DStGB-Pressekonferenz

Das erwarten die Städte und Gemeinden im neuen Jahr

Carl-Friedrich Höck03. Januar 2022
DStGB-Präsident Ralph Spiegler in der Bundespressekonferenz (Archivbild von 2021)
Corona-Krise, kommunale Altschulden, Wohnungsbau und Energiewende: Diese Themen werden 2022 für die Kommunen besonders im Fokus stehen. Das sagten Vertreter des Deutschen Städte- und Gemeindebundes zum Jahresauftakt.

Der erste Termin der Bundespressekonferenz im Jahr 2022 stellte gleich die Kommunen in den Mittelpunkt. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) formulierte zum Jahresauftakt seine Erwartungen an die kommenden Monate. Mit Spannung schauen die Kommunen darauf, wie die neue Bundesregierung die Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umsetzen wird. Diese Themen treiben den DStGB besonders um:

Corona-Pandemie: Wie viele Expert*innen rechnet auch DStGB-Präsident Ralph Spiegler fest damit, dass Deutschland eine fünfte Corona-Welle bevorsteht. Das wird die kommunalen Strukturen wieder vor Herausforderungen stellen – zum Beispiel die Gesundheits- und Ordnungsämter. Bisher hätten die Kommunen die Pandemie „hervorragend bewältigt“, lobt Spiegler. Doch es sei festzustellen, dass die Kräfte nach zwei Jahren Corona-Krise erlahmen. Um die Pandemie zu bewältigen, sei die Impfstrategie von entscheidender Bedeutung. Schon jetzt macht sich der DStGB-Präsident Gedanken über eine vierte Impfung. Die Vorbereitungen dazu müssten frühzeitig anlaufen, fordert Spiegler. „Ich glaube auch, dass wir zusätzliche Impfzentren wieder reaktivieren müssen.“ Diese seien „eine Erfolgsstory“ gewesen. Spiegler begrüßt, dass derzeit eine offene Debatte über die Einführung einer Impfpflicht geführt wird. Zudem plädiert der Kommunale Spitzenverband für ein zentrales Impfregister.

Corona-Leugner: Debatten über Nutzen und Risiken von Impfungen gelte es zu respektieren, so Spiegler. Die Zahl der tatsächlichen Corona-Leugner – die sich der bestehenden Gefahr nicht bewusst seien – sei aber verschwindend gering. Eine Spaltung der Gesellschaft erkennt der DStGB-Präsident daher nicht. „Dass es diesem kleinen Teil der Gesellschaft gelingt, so öffentlichkeitswirksam zu agieren, auch mit massiven Protesten, mit Sachbeschädigung, mit Bedrohung von Menschen, auch von Kommunalpolitikern und Bundespolitikern, das ist meines Erachtens nicht hinnehmbar“, sagte Spiegler. Dasselbe gelte für die Bedrohung von Menschen, die in den Rathäusern arbeiten. Gut sei, dass es mittlerweile „Widerstand gegen diesen Widerstand“ gebe und Kirchen, Vereine und Initiativen zu Gegendemonstrationen aufriefen. Die kleine Gruppe von Corona-Leugnern dürfe den Rechtsstaat nicht ad absurdum führen. Spiegler plädierte dafür, auch die sozialen Medien stärker in die Pflicht zu nehmen, um der Hetze Einhalt zu gebieten.

Kommunalfinanzen: „Ohne uns Kommunen ist kein Staat zu machen“, betont Ralph Spiegler. Der Bund brauche die Städte und Gemeinden, um seine politischen Ideen umzusetzen. Dafür müssten diese aber auch mit ausreichend Mitteln ausgestattet sein. Als Beispiel nannte er die Digitalisierung: Für Fachleute müsse es attraktiv sein, für das Salär, das man in Rathäusern bekommt, dort zu arbeiten. Insgesamt sei die Finanzlage der Kommunen „nicht sehr ermutigend“, bedauert Spiegler. Zwar hätten Bund und Länder pandemiebedingte Einnahmeausfälle der Kommunen zu einem großen Teil ausgeglichen. Dennoch hätten die Kommunen das Jahr 2021 mit einem Defizit von rund neun Milliarden Euro abgeschlossen. Spiegler fordert deshalb einen zweiten Rettungsschirm für Kommunen. Hierbei solle neben den Gewerbesteuer-Ausfällen auch die Einkommenssteuer stärker berücksichtigt werden. Zwar seien die Gewerbesteuern insgesamt betrachtet die wichtigere Einnahmequelle, doch insbesondere im ländlichen Raum sei es auch teilweise umgekehrt: Hier komme der größere Teil der Einnahmen aus der Einkommenssteuer. „Wenn wir gleichwertige Lebensverhältnisse haben wollen, wird man beide Aspekte berücksichtigen müssen“, gab Spiegler zu bedenken. Der DStGB-Präsident verwies auch auf den kommunalen Investitionsstau, der schon 150 Milliarden Euro betrage. Dieser Aufgabe müsse die Politik sich stellen. Ein weiteres Problem seien die hohen Altschulden mancher Kommunen. Die Liquiditätskredite beliefen sich auf 35 Milliarden Euro. Immerhin gibt es für Spiegler Grund zu Optimismus: Im Koalitionsvertrag der „Ampel“ auf Bundesebene ist eine Altschuldenhilfe festgeschrieben. Diese müsse aber gemeinsam mit den Ländern vereinbart werden – nun seien diese ebenfalls gefordert, machte Spiegler deutlich.

Bauen und Wohnen: Die Ampel-Koalition will 400.000 neue Wohnungen pro Jahr bauen, davon 100.000 geförderte Wohnungen. „Das ist höchste Zeit“, meint Spiegler. Das Defizit an Wohnungen sei gewaltig. Zugleich erinnerte Spiegler daran, dass es Regionen mit Wohnungsleerstand gebe. Auch das müsse die Politik im Blick behalten und Anreize schaffen, um dorthin zu ziehen, wo es bereits Wohnraum gibt. „Wohnen, Arbeit, Verkehr – diese drei Dinge müssen in Einklang gebracht werden“, meint Spiegler. Es gebe in Deutschland 120 Mittelzentren, die keinen Bahnanschluss haben. Das müsse sich ändern.

Energiewende: Diese sei eine „zentrale Herausforderung“, unterstrich DStGB-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. Noch sei offen, ob es gelinge, die Menschen dauerhaft mit Strom zu akzeptablen Preisen zu versorgen. „Wir werden auf jeden Fall als Brückentechnologie Gaskraftwerke brauchen“, meint Landsberg. Den umstrittenen Vorschlag der EU-Kommission, Gas unter bestimmten Umständen als nachhaltig einzustufen, begrüßt er. Es gebe Schätzungen, nach denen Deutschland bis zu 140 Gaskraftwerke benötige. Ein Großteil davon werde von kommunalen Stadtwerken errichtet werden müssen. Gleichzeitig brauche man viel mehr Windräder. Im vergangenen Jahr seien 409 Windräder aufgebaut worden. Nötig seien fast 2.500 pro Jahr, wenn Deutschland bis zum Jahr 2030 wie geplant 80 Prozent seines Stroms aus Erneuerbaren Energien gewinnen will. Der DStGB plädiert deshalb für ein „Klimabeschleunigungsgesetz“. Dieses müsse digitale Genehmigungsverfahren ermöglichen und klar formulieren, dass die Anlagen in besonderem öffentlichem Interesse seien (was sich auf naturschutzrechtliche Ausgleichsregelungen auswirken würde). Die Bürgerbeteiligung müsse zeitlich gestrafft werden, fordert Landsberg. Neben dem Klimaschutz müsse auch die Klimaanpassung vorangetrieben werden – konkret nannte Landsberg einen verstärkten Hochwasserschutz, mehr Entsiegelungsflächen in den Kommunen und einen verbesserten Küstenschutz. Klimaschutz und Klimaanpassung müssten daher als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern ins Grundgesetz aufgenommen werden.

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