Zu diesem Zeitpunkt, Anfang Mai 2019, war Wisniewski Ortvorsteherin im Ortsteil Zauchwitz. Die Zeitungen nannten sie die „wohl älteste Bürgermeisterin Deutschlands“. Eigentlich hatte die Sozialdemokratin zur nächsten Kommunalwahl gar nicht wieder antreten wollen. Doch ihre Partei hatte sie gedrängt. „Ellen, wir brauchen dich“, habe man ihr gesagt. Und Wisniewski ließ sich überreden. „Ich habe die Kommunalpolitik unter der Haut“, sagte sie über sich.

1945 trat Wisniewski in die SPD ein. Die Partei wurde bald darauf mit der KPD zur SED zwangsvereinigt. So wurde auch Wisniewski SED-Mitglied, blieb aber „in der Gesinnung“ weiter Sozialdemokratin, wie sie später beteuerte. 1979 wurde sie Bürgermeisterin von Zauchwitz und blieb es 40 Jahre lang. Als es wieder möglich war, kehrte Wisniewski zu ihrer Herzenspartei SPD zurück.

Ihr Amt als Bürgermeisterin übte sie ehrenamtlich aus. Um nach der Wiedervereinigung finanziell über die Runden zu kommen, arbeitete sie nebenher als Toilettenfrau im benachbarten Michendorf. Zu DDR-Zeiten hatte sie ihr Geld unter anderem bei der Reichsbahn verdient.

Tatkräftig und resolut

In ihrer langen politischen Karriere setzte sie sich beharrlich für Frauenrechte und Emanzipation ein. Verabscheut hat sie die AfD. „Was die wollen, habe ich schon einmal mitgemacht als Kind. Das will ich nicht mehr erleben“, sagte sie zu einem Journalisten des Tagesspiegels.

„Tatkräftig und durchsetzungsstark“ sei sie gewesen, sagt die SPD-Regionalgeschäftsführerin Gerlind Mittelstädt über Wisniewski. Zu ihrer Meinung habe sie gestanden und auch mal jemanden zusammengefaltet – jedoch ohne verletzend zu werden. Auch der Ministerpräsident war vor ihren Widerworten nicht gefeit. Mittelstädt erinnert sich an eine Weihnachtsfeier der Partei vor zwei Jahren. „Es war ein Markenzeichen von ihr, dass sie ihre Kritik oft in Gedichten verpackt hat – und da hat sie uns alle mit einem nicht sehr kurzen Gedicht überrascht.“

Beliebt bis ins hohe Alter

Ellen Wisniewski wurde 1926 geboren und wuchs in Sachsen bei Pflegeeltern auf. Die leibliche Mutter war erst 16 Jahre alt, der Vater über alle Berge. 1964 heiratete Ellen den Sohn eines Gastwirts. Die Ehe ging elf Jahre später in die Brüche, Kinder hatte sie nicht.

Dafür setzte sie ihre Zeit und Kraft für die knapp 300 Bürger*innen von Zauchwitz ein – „mit Klauen und Zähnen”, wie Mittelstädt sagt. Sie kümmerte sich um Parkplätze, Schlaglöcher oder einen Bolzplatz. Die Zauchwitzer dankten es ihr mit rekordverdächtigen Wahlergebnissen. 2014 stimmten 100 Prozent der Wahlberechtigten dafür, dass sie Ortsvorsteherin bleiben soll – da war sie schon 88 Jahre alt.

Kommunalpolitisch aktiv bis zum Schluss

Eine Frauenzeitschrift fragte sie damals, ob sie wohl in fünf Jahren noch einmal antreten werde. „Das ist ja wohl ein Scherz!“, antwortete sie kopfschüttelnd. Dann kam das Jahr 2019, sie trat wieder für die SPD an – wenn auch „nur“ zur Wahl für die Stadtverordnetenversammlung – und wurde wieder gewählt.

Diesmal war es wirklich ihre letzte Kandidatur. Wie die SPD Brandenburg mitteilt, ist Ellen Wisniewski am Wochenende im Alter von 93 Jahren gestorben.

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