Bildungspolitik

Diskussion um die Kinderbetreuung

Karin Billanitsch31. August 2017
Bettchen in einer Kindertagesstätte. Immer mehr Eltern wünschen sich einen Betreuungsplatz. In den Kita-Ausbau muss deshalb weiter investiert werden.
Das Thema Kinderbetreuung wird im Wahlkampf heiß diskutiert. Es geht um ein stärkeres finanzielles Engagement des Bundes, eine Abschaffung des Kooperationsverbots und gebührenfreien Kitabesuch. Im Papier zur „Nationalen Bildungsallianz“ will die SPD Familien von Kita- und Ganztagsgebühren schrittweise entlasten.

„Wie kein anderer Faktor entscheidet der Bildungserfolg heute wie auch künftig in Kita, Schule, Berufsschule und Hochschule über die Lebensperspektiven jedes einzelnen Menschen, egal ob jung oder alt.“ An diese Feststellung knüpft die „Nationale Bildungsallianz“ an, die Kanzlerkandidat Martin Schulz gemeinsam mit den SPD- Länderchefs vorgestellt hat. 12 Milliarden Euro will der Bund Ländern und Kommunen in den Jahren 2018 bis 2021 im Rahmen der Allianz für Investitionen geben. Das bedeutet, dass das seit 2010 geltende Kooperationsverbot des Bundes abgeschafft werden müsste.

Diskussion um Bildungspolitik

An diesem Punkt erhitzen sich seit Tagen die Gemüter. So hat der Deutsche Landkreistag ein stärkeres Engagement des Bundes in der Bildungspolitik entschieden ab. Präsident Landrat Reinhard Sager (CDU) befürchtet, dass „die Länder durch weitere Bundesmilliarden immer weniger Verantwortung im Schulbereich übernehmen könnten“, wie er gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte. Was mit dem steten Ruf nach Abschaffung des sog. Kooperationsverbots verbunden sei, sei letztlich nichts anderes als ein weiterer großer Schritt zur Marginalisierung der Länder. „Es käme auf diese Weise zu einer fast vollständigen Erosion von deren Verantwortlichkeiten im Schulbereich.“

Andere Kommunale halten dagegen: Die Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik in Nordrhein-Westfalen (SGK NRW), der Zusammenschluss von über 10.000 Kommunalpolitikern der SPD begrüßt die Vorschläge und teilte mit: Schulz bedeute Extra-Milliarden für Schulen, eine Million Ganztagsschulplätze in den Kommunen und gebührenfreie Bildung. „Es ist gut, dass ein Vorschlag unterbreitet wird, damit hier der Bund seine Verantwortung wahrnimmt und sich darüber hinaus für Gebührenfreiheit von der Kita bis zum Meister einsetzt,“, betonte Frank Baranowski, Oberbürgermeister von Gelsenkirchen und Vorsitzender der SGK NRW. Es sei den Menschen nicht zu vermitteln, dass der Bund den Kommunen wegen des Kooperationsverbotes im Bildungssektor unmittelbar kein Geld für Bildung zur Verfügung stellen dürfe

SGK NRW: „Föderalismus wird nicht ausgehebelt“

Die SGK NRW betont, die Aufhebung des Kooperationsverbotes hebele nicht den Föderalismus aus oder nehme den Ländern ihre Pflicht, für gute Schulen zu sorgen. Eine nationale Bildungsallianz ist aus Sicht der SPD-Kommunalen vielmehr die Antwort auf die seit Jahren geforderten bundeseinheitlichen Bildungsstandards.

Dabei ist unumstritten, dass in den kommenden Jahren in Schulen und Kitas sehr viel investiert werden muss. Geschätzt müssen 360 Milliarden Euro für Kitas, Horte und Schulen investiert werden. Beispiel Kita-Ausbau: Nach einer jüngst vorgestellten Studie des IW Köln hält der Kita-Ausbau mit den Wünschen der Eltern nach Kinderbetreuung nicht Schritt. Im Vergleich zum Jahr 2006 sind laut Statistik 477.000 Plätze zusätzlich entstanden. Trotz dieses massiven Ausbaus bekommen nicht alle Eltern die dies wünschen (im Jahr 2016 waren dies laut einer Befragung des Bundesfamilienministeriums rund 46 Prozent der Eltern) einen Platz. Dafür müsste es laut Berechnungen des IW Köln rund eine Million Plätze geben.

Bertelsmann-Stiftung: Qualität der Betreuung im Monitor

Darüber hinaus müssen Länder und Kommunen auch noch auf die Qualität der Betreuung achten. Ob ein Kind eine gute oder schlechte Kita besucht, hängt immer noch davon ab, in welchem Bundesland es betreut wird, sondern sogar in welchem Kreis, ist das Ergebnis einer neuen Bertelsmann-Studie „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“. Die Autoren empfehlen einen einheitlichen Personalschlüssel von 1 zu 3,0 in Krippengruppen und 1 zu 7,5 in Kindergartengruppen. In Baden-Württemberg ist das laut Studie erreicht, andere Bundesländer müssen noch aufholen.

Allerdings hat sich auch gezeigt, dass sich die in den meisten Ländern der Betreuungsschlüssel bereits wesentlich verbessert hat. Darauf weist der Deutsche Städte- und Gemeindebund explizit hin. Aber es fehle schlichtweg an dem notwendigen Fachpersonal.

Diskussion um Beitragsfreiheit

Nun dreht sich die Diskussion auch um eine Forderung, die die Kommunen besonders betrifft: Am Punkt der kostenlosen frühkindlichen Betreuung und Bildung entzünden sich die Gemüter. Manche Kommunen gehen den Weg bereits: ab dem 01.08.2018 ist in Berlin die Kita für alle kostenfrei. In Rheinland-Pfalz ist der Kindergartenbesuch ab zwei Jahren umsonst. In Hessen können Kinder laut einer Ankündigung der Schwarz-grünen Regierung von August 2018 an drei Jahre lang bis zu sechs Stunden kostenlos in den Kindergarten gehen.

Für die Bertelsmann-Stiftung ist die Zeit nicht reif für eine bundesweite Kostenfreiheit: Sie plädiert dafür, die Beitragsfreiheit erst dann anzugehen „wenn die Qualität stimmt, und genügend Betreuungsplätze zur Verfügung stehen.“ Der Deutsche Städte und Gemeindebund fordert einen eigenen „Masterplan für die Kindertagesbetreuung, den Bund und Länder mit den Kommunen erstellen. „Aus kommunaler Sicht müssen konkrete Perspektiven entwickelt werden, wie die Finanzierung der Kinderbetreuung langfristig auf eine nachhaltige neue finanzielle Grundlage gestellt werden kann“, heißt es. Und weiter warnt er: „Vor diesem Hintergrund darf die Beitragsfreiheit für Kinderbetreuung, wie sie jetzt in einigen Ländern auf den Weg gebracht wird, aber nicht das primäre Ziel sein.“ ... „Sollten wir eines Tages das Angebot haben, das Eltern brauchen und sich wünschen, können wir über Beitragsfreiheit gerne sprechen“ so der DStGB. Aber innerhalb der nächsten fünf Jahre sieht er dafür keine Chance.

„Schrittweise Entlastung“

Ein Blick zeigt, dass die SPD Gebühren nicht sofort vollständig abschaffen will: „Wir werden im Rahmen der Nationalen Bildungsallianz ein Umsetzungskonzept mit Ländern und Kommunen vereinbaren, um Familien von Kita- und Ganztagsgebühren schrittweise zu entlasten“, heißt es im Papier zu Nationalen Bildungsallianz. Es soll auch „ohne Abstriche an der Qualität oder Einnahmeausfälle für Länder und Kommunen“ von statten gehen. Hier ist ein Blick nach Dänemark interessant: In dem Land ist die Betreuung für Kinder kostenlos und wird aus Steuermitteln finanziert.

 

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