Das liebe Geld

Wie die Entschuldung der Kommunen gelingen kann

12. Mai 2022
Die Finanzlage vieler Kommunen ist schlecht. Das soll sich ändern.
Der Bund könne die Hälfte der kommunalen Schulden übernehmen, findet Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Doch so einfach ist es nicht. SPD-Kommunalpolitiker*innen fordern darüber hinaus die Konnexität und eine bessere Finanzausstattung ein.

Es könnte so schön sein: Der Bund übernimmt die Hälfte aller Schulden von Städten und Gemeinden. Im Gegenzug müssen sich die Kommunen dazu verpflichten, nicht gleich wieder neue Schulden zu machen. Mit diesem Vorschlag hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) der Dauerdiskussion über das vorhandene oder eben nicht vorhandene Geld in den Kommunen neuen Schwung gegeben – im Prinzip zurecht, haben sich doch die Berliner Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP im Koalitionsvertrag auf die Fahne geschrieben, die Kommunen finanziell besser zu stellen.

Mit dieser Idee war Bundeskanzler Olaf Scholz schon als Finanzminister unter Ex-Kanzlerin Angela Merkel angetreten. Sein Amtsnachfolger nimmt den Faden also nur wieder auf. Doch ganz so einfach ist es dann doch nicht. Verfassungsrechtlich will Lindner zwar durch eine Grundgesetzänderung eine Hürde aus dem Weg räumen. Doch viele Fachleute und Praktiker sind skeptisch – gerade auch in den Reihen der Sozialdemokrat*innen. Gerade im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen sowie den SPD-regierten Ländern Rheinland-Pfalz und Saarland ächzen viele Kommunen unter der Last der Kassenkredite.

So hat sich unter anderem Ralph Spiegler, sozialdemokratischer Bürgermeister der Verbundsgemeinde Nieder-Olm und Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, zu Wort gemeldet. Er begrüße zwar die Absicht, das Problem kommunaler Altschulden zu lösen. Jedoch: „Über 2.000 Kommunen mussten derart hohe Schulden machen, dass sie trotz aller Anstrengungen ohne Unterstützung aus dieser Situation nicht mehr herauskommen können.“ Gelöst werden muss auch das Problem der hochverschuldeten kommunalen Wohnungsunternehmen in Ostdeutschland. Um all das in den Griff zu bekommen und die Gleichheit der Lebensverhältnisse herzustellen, müssten Bund und Länder gemeinsam tätig werden, fordert Spiegler.

Entschuldung, Konnexität und genug Geld

Tim Kähler, SPD-Bürgermeister der Stadt Herford, springt seinem Kollegen bei. „Einmal die Schuldenuhr zurückzudrehen wird alleine nicht reichen“, sagt er zu den Lindner-Plänen. Gerade in Nordrhein-Westfalen seien viele Kommunen finanziell an der „Oberkante Unterlippe“ – und das nicht nur wegen der Altschulden. Die Corona-Pandemie mit ihren Auswirkungen im Bereich der Hilfen für Familien und aktuell der Ukraine-Krieg seien finanziell herausfordernd. Kähler fordert statt einer Diskussion über eine mögliche Grundgesetzänderung und einmaligen Schuldenübernahmen durch den Bund den „Dreiklang aus Entschuldung, Konnexität und auskömmlicher Finanzausstattung der Kommunen“.

Insbesondere beim Thema Konnexität legen die SPD-Kommunalen seit Jahren den Finger in die Wunde. Das Konnexitätsprinzip besagt laut Staatsrecht, dass Aufgaben- und Finanzverantwortung jeweils eine Einheit bilden. Volkstümlich ausgedrückt: „Wer die Musik bestellt, muss sie bezahlen.“ Dies jedoch ist in der bundesdeutschen Wirklichkeit längst nicht der Fall – die meisten Leistungen laut Bundesgesetzen müssen die Kommunen bezahlen.

Für notwendige Investitionen fehle vor diesem Hintergrund das Geld, die Kommunen stünden vor einem riesigen Investitionsstau. Zudem fehle das Geld für Zukunftsinvestitionen, moniert Kähler: „Stichwort Ernergiewende und Verkehrswende.“ Beiden müssten Städte und Gemeinden alleine oder anteilig bezahlen. Bund und Länder könnten noch so viele Programme auflegen. Doch die Gemeinden könnten das Geld unter anderem wegen fehlender Eigenmittel nicht abrufen, findet der Herforder Bürgermeister: „Da reicht die Projekteritis nicht aus.“

„Altschulden sind ein sehr großes Thema"

Spieglers Forderung nach Hilfe für die hochverschuldeten kommunalen Wohnungsunternehmen im Osten bekräftigt auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Franziska Maschek: „Die Altschulden sind ein sehr großes Thema im Osten.“ Die Kommunen würden keine Darlehen mehr bekommen, weil sie für ihre Wohnungsunternehmen geradestehen müssten. Den Grund kennt die Abgeordnete aus Sachsen genau: Nach der Wende seien Wohnungen der einstigen Genossenschaften im Glauben durch die Re-Finanzierung durch die Mieteinnahmen über Kredite finanziert worden. Doch durch die De-Industrialisierung gingen die Menschen in den Westen, sodass die Mieter fehlten.

Diese Gemengelage hat laut Maschek nicht nur Auswirkungen auf die Kassen der Städte und Gemeinden in den östlichen Ländern. Öffentliche Investitionen seien zum Beispiel in vielen Orten gar nicht mehr möglich, oder die öffentliche Infrastruktur werde bis auf ein Minimum zurückgefahren.

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