Denkmalschutz

Einsatz für die Rettung historischer Bauten

Harald Sawatzki15. Dezember 2020
Gerettet: Der Tritonenbrunnen in Mannheim. Die rekonstruierte Brunnenanlage konnte im Jahr 1999 wieder eingeweiht werden.
Mannheims „Verein Stadtbild“ stärkt seit mehr als 30 Jahren das Verständnis der Bürgerschaft für die Historie der Stadt.

Der Bombenhagel währte keine zwei Stunden. Danach bot Mannheims Innenstadt ein Bild der Zerstörung: 605 Bomber der Royal Air Force brachten in der Nacht vom 5. auf den 6. September 1943 Tod und Elend über die Stadt. Es war einer von mehreren, aber in dieser Härte der schrecklichste Angriff. Zigtausende Minen, Spreng-, Stab- und Phosphorbomben töteten knapp 400 Menschen, machten 90.000 der 280.000 Einwohner zählenden Stadt obdachlos.

Historische Gebäude liegen in Schutt und Asche

Dass nicht noch mehr Menschen sterben mussten, war – so zynisch das klingen mag – einer weitsichtigen Kriegsplanung geschuldet: Die Stadt verfügte über viele große Bunker, in denen Bedrohte Zuflucht fanden. Dennoch: Bei dieser Katastrophe legten die britischen Bomber auch etwa 80 Prozent der historischen Gebäude in Schutt und Asche. Auch das „Alte Kaufhaus“ auf dem Quadrat N 1, ein imposanter barocker Palast aus dem 18. Jahrhundert, gehörte dazu.

Um den historisch detailgetreuen Wiederaufbau des einstigen Fest- und Gerichtsgebäudes, späteren Rathauses und schließlich auch als Kaufhaus genutzten Prachtbaus entbrannte knapp 40 Jahre nach Kriegsende eine lebhafte Diskussion. Wiederaufbau ja, aber alt oder neu? Das war die Frage, an der sich 1984 die Geister schieden – und weshalb eine kleine Gruppe engagierter Einwohner eine Bürgerinitiative gründete. Die „Bürgeraktion Altes Kaufhaus“ scheiterte mit ihrem Vorhaben, den Bau auferstehen zu lassen, an einem verpassten Quorum. Gebaut wurde ein Stadthaus in kühler, moderner Formensprache, dessen Nutzung immer wieder geändert wurde.

„Verein zur Pflege des historischen Stadtbilds von Mannheim“ gegründet

Doch die Niederlage hatte auch ihr Gutes: Aus der Bürgeraktion entwickelten einige Enthusiasten den „Verein zur Pflege des historischen Stadtbilds von Mannheim“, der 1991 notariell beurkundet und später in „Verein Stadtbild Mannheim“ umbenannt wurde. Helen Heberer, eine frühere SPD-Landtagsabgeordnete, Stadtverordnete und zeitweise SPD-Kreisvorsitzende, übernahm vor vier Jahren die Führung des Vereins. Sie beschreibt die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung zwar als „mitunter stockend und nicht immer komplikationlos“, doch die Kooperation mit Oberbürgermeister Peter Kurz, SPD, sei gleichwohl durchaus „professionell“.

Der Verein schaffte es seither, dank des Engagements von rund 320 Mitgliedern und einer „interessierten Bürgerschaft“, Dutzende historische Gebäude, Privathäuser und Denkmäler zu sanieren, zu restaurieren und zu erhalten: darunter  der Ehrenhof des barocken Mannheimer Schlosses, Teile der Spiegelkolonie – die älteste Werksiedlung Mannheims, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts für Arbeiter einer französischen Glasfabrik gebaut worden war, sowie die Sternwarte, die 1772/74 für den Hofastronomen des Kurfürsten Carl Theodor entstand. Auch der Tritonenbrunnen wurde gerettet. Er entstand kurz vor der Wende zum 20. Jahrhundert in einer Augsburger Bronze­warenfabrik. Nach 1945 wurde die beschädigte Anlage mehrfach notdürftig ausgebessert, ehe der rekonstruierte Brunnen 1999 eingeweiht werden konnte.

Gute Zusammenarbeit mit Landesdenkmalamt

Geradezu überschwänglich lobt ­Heberer das Zusammenwirken mit dem Landesdenkmalamt in Karlsruhe. Mit Ute Fahrbach-Dreher, Gebietsreferentin für Bau- und Kunstdenkmalpflege, arbeite der Verein erfolgreich zusammen. Eine Einschätzung, die auch von der ­Karlsruher Expertin bestätigt wird: Als „total angenehm“ beschreibt sie die Kooperation mit dem Verein. Außerdem treffe sie sich jährlich mehrfach mit dem kommunalen Denkmalbeirat, um Projekte und Realisationen zu diskutieren und voranzutreiben.

Am Beispiel des durch Brandstiftung großteils zerstörten Wirtshauses „Altes Relaishaus“ aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, habe sich laut Fahrbach-Dreher auch gezeigt, dass manchmal „öffentlicher und auch vom Verein ausgeübter Druck“ auf die Stadtverwaltung die Anliegen des Denkmalschutzes unterstützten.

Vorträge und Preisverleihungen

„Wir veranstalten Fachvorträge, laden Buchautorinnen und -autoren zu Lesungen ein, locken mit regelmäßigen Info-Veranstaltungen oder Benefizkonzerten“, beschreibt Helen Heberer die zusätzlichen Aktivitäten des „Vereins Stadtbild“. Auch Preise für vorbildliche Sanierung werden verliehen: So erhielten etwa kürzlich die Eigentümer eines Wohngebäudes auf dem „Pestbuckel“ den „Preis für Denkmalspflege“. Ab 1666 war an dieser Stelle ein Massengrab der Opfer des schwarzen Tods, heute steht dort ein prächtiger Bau von 1908/09.

Der zweite Vorsitzende des Vereins Volker Keller ist ein Mann der ersten Stunde. Dass das „Alte Kaufhaus“ verschwand und die sich an der Bauhistorie orientierenden Wiederaufbaupläne bisher erfolglos waren, ist für ihn eine „große Enttäuschung“. Inzwischen beobachtet er eine „erfreuliche Entwicklung“ in der breiten Öffentlichkeit, sich für den Denkmalschutz zu engagieren. Vielleicht findet sich für das „Alte Kaufhaus“ ja doch noch eine geschichtsverbundene Lösung.