Mobilität

Eine Erfolgsgeschichte: 30 Jahre Bürgerbusse in deutschen Kommunen

11. Februar 2016
Bürgerbus in Achim
Auch in Achim gibt es einen Bürgerbus.
Busse mit ehrenamtlichen Fahrern ergänzen vielerorts das Angebot des öffentlichen Nahverkehrs. Die Bürgerbusse wurden anfangs skeptisch beäugt, aber heute gelten sie als wichtiger Beitrag zur urbanen Mobilität.

„RoBBy“ biegt scharf links ab. Ziel: Bahnhof. Von dort geht es weiter in Richtung Pferdemarkt, zum Diakonie-Klinikum und zu zahlreichen anderen Haltestellen. Im Stundentakt nimmt „RoBBy“ Fahrgäste auf und lässt welche aussteigen. Darunter sind viele ältere Menschen mit Rollator und Rollstuhlfahrer. Aber das ist kein Problem, „RoBBy“ ist barrierefrei gebaut worden. Wie die Fahrgäste ein- und aussteigen, was sie von „RoBBy“ halten und wo vielleicht Verbesserungen notwendig sind, können die Leute in regelmäßigen Abständen sogar beim Bürgermeister selbst los werden.

Bürgermeister fährt Bügerbus in Rotenburg

Andreas Weber, Rathauschef der niedersächsischen Kreisstadt Rotenburg, geht mit gutem Beispiel voran und steuert „RoBBy“ durch die Straßen. Er hat sich als einer der ehrenamtlichen Fahrer schulen lassen. „RoBBy“ ist einer der beiden Bürgerbusse, die seit gut vier Jahren in der Stadt auf halbem Wege zwischen Bremen und Hamburg verkehren. Auch in anderen kleinen und mittleren Städten sowie diversen Gemeinden sind Bürgerbusse unterwegs.

Knapp 50 sind es allein in Niedersachsen. Ihre Zahl soll in den kommenden Jahren weiter wachsen. Die Zahl der Fahrgäste beziffert Wolfgang Schmidt, Vorsitzender des Dachverbandes „Pro BürgerBus Niedersachsen“, allein in seinem Einzugsbereich auf rund 500.000 pro Jahr. Knapp die Hälfte davon, etwa 220.000 nutzen das Angebot allein im Raum des Verkehrsverbundes Bremen/Niedersachsen, VBN. In Nordrhein-Westfalen sind es nach Auskunft von Jürgen Burmeister, Sprecher des Verbandes „Pro Bürgerbus NRW“, rund 1,2 Millionen Fahrgäste jährlich. Sie nutzen eines der mehr als 120 „Projekte“, wie Burmeister sie nennt. In Baden-Württemberg gibt es rund 30 Linien.

280 Kommunen nutzen Bürgerbusse

Bundesweit gibt es schätzungsweise 280 Bürgerbusse, allerdings zumeist in Westdeutschland. Im Osten des Landes kann lediglich Brandenburg mit fünf Bürgerbus-Linien aufwarten: seit 2005 im Amt Gransee, seit 2006 in Hoher Fläming, seit 2007 in Brieselang und seit 2010 in Lieberose/Oberspreewald. Ob Ost oder West, sie alle eint das Motto „Bürger fahren für Bürger“.

Der Slogan umschreibt eines der zentralen Anliegen: Bürgerbusse sind einerseits mit Fahrern auf ehrenamtlicher Basis unterwegs, andererseits sind sie Bestandteil des Angebotes ihrer jeweiligen Kommunen beziehungsweise Verkehrsverbünde. Wert legen die Verantwortlichen darauf, dass Bürgerbusse kein Ersatz herkömmlicher Linien sind, sondern das bestehende Angebot ergänzen. Getragen werden die Angebote von eigenständigen Vereinen. Sie übernehmen die Disposition der Fahrer, die Abrechnungen und alle weiteren notwendigen Aufgaben in Zusammenhang mit dem Betrieb.

Vorreiter NRW importierte Idee aus den Niederlanden

Das war nicht immer so, denn die Idee der Bürgerbusse hielt 1985 mit dem Start des ersten Pilotprojekts in Nordrhein-Westfalen Einzug in die Bundesrepublik. Bis Anfang der 1990er Jahre fuhren die Busse als vom Land finanzierte Projekte. Abgeguckt hat sich die Landesregierung das alles wiederum bei den niederländischen Nachbarn. Dort gehören die ­„Buurtbusse“ seit 1977 zum Alltag. Die Niederländer wiederum schauten ­hinüber nach Großbritannien. Dort gibt es die „Volunteer-Buses“, deren Geschichte bis ins Jahr 1939 zurückreicht.

Erst nach und nach hat sich die Idee durchgesetzt. Waren viele anfangs skeptisch und sahen in den Bürgerbussen unliebsame Konkurrenz, hat sich die Sichtweise inzwischen komplett gedreht: Bürgerbusse gelten nicht nur als sinnvolle Ergänzung zum bestehenden Angebot, sondern werden vor dem Hintergrund des demografischen Wandels sogar als notwendig angesehen. Hinzu kommt, dass Bürgerbusse nach Überzeugung von Fachleuten einen wichtigen Beitrag zum bürgerschaftlichen Engagement leisten können. So werden die Fahrzeuge zumeist von der Personengruppe der „rüstigen Rentner“ gefahren. Sie sollen, so der Idealfall, zwei bis viereinhalb Tage im Monat als Fahrer zur Verfügung stehen.

Fahrer für Bürgerbusse sind rar

In der Realität sieht das Ganze etwas anders aus. Viele Vereine sind ständig auf der Suche nach Fahrern. Genau das treibt die Macher der Bürgerbus-Vereine um. Menschen wie Wolfgang Schmidt von „Pro BürgerBus Niedersachsen“ sehen die Zukunft der Angebote von zwei Seiten. „Einerseits werden sie gebraucht, andererseits gibt es insbesondere in dünn besiedelten Gebieten Schwierigkeiten, genug Menschen zu bekommen, die sich hinters Steuer setzen.“ Zurzeit gehen Schmidt und Burmeister davon aus, dass die Zahl der Bürgerbusse noch steigen wird. „Das ist noch immer ein dynamischer Prozess, wenn auch nicht mehr ganz so stark wie noch vor ein paar Jahren“, weiß Burmeister. Allerdings wird es neue Linien wohl eher in den westlichen Bundesländern geben. So ist beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern kein einziges Projekt geplant. Dagegen nimmt das Thema in Baden-Württemberg zusätzlich Fahrt auf. Dort setzt die grün-rote Landesregierung nicht nur auf Bürgerbusse mit Verbrennungsmotor, sondern in dem Zusammenhang auch auf Elektromobilität.