Unesco

Drei deutsche Kurorte als Welterbe ausgezeichnet

Karin Billanitsch29. Juli 2021
Der Kursaal in Bad Ems, an der Lahn gelegen, ist als Welterbestätte ausgewählt worden.
Bad Ems und zwei weitere deutsche Kulturstädte sind als Welterbestätten ausgewählt worden. „Bedeutende Kurorte Europas“ sind eine transnationale serielle Welterbestätte, die aus elf Städten aus sieben Ländern besteht. Das Welterbekommitee tagt noch bis zum 31. Juli.

Zu beiden Seiten der Lahn liegt die Stadt Bad Ems idyllisch zwischen Taunus und Westerwald. Seit kurzem kann sich der berühmte Badeort mit dem Titel einer Unesco-Welterbestadt schmücken, gemeinsam mit Bad Kissingen, Baden Baden und acht weiteren europäischen Städten hat die UN-Organisation bedeutende Kurorte Europas zum Welterbe erklärt. „Für uns in Rheinland-Pfalz war Bad Ems immer schon etwas ganz Besonderes. Nun hat auch die Unesco die Schönheit und Bedeutung dieser Kurstadt anerkannt", sagte die Innenstaatssekretärin Nicole Steingaß (SPD), Regierungsbeauftragte für das Welterbe, nach der Entscheidung.

Reisen zu den Quellen war en vogue

Anfang des 18. Jahrhunderts gab es in Europa ein Kurphänomen, das bis hin in die 1930iger Jahre anhielt: „Auf Kur“ gingen europäische Monarchen, Zaren und Adlige, auch im aufstrebenden Bürgertum war es en vogue, den ganzen Sommer in den Bädern zu verbringen. Bad Ems, im 17./18 Jahrhundert einer der berühmtesten Badeorte Deutschlands, besuchten unter anderem Kaiser Wilhelm der I, die Zaren Nikolaus I. und Alexander II. von Russland Richard Wagner – oder Fjodor Dostojewski. Der russische Literat schrieb über seinen Aufenthalt: „Das Städtchen Ems liegt in einer tiefen Schlucht zwischen bewaldeten Hügeln. An Felsen, die malerischsten der Welt, lehnt sich das Städtchen. Es gibt Promenaden und Gärten – und alles reizend.“

Gesellschaftliche Treffpunkte, eigenständige städtebauliche Architektur

Kurorte avancierten sogar zum literarischen Topos. „Badeorte waren im 19. Jahrhundert Treffpunkte von Künstlern, Literaten, Denkern und den sogenannten Leuten von Welt', denn Reisen ins Bad zählten zu den gesellschaftlichen Ereignissen und gehörten zur Selbstdarstellung kultivierter Kreise. In Badeorten konnte man zwangloser miteinander umgehen, starre Umgangsregeln schienen gelockert, neue Kontakte waren leichter zu knüpfen“, schreibt 20212 Beate Borowka-Clausberg in ihrer Abhandlung „An den Quellen des Hochgefühls: Kurorte in der Weltliteratur.“

Rund um die Heilquellen entstand eine eigenständige städtebauliche Architektur, ein bestimmter Stadttypus – „üppig, nobel, herausragend“, wie es auf der Webseite der deutschen Unesco-Kommission heißt. „Stuck, Marmor, Samt, wohin das Auge blickt. Gebäude mit schlossartigen Ausmaßen, hohe Kolonnaden, historisierende Rundbögen und Säulenkapitelle, üppige Gärten mit alten Bäumen und weißen Bänken, Kunstwerke im freien Raum, Springbrunnen, Anlagen für Sport, Spiel und Unterhaltung – in den Kurvierteln von Baden-Baden, Bad Kissingen und Bad Ems ist alles opulent“, heißt es weiter.

Serielle länderübergreifende Bewerbung

Bad Ems ist ein typisches Beispiel für ein historisches Kurviertel, mit gut erhaltenen Gebäuden, eingebettet in eine Landschaft, in der Spazierwege zu Aussichtspunkten der Gegend für Kurgäste erschlossen wurden. Das dortige Kurhaus, erbaut 1715 im 19. Und 20. Jahrhundert grunderneuert und im Stil des Neubarock erweitert, steht unter Denkmalsschutz. Kolonnaden verbinden Kurhaus mit dem Kursaal, ein Kurpark und ein Kasino vollenden das Bild der klassischen Kurstadt.

Bath in England, Vichy in Frankreich, Spa in Belgien, Montecatini in Italien, Baden bei Wien in Österreich, Karlsbad, Franzensbad und Marienbad in Tschechien, dazu die drei deutschen Orte Bad Ems in Rheinland-Pfalz, Bad Kissingen in Bayern und die mondäne Bäderstadt Baden Baden im Schwarzwald gehören zum Kreis der Welterbe-Städte als "Great Spa Towns of Europe", also „bedeutende Kurstädte Europas“. Mit einer solche transnationalen, seriellen Bewerbung für die Welterbeliste haben sich die Akteure mehr Chancen erhofft als mit einem Einzelkonzept.

Alleinstellungsmerkmal Trinkkur

Bereits im November 2010 veranstaltete das Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg zusammen mit einer Beraterorganisation der Unesco und der Stadt Baden Baden eine Tagung über europäische Kurstädte. „Ziel war es, Ziel war es, einen Impuls für die gemeinsame Bewerbung verschiedener europäischer Kurstädte um Anerkennung als Weltkulturerbe zu geben“, schreibt Volkmar Eidloth, Spezialist für das europäische Bädererbe und pensionierter Hauptkonservator im Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg, 2014 in einem Journal für Denkmalpflege in Baden-Württemberg. Er ist Mitautor des länderübergreifenden inhaltlichen Konzepts der Nominierung europäischer Kurstädte.

Er arbeitete in dem Konzept insbesondere die Frage nach dem besonderen, außergewöhnlichen Kennzeichen der europäischen Bäderkultur aus. „Bäderkulturen gibt es schließlich auch in anderen Teilen der Welt“, stellt Eidlodth fest und erinnert an das orientalische Dampfbad, den Hamam oder die vulkanischen Naturbäder auf Island oder die Schwitzbäder Skandinaviens oder Russlands. Ein Alleinstellungsmerkmal in Europa ist dabei die Trinkkur und andere therapeutischen Behandlungsformen mit Wasser. Rund um die Heilquellen entstanden die charakteristischen Badeorte als eigenständiger Siedlungstypus. Außen vor bleiben dabei die Seebäder – sie bilden, führt Eidloth aus, eine eigene Siedlungsform, „die es wert wäre, als eigene Gruppe auf der Welterbeliste vertreten zu sein“.

Auftrag zur Erhaltung

Die Anerkennung als Welterbe – in Deutschland gibt es aktuell 50 Welterbestätten – bringt nicht nur Prestige und Besucher, sondern ist auch ein Auftrag, die Stätte langfristig zu erhalten und sie nachhaltig weiter zu entwickeln. „Das Management Management von Welterbestätten unterliegt den hohen Anforderungen der Unesco“, heißt es in einer Publikation des Deutschen Städtetages, die 2019 erschienen ist. Weil es beim Welterbe um Stätten von herausragendem Wert geht, fordert der Städtetag mehr Verantwortung für den Bund: „Der Bund sollte außerdem den Aufbau einer Koordinierungs-, Austausch- und Unterstützungsplattform der Welterbestätten fördern.“ Im rheinlandpfälzischen Innenministerium ist man sich dieser Aufgabe bewusst: „Wir nehmen die damit verbundene Verantwortung gerne an und freuen uns, wenn bald viel mehr Menschen dieses elegante Kleinod an der Lahn entdecken“, bekräftigte Innenstaatssekretärin Steingaß.

Das Welterbekommitee tagt noch bis zum 31. Juli. Weitere neue Welterbestätten 2021 sind der Verbund der „SchUM“-Stätten Mainz, Worms und Speyer, die im Mittelalter das Zentrum des Judentums in Europa bildeten, die Grenzlinie des niedergermanischen Limes und die Jugendstil-Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt.

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