Kommunalwahlen in NRW

„Ein Ergebnis mit Licht und Schatten“

Karin Billanitsch14. September 2020
Viele Stichwahlen stehen in NRW an: „Das ist jetzt also eine ganz spannende Phase, für die wir in kommenden zwei Wochen mit vereinten Kräften mobilisieren werden.“
Die SPD steht nach der Kommunalwahl in NRW besser da als in Umfragen vorhergesagt, sagt NRWSPD-Landeschef Sebastian Hartmann. SPD ist zweitstärkste Kraft, und in einer zweiten Runde stehen viele Stichwahlen an, für die in den kommenden zwei Wochen verstärkt mobilisiert werden soll.

SPD bleibt zweitstärkste Kraft, aber mit Stimmenverlusten im Vergleich zu 2014: Wie bewerten Sie das Ergebnis?

Es ist ein Ergebnis mit Licht und Schatten. Natürlich schmerzen die Verluste, wenn man unter dem Ergebnis der vergangenen Kommunalwahl bleibt. Doch man muss auch die Strecke betrachten, von der wir kommen. Dazwischen liegen eine verlorene Bundestagswahl und eine verlorene Landtagswahl, sogar eine Europawahl, bei der wir auf Platz drei gelandet sind. Die Umfragen hatten uns ein anderes Ergebnis vorausgesagt – und wir stehen besser da. Vor allen Dingen haben wir jetzt viele Stichwahlen in Nordrhein-Westfalen anstehen, die wir auch für uns entscheiden wollen.

Das heißt, es gibt es eine zweite Runde, die wir uns allerdings vor dem Verfassungsgerichtshof erkämpfen mussten Denn CDU und die FDP haben diese Stichwahlen per Gesetz abgeschafft und wir mussten sie erst mit Klagen wieder durchsetzen. Das ist jetzt also eine ganz spannende Phase, für die wir in kommenden zwei Wochen mit vereinten Kräften mobilisieren werden.

Mit welchen Themen konnte die SPD überzeugen?

Wir haben festgestellt, dass da, wo Amtsinhaber*innen relativ klar und pragmatisch für die kommunalen Themen wie bezahlbares Wohnen, Sicherheit im Wandel, gute kommunale Ideen für die Zukunft und entsprechende Investitionen geworben haben, wir entsprechend überzeugen konnten. Dort wo Herausforderer*innen gegen CDU-Amtsinhaber angetreten sind, lagen die Erfolge dort, wo klare Kampagnen aufgezeigt haben, wie man mehr aus seiner Kommune machen kann: Ideen für eine Stadt von morgen zu formulieren, wie Quartiere sich entwickeln können, wie der Einzelhandel sich voll entwickelt, wie moderne Mobilitätskonzepte aussehen könnten, dass die SPD für eine moderne Politik in den Kommunen steht und da haben wir Erfolge erzielt gegen Amtsinhaber von der CDU, die oft verbraucht aussahen.

Können Sie Beispiele nennen, in welchen Städten war das so?

Als herausragende Beispiele können wir uns zum Beispiel die Kampagne „Hamm von morgen“ anschauen, mit der Marc Herter ein grandioses Ergebnis eingeholt hat. Oder auch Mönchengladbach, wo der Herausforderer Felix Heinrichs den Amtsinhaber in die Stichwahl schickt. Ein weiteres Beispiel ist der Landkreis Euskirchen mit Markus Ramers: Das sind nur einige Beispiele von Orten, in denen wir nicht vorne gelegen haben und jetzt in den Stichwahlen vorne liegen. Und natürlich haben wir auch viele Amtsinhaber, die mit einem deutlichen Vorsprung als bewährte Oberbürgermeister in die Stichwahl.

Welchen Einfluss hatte die Corona-Pandemie auf das Wahlergebnis? 

Corona hat alle Maschinen auf Stop gestellt, weil wir erst einmal über viele Wochen Aufstellungsverfahren unterbrochen haben und die Kandidatinnen und Kandidaten nur verzögert aufstellen konnten.

Zum anderen hat sich die Art und Weise des Wahlkampfes massiv verändert, weil natürlich Konzepte, die eine Partei wie die SPD, – die sehr auf Bürgernähe setzt – machen wollte, so nicht durchführbar waren. Deshalb wurde auf Abstandsformate, aber auch stärker als sonst auf digitale Formate ausgewichen. Das ist schon eine massive Veränderung. Als Trend zeichnet sich ab, dass Amtsinhaber es etwas einfacher hatten, für sich zu werben, aber das muss man sich im Detail nach den Stichwahlen anschauen.

Welche Stichwahlen sehen Sie besonders gute Chancen für die SPD? 

Bei allen Stichwahlen sehe ich für die SPD gute Chancen.

Wo erkennen sie Defizite, wenn Sie das Ergebnis anschauen?

Wir müssen uns fragen, wo wir noch stärker mobilisieren können, wenn die Wahlbeteiligung nur knapp über 50 Prozent liegt. Und wir müssen schauen, wie wir unser politisches Angebot noch besser an die Bürgerinnen und Bürger vermitteln können. Es lässt sich auf diesen Ergebnissen aber kein pauschaler Trend erkennen. Dafür ist die Lage in NRW in den einzelnen Kommunen zu differenziert.

Das Wahlalter lag bei 16 Jahren. Welchen Einfluss hatten die besonders jungen Wähler auf den Ausgang der Wahl? 

Wir sehen, dass die SPD bei jungen Wählern nicht ausreichend punkten konnte. Das ist ein Ansporn. Denn auch wenn die Gruppe im Verhältnis zu allen Wählern relativ klein ist, muss man sie natürlich mit besonderem Augenmerk betrachten. Das ist eine Generation, die in einer schweren Umbruchphase das erste Mal zur Wahl geht. Corona kommt hinzu. Wir müssen gerade gegenüber jungen Menschen noch einmal deutlicher machen, dass wir  klare Konzepte für klimagerechte Kommunen und die Energiewende haben, und den Ausstieg aus der Braunkohle und aus der Steinkohle gestaltet haben. Wir müssen bei diesen Themen deutlicher dafür sorgen, dass sie mit der SPD verbunden werden.

Welche Wählergruppen hat die SPD dagegen am stärksten überzeugt?

Es ist schwer, das in einem Trend abzubilden, weil  NRW mit seinen 396 Kommunen sehr vielfältig ist. Was man aber feststellen kann: Amtsinhaber mit einem geschlossenen Konzept können in allen Zielgruppen stark sein , sowohl in unterschiedlichen Altersgruppen als auch in den Vierteln, die sehr heterogene Bevölkerungsgruppen haben . Nach den Stichwahlen werden wir uns, neben den jetzt erforderlichen Zuspitzungen in den Stichwahlkampagnen, diese Aspekte nochmal sehr genau anschauen. Dafür ist es jetzt zu frisch.

Inwiefern spielte Bundespolitik eine Rolle? War es auch eine Abstimmung über eine mögliche Kanzlerkandidatur von Armin Laschet? Hat die Nominierung von Olaf Scholz zum SPD-Kanzlerkandidaten erhofften Rückenwind gebracht?  

Wir haben bei der Vielzahl der nordrhein-westfälischen Kommunen eine große Zahl von Unikaten. Es wäre ungerecht einen Stab über alle zu brechen. wir müssen die Themen vor Ort und die Amtsinhaber sehr differenziert betrachten. Deshalb bin ich sehr froh, dass die Bundesspitze – Parteiführung und Kanzlerkandidat – sich stark eingesetzt haben, um die kommunalen Themen zu betonen, wie etwa in der Corona-Krise Arbeit zu sichern, für Investitionen zu sorgen oder gemeinsam mit Olaf Scholz das Thema Altschulden-Entlastung der Kommunen voranzubringen.

Da war die CDU erkennbar nicht auf dem Platz und es drängt sich nahezu die Frage auf, warum Armin Laschet sich nicht in der CDU durchsetzen konnte.. Es ist das schlechteste Wahlergebnis, dass die CDU seit der Gründung des Landes Nordrhein-Westfalen eingefahren hat. Ob das einseitig auf Laschet verteilt wird, oder auch bei den weiteren CDU-Bewerbern Merz und Röttgen, kann ich nicht beurteilen, das werden die Gremien der CDU machen.

Welche Folgen hat das Wahlergebnis?  Wie geht es mit dem eingeschlagenen Erneuerungskurs der NRWSPD weiter? 

Ich bin vor zwei Jahren als Landesvorsitzender angetreten mit der festen Zusage, dass offene Fragen der inhaltlichen Positionierung in der SPD geklärt werden. Wir haben ein neues Konzept für bezahlbares Wohnen, einen anderen Umgang mit Grund und Boden formuliert, so dass wir die jedes Jahr in NRW konkret fehlenden 80.000 Wohnungen bauen können. Wir wollen mehr Geld in die Bildung investieren und eine Schule für alle schaffen. Mit über sieben Milliarden mehr an Investitionen haben wir eine klare Ansage gemacht. Wir wollen eine Besetzung jeder Lehrer*innenstelle, die unbesetzt ist.  Und wir haben entschieden, Mobilität und die Infrastrukturpolitik nicht den Grünen zu überlassen. Diese Punkte wurden auf dem letzten Landesparteitag gesetzt.

Wir sind sehr stolz darauf, dass unser Steuer- und Finanzkonzept und unsere Positionen für ein neues Sozialstaatsverständnis auch Kern der bundespolitischen Positionierung sind. Das ist auf einem guten Weg. Wir müssen stärker deutlich machen, dass es einen Unterschied gibt zwischen SPD und CDU/CSU. Der wird bei den Bundestagswahlen deutlich sein.  Erst recht zwischen CDU und FDP auf der einen Seite und Rot-Grün auf der anderen Seite. Schwarz-Gelb bei der Kommunalwahl nur knapp 40 Prozent bekommen. Wir liegen gemeinsam mit dem grünen Lager  davor. Das gibt Hoffnung und Ansporn für die nächste Landtagswahl.

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