GdW-Umfrage

Jede dritte geplante Wohnung wird nicht gebaut

Carl-Friedrich Höck18. Januar 2023
Baustelle in Berlin
Der Neubau von bezahlbaren Wohnungen stockt und viele geplante Projekte werden storniert. Das zeigen neue Zahlen des Wohnungswirtschaftsverbandes GdW. Eine Ausnahme bilden die kommunalen Bauvorhaben.

32 Prozent der neuen Wohnungen, die für dieses oder das kommende Jahr geplant waren, werden nicht gebaut. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW. Befragt wurden nach Verbandsangaben sozial orientierte GdW-Mitgliedsunternehmen. Diese wollten demnach ursprünglich 61.000 Wohnungen errichten. Knapp 20.000 davon werden nicht realisiert. Von den für 2023 und 2024 geplanten Sozialwohnungen wird laut der Umfrage jede fünfte nicht gebaut.

Auch die Modernisierung von Wohnungen ist ins Stocken geraten. Jede fünfte vorgesehene Modernisierungsmaßnahme fällt aus. Statt rund 272.000 Wohneinheiten werden 53.000 weniger erneuert werden können, teilt der GdW mit. Und selbst dort, wo modernisiert wird, werden die Maßnahmen oft weniger umfangreich ausfallen als ursprünglich vorgesehen. Das betreffe besonders die energetische Sanierung, so der Lobbyverband.

Die Kommunen bauen noch

33 Prozent der befragten Unternehmen stellen das Bauen komplett ein. „Da wird sich gar nichts mehr tun“, sagt GdW-Präsident Axel Gedaschko. Auf der anderen Seite sind 37 Prozent der Unternehmen von ihren Neubauzielen gar nicht abgerückt. „Das sind insbesondere kommunale Unternehmen“, erklärt Gedaschko. Der Grund sei, dass die Städte in vielen Kommunen „alles auskehren, was an Grundstücken da ist“, und diese kostenfrei an ihre Unternehmen geben. Gedaschko berichtet auch von „massiven Geldspritzen“, mit denen Kommunen ihre Wohnungsbauunternehmen unterstützten, damit weiter gebaut werden könne. „Das ist eine Situation, die können Kommunen offensichtlich nicht lange durchhalten“, so der GdW-Präsident.

Die Gründe für die Investitionszurückhaltung sind vielfältig, Gedaschko spricht von einer „Hitliste des Grauens“. Die von den Unternehmen am häufigsten genannten Gründe sind gestiegene Materialkosten, gestiegene Finanzierungszinsen sowie eine unzuverlässige und unzureichende Förderung. Kritik übt der GdW an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der die Förderung für Effizienzhäuser im vergangenen Jahr gleich mehrfach neu ausrichtete. Dadurch hätten sich lange geplante Bauvorhaben plötzlich nicht mehr gerechnet, moniert der Branchenverband.

Fachkräftemangel

Probleme bereiten den Wohnungsunternehmen auch fehlende Bau- und Handwerkskapazitäten. Besonders Spezialist*innen für Heizungen oder Sanitäranlagen seien schwer zu bekommen. Jeweils rund ein Drittel der Unternehmen klagt auch über gestiegene Energiekosten und Materialengpässe. Hier sieht Axel Gedaschko ebenfalls die Kommunen in der Pflicht: Sie müssten den Weg für mehr Rohstoffe frei machen, zum Beispiel indem sie den Abbau von Gipsvorkommen ermöglichen.

Fehlende Grundstücke geben nur 19 Prozent der Unternehmen als Grund für ihre Investitionszurückhaltung an. Vor zwei Jahren wäre das wohl noch der meistgenannte Grund gewesen, ist Gedaschko überzeugt. Dass sich das geändert hat, wertet er als schlechtes Zeichen. Denn wenn ein Unternehmen ohnehin nicht mehr bauen wolle, klage es eben auch nicht mehr über fehlende Bauflächen.

Neubauziele der Ampel in Gefahr

Insgesamt haben sich die Baupreise 2022 gegenüber dem Vorjahr um 16,4 Prozent erhöht, vermeldet der GdW. „Die Steigerung geht so nicht exponentiell weiter, aber das Niveau, auf dem wir sind, ist ein unfassbar teures Niveau“, sagt Gedaschko. Nach seiner Einschätzung wird die Bundesregierung ihr Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr deutlich verfehlen. Er gehe mittelfristig eher von 200.000 Wohnungen aus, so Gedaschko.

Um dieses Szenario zu vermeiden, macht der Verband eine Reihe von Vorschlägen: unter anderem mehr steuerliche Anreize für den sozialen Wohnungsbau, ein Verzicht auf Mietrechtsverschärfungen, mehr Fördermittel und mehr Verlässlichkeit bei der Förderung. Neben der Akquise ausländischer Fachkräfte müsse die Politik auch stärker auf Automatisierung und Robotisierung auf dem Bau setzen.

Der Handlungsdruck steige auch wegen der Menschen, die aus der Ukraine fliehen, merkt Gedaschko an. Unabdingbar sei, dass der Bund eine massive Unterstützung an die Kommunen leiste in Form von zinslosen Krediten und Zuschüssen. Ziel müsse sein, dass bei den Kommunen nicht Container errichtet werden, sondern schnell und in serieller Fertigung Wohnungen entstehen. Dafür müssten die Kommunen jetzt zügig die Rahmenbedingungen schaffen.

700.000 Wohnungen fehlen laut Schätzung

Aktuell fehlen in Deutschland rund 700.000 Wohnungen, um den Bedarf zu decken, schätzt ein Bündnis aus Mieterbund, Gewerkschaften, Sozialverbänden und Branchenverbänden der Bauwirtschaft. Die Ampel-Koalition will bis zum Jahr 2026 14,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, um mehr sozialgeförderte Wohnungen zu schaffen. Klimafreundlicher Wohnungsbau wird ab diesem Jahr mit einer Milliarde Euro jährlich gefördert. Der GdW hält größere Summen für notwendig. Jenseits der sozialen Wohnraumförderung müsse man eher über zehn Milliarden reden, so Präsident Axel Gedaschko am Mittwoch.

Der wohnungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Bernhard Daldrup forderte kürzlich, über eine Aufstockung der Mittel nachzudenken, damit der Wohnungsbau nicht zum Erliegen kommt. Bauministerin Klara Geywitz (ebenfalls SPD) verweist in einem aktuellen Interview mit der Welt am Sonntag aber auch auf die Grenzen staatlicher Förderung. 2021 hätten gute Bedingungen für den Neubau geherrscht: kein Krieg, niedrige Sanktionen, hohe Fördersummen für effiziente Gebäude. Das habe sich aber nicht in steigenden Fertigstellungen niedergeschlagen. Auffällig sei dagegen, dass die Preise für neu gebaute Häuser deutlich angestiegen seien. „Das zeigt doch: Wenn der Staat viel Fördergeld in einen Markt mit begrenzten Kapazitäten und hoher Nachfrage gibt, führt das zu steigenden Preisen, aber nicht zu höheren Stückzahlen”, erklärt die Ministerin. Manche Akteur*innen hätten das Geld nicht für günstige Mieten eingesetzt, sondern damit möglicherweise die eigene Projektmarge erhöht.

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