Urteil Europäischer Gerichtshof

EuGH zu Anspuch auf Grundsicherung für EU-Bürger

Karin Billanitsch07. Oktober 2020
Es ist ein neues EuGH-Urteil zu Sozialleistungen ergangen. Im Bild der Wartebereich einer Arbeitsagentur.
Nach einem neuen Urteil hat ein arbeitsloser polnischer Staatsangehöriger Anspruch auf Arbeitslosengeld II, wenn seine Kinder in Deutschland zur Schule gehen.

Arbeitssuchende EU-Bürger haben Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen, wenn ihre Kinder hierzulande eine Schule besuchen. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Europas oberstes rechtsprechendes Organ entschied in einem Urteil vom 06.10.2020 (Az.: C-181/19), dass arbeitslose Ausländer aus EU-Mitgliedstaaten in der Bundesrepublik Hartz IV-Ansprüche geltend machen können, solange ihre Kinder in Deutschland zur Schule gehen.

Fall geht durch die Instanzen

Damit unterlag der Beschwerdeführer, das Jobcenter Krefeld, in dem Rechtsstreit mit einem polnischen Wanderarbeiter. Die Entscheidung zeichnete sich im Vorfeld ab, als der zuständige EU-Generalanwalt Giovanni Pitruzella im Mai die gutachterliche Auffassung vertrat, dass das Jobcenter die Zahlungen zu Unrecht gekürzt hatte. Dieser Auffassung war jetzt auch das Gericht in seinem Urteil.

Hintergrund des Falls: Der polnische Staatsangehörige lebt seit Anfang 2013 in Deutschland, die beiden Töchter besuchen seit 2016 die Schule in Deutschland. In den Jahren 2015 und 16 arbeitete der Mann mit Unterbrechungen in verschiedenen Arbeitsverhältnissen, und bezog 2016 und 2017 Arbeitslosengeld II und Sozialgeld für die beiden Töchter.

Doch Mitte 2017 verweigerte das Jobcenter die Leistungen mit der Begründung, dass der Mann den Arbeitnehmerstatus „nicht behalten habe und sich allein zu Zweck der Arbeitssuche in Deutschland aufhalte.“ Dagegen klagten der Betroffene – der Rechtsstreit wanderte durch die Instanzen bis vor den EuGH.

Verstoß gegen EU-Recht

Laut dem Urteil ist hier ein Verstoß gegen EU-Recht zu sehen. Weil der Vater wegen des Schulbesuchs der Kinder ein Aufenthaltsrecht habe (also sich nicht nur zu Arbeitssuche hier befindet) ergibt sich ein Recht auf Gleichbehandlung mit Inländern, heißt es im Urteil.

Im Wortlaut heißt es: „Somit genießt ein Kind, wenn es im Aufnahmemitgliedstaat ein Aufenthaltsrecht aufgrund von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 hat, ebenso wie sein Elternteil, der die elterliche Sorge tatsächlich wahrnimmt, das Recht auf Gleichbehandlung nach Art. 7 Abs. 2 dieser Verordnung selbst dann, wenn dieser Elternteil seine Arbeitnehmereigenschaft verloren hat. Daraus folgt, dass Personen, denen ein Aufenthaltsrecht aufgrund von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 zusteht, auch das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Gewährung sozialer Vergünstigungen aus Art. 7 Abs. 2 dieser Verordnung genießen, selbst wenn sie sich nicht mehr auf die Arbeitnehmereigenschaft berufen können, aus der sie ihr Aufenthaltsrecht ursprünglich herleiteten.“

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