Corona-Politik

Ebern: Wie eine Kleinstadt in Bayern sich gegen „Spaziergänge“ wehrt

Benedikt Dittrich07. Januar 2022
Menschen in der bayerischen Kleinstadt Ebern wehren sich gegen Crona-Protestationen.
Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen gibt es derzeit in vielen Städten. Doch nicht alle wollen es sich gefallen lassen, dass ihr Ort zur Bühne von sogenannten „Spaziergängen“ wird. Im fränkischen Ebern wurden Bürgermeister und Stadtrat kreativ.
Als Ende Dezember mehrere hundert Menschen durch Ebern laufen, werden sie an einigen Stellen von braunen Mülltonnen „begrüßt“: Braunen Müll, so die Nachricht, will man in der Stadt nicht haben, also keine Rechtsradikalen, die im Netz zu dem Protestmarsch aufgerufen hatten und angereist waren. Die bayerische Stadt Ebern liegt zwischen Coburg, Schweinfurt und Bamberg, im Landkreis Haßberge, bis zur Landesgrenze nach Thüringen ist es nicht weit. Bürgermeister ist Jürgen Hennemann (SPD), der zusammen mit den Stadträten auch die Idee zu der Mülltonnen-Aktion hatte.

Entstanden sei die Idee aus einer Diskussion, nachdem vor Weihnachten erstmals Querdenker*innen den Weg in die Kleinstadt gefunden hatten und vor Ort einen der sogenannten „Spaziergänge“ veranstaltet hatten. „Wir haben das damals beobachtet. Wir wurden auch gewarnt vom Land, dass Rechte im Internet zu der Aktion aufgerufen haben“, erklärt Hennemann.

Bürgermeister Jürgen Hennemann Bild: privat

Nach der Aktion bekommt Hennemann allerdings nun selbst Briefe und Mails, in denen er beschimpft wird. Es seien allerdings viele Schreiben von Menschen außerhalb Eberns dabei. „Aber Bürgerinnen und Bürger aus der Stadt, die mir geschrieben haben, bekommen auch eine Antwort“, sagt er.

Es gibt in der Demokratie Rechte und Pflichten

Einer der Hauptvorwürfe: Er würde alle Teilnehmer*innen in die rechte Ecke stellen. Das will Hennemann nicht so stehen lassen. Vielmehr ist er enttäuscht darüber, dass sich die Menschen von den Rechten instrumentalisieren lassen und bei den unangemeldeten Aktionen mitmachen. „Ich bin auch mit einigen Regeln nicht einverstanden, finde manches nicht stringent“, meint er. Und: wer dagegen protestieren wolle, könne eine Demonstration anmelden. „In einer Demokratie gibt es nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten.“ Und eine Pflicht, eine Regel, schreibe eben vor, dass Kundgebungen und Demonstrationen angemeldet werden müssen.

Für Ebern – und auch in vielen anderen Städten – hatten dagegen bekannte rechten Parteien und Rechtsextreme vor allem im Internet mobilisiert, weiß Hennemann – und angemeldet seien die „Spaziergänge“ eben nicht. Der überwiegende Teil, schätzungsweise 80 Prozent, der Demonstrant*innen kommen nicht aus Ebern, betont er und berichtet von Autos mit Kennzeichen aus Schweinfurt, Coburg, Bamberg oder noch weiter entfernt. Unterwegs waren allerdings auch bekannte Rechtsextreme aus der Umgebung. Umso enttäuschter ist er über diejenigen aus Ebern, die trotzdem mitlaufen. Andererseits: Auch die „Omas gegen Rechts“ aus Bamberg waren zum Gegenprotest angereist, auch Jugendliche hätten verbal gegen den Aufmarsch protestiert, sagt Hennemann. Die Polizei hatte die beiden Gruppen räumlich getrennt.

Bejubelt von Nazis

Dass bei den sogenannten „Spaziergängen“ Rechte mitlaufen, dass rechte Parteien und Bewegungen dazu aufrufen, werde von vielen verdrängt. „Viele stellen ihre eigene Freiheit an oberste Stelle, alles andere wird ausgeblendet.“ Das liest Hennemann auch aus den Mails ab, die ihn erreichen: „Das finde ich schon ziemlich bedenklich.“ Im nachhinein brüstete sich im Netz unter anderem die rechtsextreme Partei „Der Dritte Weg“ mit der Aktion.

Unterdessen bereitet sich Ebern schon auf den nächsten nicht angemeldeten „Spaziergang“ vor. Wer am Mittwochabend allerdings in die Stadt kommt, sollte sich darauf einstellen, am Bahnhof zu bleiben: Ein Marsch durch die Stadt ist per Allgemeinverfügung vom Landratsamt untersagt.

Der Text ist zuerst auf vorwaerts.de erschienen.