Interview mit Kirsten Lühmann

„Eine einheitliche Mobilitätskarte hat viele Vorteile“

Carl-Friedrich Höck23. Dezember 2016
Eine einheitliche Mobilitätskarte kann ein kleiner Baustein bei der großen Herausforderung der Verkehrswende sein, meint Kirsten Lühmann. Sie ist verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion.
Kirsten Lühmann, die verkehrspolitische Sprecherin der SPD- Bundestagsfraktion, spricht sich für eine verkehrsträgerübergreifende Strategie zur Intelligenten Mobilität aus. Die SPD-Bundestagsfraktion fordere schon länger, eine verkehrsübergreifende Karte im ÖPNV einzusetzen. Lühmann warnt aber auch: „Grundbedingung ist natürlich die vollumfängliche Einhaltung unserer Datenschutzstandards“.

Die Grünen fordern eine Mobilitätskarte für Busse, Bahnen, Car- und Bikesharing. Wie steht die SPD zu der Forderung?

␣Die grundlegende Forderung eine verkehrsträgerübergreifende Karte einzusetzen ist nicht neu. Auch die SPD-Bundestagsfraktion fordert dies schon länger und unterstützt erste Schritte beispielsweise auch mit Mitteln im Bundeshaushalt für das sogenannte e-Ticket. Doch hier zeigt sich auch die damit verbundenEinen entsprechenden Antrag hat die SPD-Fraktion gemeinsam mit der Union en Herausforderung: Am Ende müssen sich für den ÖPNV alle Verkehrsverbünde in Deutschland auf ein System einigen. Das ist leider bisher noch nicht geschehen. Daher haben wir auch als SPD-Fraktion gemeinsam mit der Union in einem Antrag die Bundesregierung aufgefordert eine verkehrsträgerübergreifende Strategie zur Intelligenten Mobilität vorzulegen. Denn wir benötigen eine Mobilitätskarte bzw. eine App, die eine Reisekette von Tür zu Tür umfasst, flexibel und einfach gestaltet.

Begründen Sie bitte: Was spricht für, was gegen eine Mobilitätskarte?

Aus meiner Sicht hat eine einheitliche Mobilitätskarte viele Vorteile: Wenn wir ein vereinfachtes System vorliegen haben, dann können auch Personen öffentliche Verkehrsangebote nutzen, die derzeit als Gelegenheitskundinnen und -kunden wegen der eher unübersichtlichen Tarifstruktur zurückhaltend sind. Aber auch die Stammkundschaft des ÖPNV kann von der neuen Technik profitieren und aufgrund des besseren Service die Nutzung des Privat-Pkw weiter reduzieren.
Grundbedingung ist natürlich die vollumfängliche Einhaltung unserer Datenschutzstandards. Es darf nicht sein, dass mit den Mobilitätsdaten am Ende Bewegungsprofile erstellt werden, die einer Person zugeordnet und z.B. wirtschaftlich ausgenutzt werden können.

Bereits jetzt gibt es lokale Kombitickets, etwa für ÖPNV und Carsharing. Unser Eindruck ist, dass diese sich bei den Kunden noch nicht im großen Stil durchgesetzt haben. Welche Informationen haben Sie zum Erfolg solcher Projekte?

␣Auf lokaler Ebene sind solche Lösungen zwar einfacher umzusetzen und innerhalb einer bestimmten Nutzendengruppe akzeptiert. Einen Durchbruch kann aber nur ein deutschlandweites verkehrsträgerübergreifendes Angebot erzielen.

Was müsste passieren, damit Kombitickets besser angenommen werden?

␣Eine verkehrsträgerübergreifende Mobilitätskarte muss einfach, verlässlich und flexibel handhabbar sein. Wenn ich als Kundin weiß, dass ich mit einer Karte z.B. von meiner Haustür bis zur Tür meines Hotels am Zielort komme und dabei alle vorhandenen Verkehrsangebote nutzen kann, wie den Bus im Nahverkehr, den Zug im Fernverkehr, das Taxi oder auch das Auto und Fahrrad im Sharing-System, dann wird eine solche Karte auch erfolgreich angenommen werden. Wichtig ist dabei, dass mir selbstverständlich der günstigste Tarif in einer solchen Reisekette automatisch berechnet wird.

Der Vorteil für die Kunden liegt auf der Hand: Eine Karte berechtigt zur Nutzung aller Verkehrsmittel. Aber wäre ein Mobilpass – verglichen mit der klassischen ÖPNV- Monatskarte – nicht viel zu teuer? Zumindest für diejenigen, die auf dem täglichen Weg zur Arbeit nur den Bus nutzen und nur gelegentlich Auto fahren.

␣Nein, die Gefahr sehe ich nicht. Eine derartige Karte benötigt eine flexible Abrechnung, die jeweils individuell aufgrund des günstigsten Tarifes zu erfolgen hat. Ein Beispiel: Eine Person entscheidet sich kurzfristig wegen schlechten Wetters die U-Bahn zu nehmen und aktiviert beim Einsteigen automatisch die vorhandene Karte bzw. App und steigt nach zwei Stationen wieder aus. Dann sollte beim Aussteigen lediglich für diesen kurzen Fahrweg die Abrechnung erfolgen, entweder in der heute bekannten Form eines Kurzstreckentarifs oder womöglich sogar exakt abgebildet für jede einzelne Station und dann entsprechend addiert. Damit erreichen wir insbesondere die bereits angesprochenen Gelegenheitskundinnen und ␣ kunden. Daneben wird es auch weiterhin mittelfristig Abonnementstrukturen geben, die von einer Stammkundschaft für ein bestimmtes Tarifgebiet genutzt werden. Somit können alle Nutzenden davon profitieren.

Welchen Reiz hätte ein Mobilpass für Kommunen?

␣Der Reiz liegt neben dem großen Nutzen für die Einzelne und den Einzelnen unter anderem in der Verringerung des motorisierten Individualverkehrs, insbesondere in innenstädtischen Bereichen. Ein besser vernetztes Angebot kann dafür zumindest als ein kleiner Baustein innerhalb der großen Herausforderung der Verkehrswende einen Beitrag leisten und somit Abgasemissionen reduzieren. Auch für Besucherinnen und Besucher einer Kommune, sprich in Urlaubsregionen, kann eine deutschlandweit einheitliche Mobilitätskarte zu einem einfacheren Zugang zum örtlichen Verkehrsangebot führen und dabei helfen eine unbekannte Region besser zu erkunden.

Die Deutsche Bahn gehört dem Bund. Der öffentliche Nahverkehr ist vielerorts in der Hand der Kommunen. Beim Regionalverkehr mischen die Länder mit. Und Car- oder Bikesharing-Angebote werden oft von privaten Anbietern betrieben. Wie kann man diese Gruppen für ein gemeinsames Projekt zusammenbringen?

␣Es bringt nichts, wenn sich die großen Anbieter gegenseitig blockieren, da sie den Erfolg der Mitbewerbenden fürchten. Hier gilt es alle Mobilitätsdienstleistenden an einen Tisch zu bringen. Sinnvoll ist dabei die eingangs erwähnte verkehrsträgerübergreifende Strategie zur Intelligenten Mobilität. Wir werden diesen Prozess weiterhin aktiv begleiten und die Bundesregierung und insbesondere das Bundesverkehrsministerium hierbei als Vermittelnde in die Pflicht nehmen.␣
 

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