DIN-Normen

U wie Unna statt Ulrich

Karin Billanitsch20. August 2021
Werden wir künftig mit Städtenamen buchstabieren?
Das Deutsche Institut für Normung (DIN) schlägt vor, künftig Städtenamen zum Buchstabieren zu verwenden. Dass die Buchstabiertafel neu gestaltet werden soll, hat politische und historische Gründe, die teils in die Nazizeit zurückreichen.

A wie Anton, E wie Emil – damit könnte es bald Schluss sein. Die für Normungen verantwortlichen Experten des Deutschen Instituts für Normung (DIN) haben sich die Buchstabiertafel vorgenommen und vorgeschlagen, Städtenamen statt Vornamen zu verwenden.

Neuer Vorschlag für die Buchstabiertafel. Grafik: DIN

Zeitgemäße Tafel war geboten

„Unser Entwurf modernisiert die Diktierregeln der DIN 5009. Gleichzeitig präsentieren wir ein neues Angebot für eine zeitgemäße Buchstabiertafel“, erklärt Eberhard Rüssing, Fachbereichsleiter für die Lernfelder „Kaufleute für Büromanagement“ am Oberstufenzentrum Bürowirtschaft und Verwaltung in Berlin und zugleich Obmann des zuständigen Arbeitsausschusses.

In vielen Bereichen der Verwaltung und Wirtschaft wird die DIN 5009 verwendet, auch wenn die wenigsten wissen dürften, dass sie nach ihren Regeln arbeiten: Die Norm definiert unter anderem Regeln für die gesprochene Ansage von danach zu schreibenden Texten. Auch wenn der Buchstabiertafel heute geringere Bedeutung zukommen dürfte, so müssen Namen, E-Mail-Adressen oder Buchstabenkombinationen wie zum Beispiel Aktenzeichen oder alphanumerische Kundennummern häufig noch buchstabiert werden. Auf Ämtern, die Namen korrekt aufnehmen müssen, gehört das Ausbuchstabieren zum Tagesgeschäft.

Städtenamen ersetzen Vornamen

Im Entwurf ersetzt die neue Buchstabiertafel die alten Vornamen wie Albert, Emil, Gustav, Heinrich oder Ludwig durch Städtenamen und orientiert sich dabei an den bekannten deutschen Kraftfahrzeugkennzeichen. „Bis auf wenige Ausnahmen setzt die neue Tafel dabei auf die einbuchstabigen Kraftfahrzeugkennzeichen wie zum Beispiel F für Frankfurt“, erläutert Rüssing. Der Gedanke der Mitglieder des Arbeitsausschusses war dabei, dass „der Vorschlag somit bereits gelernte und schnell merkfähige Begriffe verwendet“, die, so der Gedankengang, „fest im Sprachgebrauch verankert sind“.

Die aktuelle Tafel war veraltet, weil sie modernen Ansprüchen an Gendergerechtigkeit nicht mehr genügte – sie enthält 16 männliche, aber nur sechs weibliche Vornamen, viele davon nicht zeitgemäß. „Das entspricht nicht der heutigen Lebensrealität. Mit Städtenamen wiederum wurden auch in anderen europäischen Ländern gute Erfahrungen gemacht“, betont Eberhard Rüssing.

„Schmerzhafte Historie“

Es gibt aber auch einen anderen Grund, warum eine Neufassung geboten ist: Die bis dato geltende Buchstabiertafel wurde während des Nationalsozialismus geändert, indem jüdische Vornamen ersetzt wurden. Im Dritten Reich wurde etwa aus „Nathan“ für N „Nordpol“, aus „David“ „Dora“ und „Zacharias“ wurde durch „Zeppelin“ ersetzt.

Nach dem Nationalsozialismus wurden einige dieser Veränderungen wieder rückgängig gemacht, allerdings nicht alle. Darauf hat der Antisemitismusbeauftragte von Baden-Württemberg, Michael Blume, das DIN aufmerksam gemacht. „Über Jahrzehnte wurde in Deutschland eine Buchstabiertafel tradiert, aus der die Nationalsozialisten alle deutsch-jüdischen Namen getilgt hatten. Es war Zeit, das gemeinsam aufzuarbeiten und zu beenden.“ Blume war schließlich auch an der Überarbeitung beteiligt. „Wir können die in Teilen schmerzhafte Historie der Buchstabiertafel nicht ungeschehen machen. Mit dieser Darstellung wollen wir die Eingriffe aus der NS-Zeit aber zumindest symbolisch heilen.“ 

Unna: „Wir bleiben westfälisch-gelassen“

International hat sich mittlerweile eine andere Buchstabierweise durchgesetzt, die so genannte ICAO-Tafel/NATO-Tafel. Rettungsdienste, Polizei und Luftfahrt nutzen sie. Der Ausschuss hat sich aber dagegen entschieden, diese vorzuschlagen: „In der ICAO-Buchstabiertafel fehlen die deutschen Sonderzeichen, Sch und ß etwa – auch die deutschen Umlaute können nur umschrieben werden.“ Außerdem bezweifelt der Ausschuss, ob „Quebec“ für Q und Zulu für Z für deutschsprachige Menschen tatsächlich so einleuchtend seien. Auch „Yankee“ sei hierzulande ebenfalls teils negativ konnotiert.

So heißt es vielleicht bald A wie Augsburg, B wie Berlin und N wie Nürnberg. Kleinere Kommunen wie Iserlohn und Unna, Vogtland oder Xanten dürften sich über die Aufmerksamkeit freuen. „Wir waren von der Nachricht des DIN-Instituts völlig überrascht. Eine Bewerbung oder Ähnliches gab es nicht“, sagt der Unnaer Stadtsprecher Oliver Böer dem Westfalenspiegel. Grundsätzlich freue sich die Stadt Unna über den Vorschlag, „U wie Unna“ in die Tabelle aufzunehmen, heißt es im Rathaus. „Wir bleiben aber westfälisch gelassen“, so Böer.

Bis zum 30. September können Kommentare auf der Seite des DIN abgegeben werden.