Stickoxid-Belastung in Städten

Dieselgipfel: Kommunen hoffen, dass endlich Geld fließt

Carl-Friedrich Höck28. November 2017
Buswerkstatt in Berlin
Buswerkstatt in Berlin: Viele Kommunen wollen ihre Fahrzeugflotten oder Betriebshöfe umrüsten.
Vor dem nächsten Dieselgipfel am Dienstag haben die Kommunen Druck gemacht. Von der zugesagten Milliarde, um die Luftqualität in den Städten zu verbessern, sei noch kein Cent geflossen. Am Nachmittag sagte die Bundeskanzlerin ein Sofortprogramm zu. (Aktualisiert)

Die Kommunen mahnen zur Eile. „Wir brauchen die Verkehrswende in Deutschland“, unterstreicht Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Die Städte bräuchten schnelle Hilfe, um die Schadstoffbelastung in der Luft zu reduzieren. Andernfalls könnten Gerichte die Aufgabe übernehmen.

Fahrverbote drohen

Die Deutsche Umwelthilfe klagt, weil in rund 80 Städten die EU-Grenzwerte für Stickoxide nicht eingehalten werden. Im Februar entscheidet das Bundesverwaltungsgericht, ob Fahrverbote nach geltendem Recht möglich sind. Falls ja, droht das Szenario, dass Richter die Verbote in zahlreichen Städten anordnen. Der Städte- und Gemeindebund wolle das unbedingt vermeiden, so Landsberg.

Die Bedrohung abzuwenden war das Ziel eines weiteren Dieselgipfels, zu dem sich die Bundeskanzlerin am Dienstag mit Vertretern der Kommunen getroffen hat. Nach dem letzten Gipfel im September hatte Angela Merkel einen Mobilitätsfonds in Höhe von einer Milliarde Euro zugesagt. Das Geld soll unter anderem in neue Mobilitätskonzepte, modernere ÖPNV-Flotten oder Infrastruktur für E-Mobilität investiert werden.

Kommunen fordern Sofortprogramm

„Bis heute ist kein Cent geflossen“, kritisierte Landsberg am Dienstagmorgen in einem Gespräch mit Journalisten. Er hoffe nun auf ein Sofortprogramm, damit die Kommunen noch in diesem Jahr erste Gelder aus dem Milliardentopf abrufen können. Auch bereits begonnene Maßnahmen müssten förderfähig bleiben, forderte Landsberg. Und merkte noch an: Auf Dauer reiche eine Milliarde Euro bei weitem nicht aus.

Viel Geld kostet es zum Beispiel, die kommunalen Nutzfahrzeug- und ÖPNV-Flotten umzurüsten, etwa auf Elektroantriebe oder Hybrid. Diese Maßnahme würde wohl in Aachen schon reichen, um die Stickoxid-Grenzwerte einzuhalten. In anderen Städten wie München dagegen sind viel weitergehende Maßnahmen nötig.

Wofür das Geld genutzt werden könnte

Bund und Ländern müssten einen Beitrag leisten, aber auch die deutsche Autoindustrie, meint Landsberg. Letztere tut sich mit dem Thema Elektromobilität bisher schwer. Die Deutsche Post hat deshalb ein eigenes Fahrzeug entwickelt, den StreetScooter. Der könne auch an die spezifischen Bedürfnisse kommunaler Nutzer angepasst werden, warb der Elektromobilitätsbeauftragte der Deutschen Post, Achim Kampker, am Dienstag für sein Produkt. Zudem seien die Kosten für Wartung und Verschleiß geringer als bei herkömmlichen Fahrzeugen.

Der Deutsche Städtetag verweist darauf, dass zahlreiche Städte Sofortmaßnahmen für bessere Luft bereits in der Schublade haben – sie warten nur noch darauf, dass das Geld aus dem Mobilitätsfonds freigegeben wird. Einige Beispiele: Hamburg würde gerne seine Busbetriebshöfe mit Ladestationen für E-Busse ausstatten. Mainz will rund 120 Busse mit Filtern nachrüsten oder neu beschaffen, Wiesbaden sogar die komplette Busflotte von Diesel auf E-Fahrzeuge umstellen. Düsseldorf plant unter anderem eine neue Ampelsteuerung, um einen besseren Verkehrsfluss zu ermöglichen. Und die Stadt Aachen möchte Ladesäulen in Wohnquartieren, auf Supermarktflächen oder in Parkhäusern einrichten.

Ergebnisse des Dieselgipfels am 28. November 2017

Nach dem Treffen mit Vertretern aus 30 Kommunen hat Bundeskanzlerin Merkel ein Sofortprogramm angekündigt. Um das versprochene Geld schnell bereitstellen zu können, würden bereits bestehende Förderprogramme aufgestockt. Zudem wolle sie das Sofortprogramm in Höhe von einer Milliarde Euro für 2018 verstetigen und das auch in kommenden Koalitionsverhandlungen thematisieren. „Ich habe heute zugesagt, dass jeweils ein Lotse für etwa drei betroffene Städte zur Verfügung gestellt wird, damit die Förderanträge so schnell und so passgenau gestellt werden können, dass das Geld möglichst schnell an die Menschen kommt“, kündigte Merkel an.

350 Millionen Euro sollen in die E-Mobilität gesteckt werden, erklärte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks nach dem Treffen. Davon wiederum entfallen 150 Millionen auf Programme ihres Ministeriums (BMUB). Hendricks benannte zwei Schwerpunkte: Das BMUB unterstütze zum einen Investitionen in die Einführung von Elektrobussen im öffentlichen Nahverkehr, indem es 80 Prozent der Mehrkosten fördere. Zum anderen übernehme es „40 Prozent der Kosten für die Ladeinfrastruktur, auch für die Schulung von Fahrerinnen und Fahrern, für Wartungspersonal, für die Einrichtung von Werkstätten.“ Hendricks betonte, die beschlossenen Maßnahmen reichten noch nicht aus, um das Problem flächendeckend zu lösen. Sie seien aber ein wichtiger Baustein und auch ein Signal an die Autohersteller, die Produktion von Elektrobussen auszubauen.

Städtetags-Präsidentin Eva Lohse sagte zu den Ergebnissen: Es sei gut, dass Städte durch das vorgelegte Sofortprogramm nun beginnen dürfen, zum Beispiel schneller als geplant Busflotten auf umweltfreundliche Antriebe umzurüsten oder E-Mobilität auszubauen. „Allerdings wissen wir noch nicht, ob die Städte die Fördermittel tatsächlich unbürokratisch erhalten können. Schwierig ist, den Kommunen bei den meisten Programmen eine finanzielle Eigenbeteiligung abzuverlangen. Das verlängert die Zeiträume deutlich, bis die Projekte anlaufen können.“

Der Präsident des Verbandes kommunaler Unternehmen Michael Ebling kommentierte: „Wir begrüßen, dass die Dringlichkeit, Fördergelder unbürokratisch verfügbar zu machen, endlich erkannt wurde. Diese müssen dauerhaft bereitgestellt werden, sonst bleibt es bei einem Tropfen Wasser auf den heißen Stein.“ Nun müsse die Autoindustrie bei der Produktion alternativer Antriebsfahrzeuge „mehr als einen Zahl zulegen“ und sich auch klarer als bisher zu ihrer Verantwortung an den drohenden Fahrverboten bekennen.

Der Vizevorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Sören Bartol forderte: „Über die Sofortmaßnahmen hinaus brauchen wir ein Milliardeninvestitionsprogramm, mit dem wir Busse und Bahnen in den Kommunen ausbauen. Dafür müssen die Mittel des Bundes für kommunalen Verkehr auf jährlich eine Milliarde Euro aufgestockt werden.“

 

Die Statements von Angela Merkel, Barbara Hendricks und weiteren Beteiligten im Anschluss an den Gipfel sind im Wortlaut auf bundesregierung.de dokumentiert.